ÖGB-Präsident Katzian: "Menschen werden dort hingehen, wo es bessere Arbeitszeiten gibt"
In Österreich gelten seit 1975 40 Stunden als Normalarbeitszeit. Da wäre es höchste Zeit wieder ein paar Stunden runterzugehen, findet beispielsweise SPÖ-Chef Andreas Babler, der sich am vergangenen Samstag im Ö1-Journal für die 32-Stunden-Woche ausspricht.
Die Wirtschaftskammer will von kürzeren Arbeitszeiten jedoch nichts hören. Im Gegenteil, man müsse die Leute dazu bringen, mehr zu arbeiten, findet WKÖ-Präsident Harald Mahrer.
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Denn laut Kammerberechnungen liegt die Zahl der offenen Stellen allein in diesem Sommer bei mehr als 220.000. Würde man die durchschnittliche Wochenarbeitszeit auf 32 Stunden reduzieren, würden bis 2040 durch die nicht gearbeitete Zeit zusätzlich 230.000 Arbeitskräfte fehlen, so die Annahme der Wirtschaftskammer.
Der österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) hat eine Arbeitszeitverkürzung bereits im Juni beim Bundeskongress als Ziel definiert. Der Präsident des Gewerkschaftsbundes, Wolfgang Katzian, betont im Ö1-Morgenjournal am Montag noch einmal: "Wir haben 310.000 Arbeitslose, dem gegenüber stehen 110.000 offene Stellen. Dass es einen Arbeitskräftebedarf gibt, ist klar. Wenn es einen Mangel gibt, hat das jedoch andere Ursachen als eine Arbeitszeitverkürzung, die nicht einmal noch stattgefunden hat. Wer jammert, dass er keine Arbeitskräfte findet, sollte einmal darüber nachdenken, wie die Arbeitsbedingungen sind, was die Leute verdienen - und überall dort, wo es bessere Arbeitszeiten für die Arbeitnehmer gibt, dort werden die Menschen hingehen."
Doch die Auswirkungen des Arbeitskräftemangels sind bereits in vielen Bereichen spürbar, besonders in den Spitälern, in der Altenbetreuung und im Bildungswesen.
ÖGB-Chef Katzian fordert aber genau in diesen Bereichen eine Kürzung: "Die Menschen, die in der Pflege oder im Gesundheitswesen beschäftigt sind, stehen mit dem Rücken zur Wand. Die haben riesige Probleme und brauchen am dringendsten kürzere Arbeitszeiten."
Selbstverständlich würde die Arbeitszeitverkürzung eine Umstellungszeit brauchen, so Katzian im Ö1-Morgenjournal: "Alle Arbeitszeitverkürzungen der Geschichte sind nicht von einem Tag auf den anderen beschlossen worden, sondern mit entsprechend langen Übergangszeiten."
Während sich SPÖ-Chef Babler am Samstag im Ö1-Journal auf einen Rahmen von acht bis neun 9 Jahren als Übergangszeit bis zur Arbeitszeitverkürzung festgelegt hat, möchte sich ÖGB-Chef Katzian hier nicht konkret festlegen.
"Wir haben als Gewerkschaftsbund definiert, dass wir mit der Arbeitszeit runterwollen. Wir kommen von vor über 100 Jahren mit weit über 48 Stunden und dann gab es Schritte - die 48-Stunden-Woche, die 40-Stunden-Woche ab 1975, jetzt haben wir 2023 - in zwei Jahren ist das also 50 Jahre her. In vielen Berufen ist der Arbeitsdruck in den vergangenen Jahren so stark gestiegen, dass man es sich gar nicht ärger vorstellen will. Dass die Leute dann mit den Arbeitszeiten runtergehen möchten, ist klar."
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