Was die Gesundheitsreform den Patienten bringen soll

60 Prozent der niedergelassenen Kinderärzte haben keinen Kassenvertrag.
Zuletzt haben sich Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) und Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart vor allem über die Medien gegenseitig mit Vorwürfen überhäuft. Morgen, Freitag, treffen sie zu einem Gespräch zusammen. Thema: Die von Rauch geplante Gesundheitsreform, die kurz vor der Verabschiedung steht.
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Mit ihr soll das inzwischen massiv überlastete System wieder effizienter werden. Die Kammer, die im Zuge der Reform entmachtet werden soll, wehrt sich lautstark dagegen.

Gesundheitsminister Johannes Rauch
Fast in den Hintergrund gerät dabei, was die Reform den Patienten bringen soll. Finden Sie nachstehend die wichtigsten Fragen und Antworten dazu.
Was ändert sich im kassenärztlichen Bereich?
Aktuell gibt es zu wenige Kassen-Hausärzte und -Fachärzte, was zu extrem langen Wartezeiten für Termine führt. Im Zuge der Reform sollen zusätzliche Kassenstellen geschaffen werden. Vor allem die Primärversorgungseinheiten sollen ausgebaut werden. Das sind Zentren oder Netzwerke, in denen mehrere Ärzte, aber auch andere Gesundheitsberufe beschäftigt sind. Der Vorteil sind unter anderem längere Öffnungszeiten.
Das föderale Flickwerk unterschiedlicher Regelungen bei der Erstattung soll durch einen bundesweit einheitlichen Gesamtvertrag und Leistungskatalog beseitigt werden. Für die Umsetzung gehen jährlich 300 Millionen Euro vom Bund an die Sozialversicherung.
Welche Reformen sind bei den Spitälern geplant?
Hier sieht die Reform den Ausbau von spezialisierten Fachambulanzen und Tageskliniken vor, um die Zahl der stationären Behandlungen zu reduzieren. Zudem ist die Schaffung ausgelagerter Spitalseinheiten geplant. Im Zuge des Finanzausgleichs gibt es für die Spitäler zusätzlich jährlich 600 Millionen Euro an Bundesmitteln für die Länder (durchschnittlich über fünf Jahre).
Welche Digitalisierungsschritte plant die Regierung?
Durch die Forcierung telemedizinischer Angebote soll die Zahl (teurer) Behandlungen beim Arzt oder im Spital reduziert werden. Konkret geht es um den Ausbau und der Weiterentwicklung der Gesundheitshotline 1450 und die Überführung von eHealth-Angeboten in die Regelversorgung. Dazu gehören etwa Video-Konsultationen.

Wie in den Spitälern soll auch im niedergelassenen Bereich die Diagnosecodierung verpflichtend werden und Wahlärzte an Elga und das eCard-System angebunden werden. Für diese Maßnahmen sind jährlich 51 Millionen Euro vorgesehen (je 17 Millionen Euro von Bund, Ländern und Sozialversicherung).
Warum wehrt sich die Ärztekammer gegen die Reform?
Aus Sicht von Regierung und Sozialversicherung hat die Ärztekammer in der Vergangenheit zu oft Reformen verzögert – etwa bei der Einführung von eCard oder Elga. Deshalb sollen jetzt die Mitbestimmungsmöglichkeiten der Kammer eingeschränkt werden.

Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart
Etwa bei der Vergabe von Kassenstellen oder der Erstellung des Stellenplans. Die Kammer wehrt sich und plant Protestmaßnahmen bis hin zur Aufkündigung des Gesamtvertrags.
Wie sieht der weitere Zeitplan aus?
Die großen Eckpunkte der Reform stehen. Aktuell wird aber noch um Details verhandelt. Etwa in Zusammenhang mit dem umstrittenen Vorhaben, dass Ärzte künftig nur mehr Arzneimittel-Wirkstoffe und nicht konkrete Präparate verschreiben dürfen.
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Nächste Woche soll die Regierungsvorlage ins Parlament kommen, wo über sie im Dezember abgestimmt wird. Damit kann die Reform mit Jahresbeginn in die Praxis umgesetzt werden.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) äußerte sich am Donnerstag zu den laufenden Verhandlungen. Diese bezeichnete er als „robust“, aber auf einem „guten Weg“. Verständnis zeigte er dabei für die Position der Ärztekammer: „Bei Verhandlungen agiert eben jeder in seinen Rollen und Standesvertreter ganz besonders“, sagte er - und gab sich diplomatisch: „Als Bundeskanzler ist man gut beraten, zur Verfügung zu stehen und eine Brücke anzubieten, wenn es Kommunikationsherausforderungen gibt.“

Bundeskanzler Karl Nehammer
Letzten Endes sei das, was derzeit passiere und was die Unstimmigkeiten mit der Ärztekammer betreffe, „normal“. „Das ist bei jedem Verhandlungsprozess so, wenn etwas finalisiert wird“, erklärte Nehammer. Er sei jedenfalls zuversichtlich, „dass wir gut abschließen“.
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