Helle Aufregung herrscht wieder einmal in der Ärztekammer. „Es brodelt in den internen Whatsapp-Gruppen“, schildert Dietmar Bayer, stv. Obmann der Kurie der niedergelassenen Ärzte. Anlass sind ausnahmsweise nicht innere Querelen und Machtkämpfe, vielmehr geht es diesmal gegen einen Außenfeind in Form des Gesundheitsministeriums und der Sozialversicherung.
Sie, so der Vorwurf, würden versuchen, den Einfluss der Ärztekammer im Zuge der Gesundheitsreform zu brechen, die mit dem Finanzausgleich beschlossen wird. Das lesen die Standesvertreter aus den Entwürfen der Regierung heraus, die bereits kursieren.
Es geht dabei vor allem um die Neuaufstellung der Versorgung im niedergelassenen Bereich. Noch im Dezember soll die Reform den Nationalrat passieren.
"Nicht eingebunden"
„Wir wurden in die Diskussion nicht eingebunden. Ohne Not wurde auf das Know-how von 50.000 Ärzten verzichtet“, wettert Kammerpräsident Johannes Steinhart. „Es gab bezeichnenderweise auch kein Begutachtungsverfahren.“
Geht es nach den kolportierten Plänen, soll die bisher so mächtige Ärztekammer in vielen Bereichen ihr Mitspracherecht verlieren. Etwa bei der Neuausschreibung von Kassenstellen. „Wenn sich kein Interessent findet, kann die Sozialversicherung Sondervereinbarungen außerhalb des Gesamtvertrags treffen“, sagt Kammeramtsdirektor Johannes Zahrl. Auch im Falle eines vertragslosen Zustands könne die Kasse Sonderverträge mit den Ärzten abschließen.
Gesamtvertrag
Damit drohe eine Aushöhlung des Gesamtvertrags, mit dem nach Vorbild der Kollektivverträge Öffnungszeiten, Stellenpläne, Leistungskataloge und Ärzte-Honorare pauschal geregelt sind. Auch bei der Errichtung von Kassen-Ambulatorien soll die Kammer nicht mehr mitreden dürfen. Damit bestehe laut Bayer die Gefahr, dass künftig private Konzerne solche Einrichtungen betreiben.
In einem ersten Schritt will man laut Steinhart die Patienten informieren und das Gespräch mit der Politik suchen. Dass die Kammer erst jetzt reagiert, überrascht. Hatte doch Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) schon vor Monaten angekündigt, den Einfluss der Ärzte zurückdrängen zu wollen. Dass man zuletzt zu sehr durch die internen Streitereien rund um die Causa „Equip4Ordi“ abgelenkt gewesen sei, bestreitet man seitens der Kammer. Vielmehr sei man bei den Reformverhandlungen „bewusst außen vorgelassen“ worden, betont Bayer.
Im Gesundheitsministerium gibt man sich mit Verweis auf die noch laufenden Verhandlungen wortkarg. „Für die Bereiche Gesundheit und Pflege sind mehr finanzielle Mittel des Bundes unter anderem für den niedergelassenen Bereich, den Ausbau von Fachambulanzen, die Digitalisierung und den Pflegefonds vorgesehen. Im Gegenzug werden Strukturreformen umgesetzt. Aktuell stehen wir in engem Austausch mit den Bundesländern und der Sozialversicherung über die notwendigen Gesetzesänderungen“, sagt eine Sprecherin.
„Die Reformansätze sind grundsätzlich zukunftsorientiert“, sagt Gesundheitsökonomin Maria Hofmarcher zum KURIER. Zu oft habe sich die Kammer bei wichtigen Vorhaben – etwa die Etablierung der Primärversorgungseinheiten – als Blockierer erwiesen. „Gleichzeitig ist es notwendig, dass man bei so tiefgreifenden Reformen die Ärzte als Berater einzubinden.“ Eine durchaus herausfordernde Aufgabe.
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