Wo die Grünen beim "Österreichplan" der ÖVP mitgehen könnten
Damit der Plan der Kanzler-Partei aufgehen kann, müssten einige Punkte daraus noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden. Die Grünen zeigen sich nicht abgeneigt.
Er dominierte eine Woche lang die Berichterstattung – der „Österreichplan“ von Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer.
Nun fragt sich nicht nur der politische Mitbewerb, wie, mit wem und vor allem wann die ÖVP die auf 82 Seiten zusammengefassten Vorhaben rund um Leistung, Sicherheit und Familie umsetzen will, ehe sie wieder in Vergessenheit geraten.
Der Kanzler habe mit seiner Rede in Wels „Pflöcke eingeschlagen“, heißt es in der ÖVP, die sein Regierungsteam mit Experten nun detailliert erarbeiten und zu gegebener Zeit präsentieren werde. In welcher Form die Öffentlichkeit darüber informiert werden soll, darüber hält man sich vorerst noch bedeckt. In den kommenden Wochen würden jedenfalls weitere Schritte gesetzt und publik.
Grüne wollen umsetzen
Gut möglich, dass das mit dem grünen Koalitionspartner passieren wird. Und zwar nicht nur, um noch in der laufenden Legislaturperiode Erfolge einfahren zu können und den vorgezogenen Nationalratswahl-Gerüchten den Garaus zu machen. Tatsächlich befinden sich im „Österreichplan“ Passagen, die auch die Grünen in ihrem Forderungskatalog haben – teilweise wortident. Es handle sich um Punkte, „bei denen wir nicht bis 2030 warten müssten, sondern die wir noch bis zum Herbst 2024 auf den Weg bringen können“, heißt es von den Grünen. Die da wären?
Klimaschutz:
Im Klima-Kapitel gibt es mehrere Punkte, denen die Grünen zustimmen würden. Etwa, dass jedes Haus auch ein Sonnenkraftwerk werden soll, das sich so gut wie möglich selbst mit Energie versorgen kann.
Tourismus:
Die ÖVP tritt für die Schaffung eines Klimatickets für Touristinnen und Touristen ein. An den Grünen wird es nicht scheitern. Schwieriger sei die Umsetzung des Klimatickets für Unternehmer, für das die ÖVP plädiert. Die Grünen dürfte aber auch hier gesprächsbereit sein.
Im Österreichplan steht die „Wiedereinführung der Zweckwidmung der Wohnbauförderung“. 2008 wurde diese im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen abgeschafft. Die Bundesländer sind seither nicht mehr verpflichtet, Wohnbaufördermittel in die Schaffung und Sanierung von Wohnbau zu investieren.
Nehammer sprach sich bereits bei seiner Rede im März 2023 für die Wiedereinführung aus, auch die Grünen sind dafür. Die Umsetzung wäre im Herbst sowohl bei den Finanzausgleichsverhandlungen, als auch beim Zukunftsfonds möglich gewesen. Vonseiten der ÖVP sei das Thema aber nicht mit Nachdruck weiterverfolgt worden, sagt Grünen-Wohnbausprecherin Nina Tomaselli. Laut KURIER-Informationen scheiterte die Wiedereinführung vor allem am Widerstand der Bundesländer. Vielleicht kann dieser ja jetzt gebrochen werden.
Im Kapitel „Land der Gesundheit“ fordert die ÖVP 700 zusätzliche Kassenärzte – bei der beschlossenen Gesundheitsreform hat sich Türkis-Grün einmal auf 100 geeinigt. Auch enthalten: Ein massiver Ausbau der Primärversorgungszentren, der Ausbau von Onlinetools und Gesundheitshotlines oder der Ausbau der Telemedizin, um auch online Diagnosen stellen zu können. Zumindest gegen diese Maßnahmen wird sich Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) nicht wehren. Teilweise wurden diese auch schon eingeleitet. „Das Gesundheitskapitel liest sich in Teilen wie eine Abschrift der Gesundheitsreform“, stellen die Grünen nicht ganz zu Unrecht fest.
Justiz:
Ein Punkt aus dem „Österreichplan“, den die ÖVP bis 2030 umgesetzt haben will und den auch die Grünen hervorheben: Die Rückerstattung der Kosten bei Freispruch im Strafverfahren. Das wurde in Ansätzen bereits umgesetzt. Das Justiz-Budget für den Verteidigerkostenersatz bei Freisprüchen wurde für 2024 von 2,4 auf 70 Millionen Euro erhöht. Aus Sicht der ÖVP geht da offensichtlich noch mehr.
Die ÖVP möchte den Eingangssteuersatz und die Lohnnebenkosten senken. Auch die Grünen sind prinzipiell dafür, das Steuersystem weiter zu überarbeiten. Sie pochen allerdings auf eine erkennbare Gegenfinanzierung, etwa über Vermögenssteuern. Ansonsten drohe ein Milliardenloch im Budget. Vermögensbezogene Steuern einzuführen, sei „mit der ÖVP naturgemäß schwierig“, sagt Grünen-Budgetsprecher Jakob Schwarz. Bei den Lohnnebenkosten sei eine Umschichtung beim Familienlastenausgleichsfonds oder der Kommunalsteuer möglich. Was die Grünen klar ablehnen: Die Kürzung von Versicherungsleistungen.
Auch viel Ablehnung
Der Plan besteche aber „über weite Strecken durch viel altes Denken und eine Flucht in die Vergangenheit“, kritisieren die Grünen. Nicht nur inhaltlich, wenn 20 Milliarden Euro für den Straßenausbau gefordert würden, sondern auch plakativ, „wenn die Mobilität der Zukunft mit einer vierspurigen Autobahn bebildert wird“.
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