Vizekanzler Kogler: "Frühere Regierungen haben in falsche Richtung gefuhrwerkt"
Werner Kogler spricht über Strategien gegen die Teuerung und die Zusammenarbeit mit der ÖVP. Außerdem will er Gebirgsbäche vor dem Verschwinden bewahren.
Grünen-Chef Werner Kogler über eine Zeitenwende, das Budget und warum das Anti-Teuerungspaket keine Mehrwertsteuersenkung beinhaltet.
KURIER: Herr Vizekanzler; bei welcher Gelegenheit haben Sie persönlich die Teuerung zum ersten Mal richtig gespürt?
Werner Kogler: Beim Benzinpreis. Ich fahre zwar mit dem Elektroauto, aber beim Vorbeifahren an Tankstellen schaue ich immer.
Sie haben jetzt ein großes Anti-Teuerungspaket präsentiert. Aber wie kann sich der Staat das leisten?
Wir erleben gerade eine Zeitenwende durch die verschiedenen Krisen. Wir müssen dagegenhalten. Und wenn dann das Budgetdefizit etwas höher ist, als es sonst wäre, dann haben wir halt 2026 ein Prozent Defizit gemessen an der Wirtschaftsleistung. Weil die Alternative wäre, dass immer mehr Menschen verarmen, darum müssen wir möglichst rasch und nachhaltig agieren.
Aber verstehen Sie, dass sich viele Menschen fragen, wie wir das alles bezahlen wollen? Zusätzlich gibt es ja noch andere Projekte wie die Kindergarten- oder die Pflegemilliarde.
Die Maßnahmen sind alle im vertretbaren Bereich. Österreich steht wirtschaftlich sehr gut da.
Damit der Politik wieder ein gewisses Körberlgeld zur Verfügung steht, braucht es Einnahmen. Wie sieht es mit einer Vermögens- oder Erbschaftssteuer aus?
Die Frage einer Steuer für Millionen-Erbschaften, die wird sich noch stellen, hat aber nichts mit diesen Entlastungsmaßnahmen zu tun.
Bei der Abschaffung der Kalten Progression werden die Progressionsstufen nun automatisch um zwei Drittel der Inflation angehoben. Wie wird die Regelung für das dritte Drittel aussehen?
Da unterstützen uns die Wirtschaftsforschungsinstitute mit einem jährlichen Bericht. Das dritte Drittel kann von der Politik umverteilt werden, zum Beispiel, um Menschen, die wenig Geld haben, gezielt zu helfen.
Warum wird die Mehrwertsteuer nicht gesenkt?
Weil zu befürchten ist, dass die Konzerne die Mehrwertsteuersenkung nicht weitergeben würden. Sie würde viel mehr kosten, aber wenig bis nichts bewirken.
Bringt die Auszahlung des Klimabonus’ noch den gewünschten Lenkungseffekt?
Den Lenkungseffekt bringen die Energiepreise. Der Klimabonus wird dazu dienen, die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung an die Menschen zurückzugeben. Heuer ist er zudem ein Vehikel, um huckepack viel draufzugeben, damit man sozial etwas weiterbringt.
Die Krisen haben den Energiepreis jetzt schneller in die Höhe getrieben, als es die CO2-Bepreisung hätte bewirken können. Die Menschen hätten gerne billigere Energie, aber wir können die viele Alternativenergie gar nicht anbieten.
Umso wichtiger ist es, so schnell es geht zu handeln. Mit zahlreichen Förderangeboten unterstützen wir wie nie zuvor. Vorgängerregierungen haben jahrzehntelang in die völlig falsche Richtung gefuhrwerkt. Die Abhängigkeit vom russischen Gas ist ein Skandal der alten österreichischen Wirtschafts- und Energiepolitik. Das wäre eigentlich ein Fall für einen U-Ausschuss.
Im Westen Österreichs stehen so gut wie keine Windräder, obwohl die Grünen mitregieren. Müssen Sie da nicht selbstkritisch sein?
Speziell bei der Windenergie ist die ÖVP in vielen Ländern komplett auf der Bremse gestanden. Gerade deswegen haben wir kürzlich die Initiative präsentiert, nicht mehr auf die Widmung der Länder warten zu müssen, sondern dass man sofort mit den Umweltverträglichkeitsprüfungen beginnen kann und diese bleiben ja bestehen.
Ausgerechnet die Grünen, die selbst oft Bauvorhaben blockiert haben, müssen jetzt die Verfahren beschleunigen, weil sonst Genehmigungen für Öko-Energie-Kraftwerke viel zu lange dauern. Was sagen Sie denn jetzt den Bürgerinitiativen?
Die Grünen waren oft Beschleuniger bei den Windparks. Die Blockierer waren oft rote und schwarze Bürgermeister, die plötzlich das Landschaftsbild, das ihnen jahrelang egal war, für sich entdeckt haben. Ich war selbst mit dem Traktor dabei, Baumaschinen aufzuhalten, wenn es darum ging, Umweltverbrechen wie das Zubetonieren der letzten europarechtlich geschützten Flussläufe, zu verhindern. Ich bin auch weiterhin dagegen, dass die allerletzten Gebirgsbäche verschwinden.
Themenwechsel. Halten Sie Ihren Regierungspartner für korrupt?
Korruption ist eine Angelegenheit des Strafrechts. Wichtig ist, dass unabhängig ermittelt wird.
Es gibt ja über das Strafrecht hinaus auch eine moralische Dimension. Halten Sie die ÖVP für anständig?
Mir ist wichtig, dass wir anständig zusammenarbeiten. Und das funktioniert.
Was passiert, falls die ÖVP die erlaubte Höchstgrenze bei den Wahlkampfausgaben überschritten hat?
Dafür gibt es Strafen. Im Übrigen sind wir gerade mit der ÖVP dabei, das Parteiengesetz zu verschärfen, damit der Rechnungshof die Parteikassen unmittelbar prüfen kann. Von der SPÖ, die wir wegen der Zweidrittelmehrheit brauchen, habe ich noch keine endgültige Zustimmung gehört.
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