Ibiza-Video: U-Ausschuss soll nur "jugendfreie" Version zu sehen bekommen
Man kennt das aus Sozialreportagen und Realitysoaps im Fernsehen: Bei Ausdrücken, die dem Publikum nicht zuzumuten sind, unterbricht ein Piep-Ton den Satz.
„Sie *piep*, was bilden Sie sich eigentlich ein?“ So in der Art. Protagonisten, die sich unflätig äußern, bleiben manchmal anonym, indem ihr Gesicht verpixelt oder bis zur Unkenntlichkeit weichgezeichnet wird.
So ähnlich könnte das Endprodukt aussehen, das die Abgeordneten des U-Ausschusses vorgelegt bekommen, wenn die „SOKO Tape“ mit der Aufbereitung des Ibiza-Videos fertig ist. Diese Vorgehensweise wurde dem KURIER geschildert.
Die Aufbereitung wurde von den ermittelnden Staatsanwaltschaften angeordnet: Das sind die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die zu den Vorwürfen des Postenschachers und der Bestechlichkeit ermittelt, und die Staatsanwaltschaft Wien (StA), die den Hintergründen der Video-Falle gegen die beiden früheren FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus nachgeht.
Wie berichtet, hatte die SOKO beiden Staatsanwaltschaften das volle Videomaterial und einen mehr als 400-seitigen Bericht geschickt. In diesem Bericht haben die Staatsanwälte dann bestimmte Passagen markiert, die sie als einzelne Clips bzw. Ausschnitte brauchen. Das Video in seiner Rohform haben beide Justiz-Behörden zurückgeschickt.
Privatsphäre
Durch die Bearbeitung wird das Video quasi auch jugendfrei: Die Gerüchte, die Strache der vermeintlichen Oligarchen-Nichte im Sommer 2017 auf Ibiza über Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Ex-Kanzler Christian Kern (SPÖ) erzählt hat, sollen zensiert werden bzw. ganz wegfallen – je nachdem, ob dazwischen noch strafrechtlich Verwertbares gesagt wurde.
Es ist aber nicht davon auszugehen, dass auch der legendäre Satz: „Die Novomatic zahlt alle“ auf „Die *piep* zahlt alle“ verstümmelt wird.
Stellen, die für das Ermittlungsverfahren relevant sind, bleiben drinnen, damit sich die Staatsanwälte und auch die Abgeordneten im U-Ausschuss ein Bild machen können.
Nur wird dieses Bild eben nicht vollständig sein. Neos und FPÖ laufen gegen diese „Zensur“, wie sie es nennen, seit Längerem Sturm. Die Neos sehen gar das Innenministerium in der Pflicht, das vollständige, zwölfstündige Material zu liefern – derzeit hat dieses ja nur die SOKO.
Die Lieferung ohne „Schwärzung“ könnte rechtlich aber problematisch werden – das hat Justizministerin Alma Zadić auch schon in den Raum gestellt: In erster Linie eben, weil in den Strafakt laut Strafprozessordnung wirklich nur jene Teile gehören, die relevant sind.
Die Opposition argumentiert hier, dass der strafrechtliche Rahmen zu eng sei – ihr geht es im U-Ausschuss ja um die Aufklärung der politischen Verantwortung, die viel weiter geht.
Privatsphäre und Datenschutz
Andererseits gilt es Faktoren wie Privatsphäre und Datenschutz zu beachten: Zwar könnten Teile des Videos einer strengeren Klassifizierung unterliegen, und Abgeordnete dürfen Material aus dem U-Ausschuss generell nicht nach außen spielen. Ihnen drohen bis zu drei Jahre Haft. Es wäre aber nicht das erste Mal, dass es doch jemand tut – ohne erwischt zu werden.
„Ein Medium kann nicht geklagt werden, wenn es aus einem parlamentarischen Dokument zitiert“, sagt Parlamentarismus-Experte Werner Zögernitz. Betroffene könnten aber das Ministerium anzeigen. Die Weitergabe von nicht verfahrensrelevanten Aspekten (auch, wenn es „nur“ der U-Ausschuss ist) könnte als Amtsmissbrauch gewertet werden.
Justiz wägt genau ab
Gudenus’ Anwalt hat bereits vor einigen Wochen, als der Anwalt des mutmaßlichen Video-Drahtziehers dem U-Ausschuss das Video angeboten hatte, mit Klage gedroht. Dem Ex-FPÖ-Politiker ging es dabei um seine Privatsphäre, weil er ja heimlich gefilmt wurde.
Im Ministerium ist man sich der heiklen Materie bewusst – man verweist auf KURIER-Anfrage auf ein mehrstufiges Verfahren: Die SOKO liefert das bearbeitete Material an WStA und StA Wien, diese übermitteln ihre Strafakte dann an die Oberstaatsanwaltschaft Wien. Diese legt die Geheimhaltungsstufen für den U-Ausschuss fest. Bei Passagen, die ihrer Ansicht nach immer noch zu heikel sind, wird das Justizministerium informiert.
Das Ministerium kann dann ein sogenanntes Konsultationsverfahren in Gang setzen, an dem auch die U-Ausschuss-Fraktionen beteiligt sind. Einigt man sich dort nicht, bleibt nur noch der Verfassungsgerichtshof. Die SPÖ hat diesen Schritt schon angekündigt, wenn die „Zensur“ zu weit geht.
Kommentare