Ohne "Russen-Gas": Wie sicher ist Österreichs Gasversorgung?
Ist es sinnvoll, zeitnah aus russischem Gas auszusteigen? Ein Gesetzesentwurf von Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) sieht das vor. Die ÖVP lehnt diesen ab. Begründung: Es würden sprunghafte Preisanstiege drohen. Energieexperte Walter Boltz bezeichnete das im KURIER wiederum als „Schauermärchen“. Bei der nötigen Vorbereitung habe ein Ausstieg aus russischem Gas „fast gar keinen Preiseffekt“.
Gewessler legte nun noch einmal nach. Laut einem neuen Gutachten sind Österreichs Gasversorger wohl zu Schadenersatz verpflichtet, sollten sie ihren Lieferverpflichtungen aufgrund eines kriegsbedingten Ausfalls von russischem Gas nicht mehr nachkommen können. Das wäre ein weiterer Grund für Versorger, sich nicht mehr auf russisches Gas zu verlassen. Aber hätten sie genügend Alternativen? Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Causa:
Droht überhaupt ein Lieferstopp?
Ein kriegsbedingter Lieferstopp ist jederzeit möglich. Die betroffenen Gas-Pipelines laufen durch die Ukraine. Zudem läuft der Gas-Durchliefervertrag Russlands mit der Ukraine Ende 2024 aus und wird nicht verlängert. Österreichs Unternehmen steht es aber offen, die Pipeline-Kapazitäten selbst zu buchen.
Wie abhängig ist Österreich von „Russen-Gas“?
Die OMV und die großen Energieversorger beteuern, dass sie bei der Versorgung sofort auf nicht-russisches Gas umsteigen könnten. Fakt ist: In den vergangenen Monaten bezog Österreich mehr als 90 Prozent seiner Gasmengen aus Russland. Warum? Einerseits hat die OMV langfristige Gaslieferverträge mit der russischen Gazprom bis 2040. Zweitens kam nicht-russisches Gas Energieunternehmen im Einkauf wohl weiterhin teurer. Ein Grund: Die wahrscheinlich EU-rechtswidrige Gasspeicherumlage Deutschlands.
Wie hoch ist der Anteil in anderen EU-Staaten?
Die EU-Staaten haben sich prinzipiell darauf geeinigt, bis 2027 aus russischem Gas auszusteigen. Österreich ist von diesem Ziel weit entfernt, der Anteil an russischem Gas lag 2023 bei rund zwei Drittel des Gesamtverbrauchs. In der EU lag er inklusive Flüssiggas-Lieferungen nur noch bei 15 Prozent.
Wie gut sind aktuell Österreichs Gasspeicher gefüllt?
Fest steht: Die Versorgung wäre auch bei einem plötzlichen Lieferstopp Russlands oder einem kriegsbedingten Ausfall gesichert. Mit 1. Mai waren Österreichs Gasspeicher zu rund 75 Prozent voll. Das ist ein vergleichsweise hoher Wert nach der Heizsaison. Rund die Hälfte der Menge entfällt auf die staatliche Gasreserve und österreichische Speicherkunden. Wien-Energie-Chef Michael Strebl meinte im KURIER: „Unsere Speicher sind zu 95 Prozent voll – und das nach dem Winter. Wir könnten unsere Privatkunden damit etwa ein Jahr lang versorgen.“ Man sei auf einen Ausfall von russischem Gas „gut vorbereitet“.
Welche alternativen Bezugsquellen hätte Österreich?
Das Gas kann etwa über Italien und Deutschland nach Österreich importiert werden. Auch der Import von norwegischem Pipelinegas oder LNG wäre möglich – wenn auch wohl etwas teurer. Die Regulierungsbehörde E-Control geht insgesamt von „überschaubaren“ Mehrkosten bei einem Ausstieg aus russischem Gas aus.
Mittelfristig, also planmäßig bis 2027, soll außerdem die heimische Infrastruktur ausgebaut werden. ÖVP und Grüne haben sich im März nach harten Verhandlungen auf die Finanzierung des Ausbaus der West-Austria-Gasleitung (WAG) geeinigt. Auf dieser Route kann etwa norwegisches Gas oder Gas, das als Flüssiggas nach Westeuropa verschifft wurde, importiert werden. Durch den Ausbau soll die Einfuhrkapazität um 30 Prozent gesteigert werden. In Zukunft könnte die Leitung für Wasserstoff nutzbar gemacht werden.
Die Strategische Gasreserve beträgt aktuell 20 Terrawattstunden (TWh), Davon sind in Österreich 19,46 TWh und 0,54 TWh in der Slowakei gespeichert.
Der Gasverbrauch ist im Jahresvergleich signifikant rückläufig – minus 16,2 % zum Vorjahr.
74,74 Prozent – so hoch ist der derzeitige Füllstand der österreichischen Gasspeicher. Dieser Füllstand entspricht 73,22 TWh. Zum gleichen Stichtag (1. 5. 2023) betrug der Füllstand etwas weniger und lag bei 69 %. Für die Stromerzeugung werden momentan nur 0,2 % Gas aufgewendet. Die Wasserkraft hat mit 68,4 % den größten Anteil, gefolgt von Sonne 18,5 %, und Wind mit 7 %
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