Österreichs Grüne und das Imageproblem der "Musterschüler"
Die Ausgangslage ist ident. Die Auswirkungen indes könnten unterschiedlicher nicht sein.
Während sich Deutschlands grüne Regierungsmitglieder – allen voran Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock – inmitten der Krise höchster Beliebtheit erfreuen, sind die Umfragewerte der österreichischen Pendants im Sinkflug begriffen.
Das Problem der Ideologie
Die Grünen kommen gemäß jüngster OGM-Umfrage für den KURIER in der Sonntagsfrage derzeit auf zehn Prozent der Stimmen. Bei der Nationalratswahl 2019 erhielten die Grünen 13,9 Prozent. Bei der Kanzler-Direktwahl verliert Grünen-Chef und Vizekanzler Werner Kogler in der KURIER-OGM-Umfrage zum dritten Mal in Folge und liegt derzeit bei sieben Prozent.
Für Meinungsforscher und OGM-Chef Wolfgang Bachmayer hat das in Relation zu den deutschen Grünen schlechte Abschneiden mit dem Koalitionspartner ("Die ÖVP ist in den Negativschlagzeilen, und die Grünen sind quasi mitgehangen, mitgefangen") und den Personen selbst zu tun.
"Habeck ist ein in der Wolle gefärbter Grüner, dabei aber ein Pragmatiker, der sich derzeit als Krisenmanager beweist", sagt Bachmayer – und nennt ein Beispiel.
Dass Deutschland wegen der Energiekrise wieder auf Kohlekraftwerke setzen wird müssen, zeige, dass "die deutschen Grünen über ihren ideologischen Schatten springen können, wenn und weil es die realpolitischen Umstände verlangen."
Dass die Grünen in Österreich dazu allerdings fähig sind, stellten Kogler und die grüne Klubchefin Sigrid Maurer unter Beweis. "Kogler und Maurer sind denn auch der Kitt der Koalition. Leonore Gewessler hat im Vergleich zu Habeck aber noch nicht gezeigt, dass sie kompromissfähig ist. Sie hat – Stichwort Lobautunnel – gezeigt, was sie verhindern, nicht aber, was sie lösen kann. Und das haben sich die Menschen gemerkt."
Die "Musterschülerin"
Für Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle hat Gewessler vor allem auch das Problem, dass sie sich zu Beginn als "Musterschülerin" gegeben hat und diesen Ansprüchen nun nicht mehr gerecht werden kann. Ihr deutscher Amtskollege Habeck habe es hier "etwas leichter", denn er habe nach Außen hin "nie diesen Anspruch an Perfektion gestellt und punktet durch Offenheit und Ehrlichkeit". Generell hätten Kogler und Co. das Problem, "dass sie die hohen moralischen Ansprüche, die an sie gestellt werden, derzeit nicht erfüllen können."
Leonore Gewessler habe allerdings "das Potenzial, wie Habeck die Rolle des Krisenmanagers einzunehmen", so Bachmayer. Der Grund: "Gewessler hat das Profil, das man dafür braucht".
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