Wie sich Arbeitszeitverkürzung auf die Wirtschaft auswirkt

Wie sich Arbeitszeitverkürzung auf die Wirtschaft auswirkt
Wifo-Studie: Anpassung der Arbeitszeit an individuelle Wünsche der Beschäftigten hätte nur geringe Effekte. Wirtschaftsvertreter bezweifeln das.

Eine Arbeitszeitanpassung an individuelle Wünsche würde das Wohlbefinden der Beschäftigten deutlich erhöhen, die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen wären dabei außerdem überschaubar. Das zeigt eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) im Auftrag der Arbeiterkammer (AK). Eine Reduktion der Arbeitszeit nach den Wünschen der Beschäftigten um 3,5 Prozent würde das Bruttoinlandsprodukt (BIP) demnach um 0,9 Prozent senken.

Das Wifo hat in seiner Studie vier Szenarien berechnet: Eine Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich und ohne Lohnausgleich, mit konstantem und veränderlichem Arbeitsangebot. Dabei zeigte sich, dass die Ergebnisse der vier Szenarien nur geringfügig von einander abweichen. So wäre das BIP im Basisjahr bei konstantem Arbeitsangebot und vollem Lohnausgleich um 0,8 Prozent niedriger, ohne Lohnausgleich läge das Minus bei 0,9 Prozent. Nach zehn Jahren würde sich ein BIP-Rückgang von 0,9 Prozent für beide Szenarien ergeben. Bei veränderlichem Arbeitsangebot, etwa weil durch höhere Stundenlöhne mehr Menschen Arbeit suchen, läge der negative Effekt zwischen 0,6 und 0,9 Prozent.

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Mehr Beschäftigte, weniger Arbeitslose

Gleichzeitig würde die Stundenlöhne langfristig real um bis zu 3,3 Prozent steigen, die Produktivität würde um bis zu 1,5 Prozent anziehen, die Beschäftigung würde um bis zu 1,4 Prozent zulegen. Die Arbeitslosenquote läge um 0,7 bis 1,0 Prozentpunkte niedriger und das Budgetdefizit würde um 0,3 Prozent sinken. Auch die Preise würden steigen, der Preiseffekt läge aber unter 1 Prozentpunkt. Die Unterschiede zwischen den Szenarien mit und ohne Lohnausgleich gleichen sich im Modell langfristig aus.

"Die Effekte ziehen sich sehr ähnlich durch alle Branchen", sagte der Studienautor Stefan Ederer vom Wifo bei der Präsentation am Donnerstag. Die größten Effekte würden sich dabei im Dienstleistungsbereich zeigen. In der Sachgütererzeugung gäbe es "sehr hohe positive Beschäftigungseffekte und eigentlich nur durchschnittliche Wertschöpfungseffekte", so Ederer. Das sei überraschend, weil der Sektor stark in globale Lieferketten integriert sei. "Der Wettbewerbsverlust hält sich in Grenzen."

Die Ergebnisse "stehen in erheblichem Kontrast zu den Weltuntergangsszenarien, die uns sonst so gezeichnet werden", sagte AK-Chefökonom Markus Marterbauer und verwies auf Stimmen, laut denen eine Arbeitszeitverkürzung zu einem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit, dem Einbruch von Investitionen und der Produktion führen würde. Auch in der Vergangenheit, etwa in der 1970er-Jahren, hätten Arbeitszeitverkürzungen kaum negative wirtschaftliche Folgen gehabt.

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Wie berechnet wurde

Als Basis für die Studie dienten Daten aus der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung von 2019, um verzerrende Effekte der Coronapandemie zu verhindern. Im Durchschnitt arbeiten unselbstständig Beschäftigte in Österreich 36,1 Stunden pro Woche, das gewünschte Arbeitsausmaß liegt bei 34,9 Stunden. Geht es nach den Wünschen der Beschäftigten, müsste die Arbeitszeit also durchschnittlich um 3,3 Prozent sinken. Dabei würden Menschen, die bisher weniger als 30 Stunden pro Woche arbeiten, ihre Arbeitszeit meist gerne aufstocken, während sich jene, die bisher schon mehr als 30 Wochenstunden arbeiten, eine Reduktion wünschen.

Wie sich Arbeitszeitverkürzung auf die Wirtschaft auswirkt

Jeder fünfte Befragte würde gerne weniger arbeiten, eine Aufstockung wünschen sich rund 7 Prozent. Vor allem in höheren Bildungsschichten wird dabei mehr gearbeitet, hier gibt es entsprechend auch einen stärkeren Wunsch nach kürzeren Arbeitszeiten. Nach Altersgruppen ist die geleistete Arbeitszeit mit 37,2 Stunden am größten unter den 45- bis 54-Jährigen. Weniger Arbeit wünschen sich vor allem Menschen zwischen 55 und 64 Jahren. Männer verbringen pro Woche im Schnitt 40,1 Stunden in bezahlter Arbeit und wünschen sich eine Reduktion auf 38,5 Stunden, Frauen arbeiten derzeit 31,9 Stunden bezahlt und wünschen sich eine Verkürzung auf 31,1 Stunden.

Wirtschaftsvertreter bezweifeln Effekte

Die Wirtschaftskammer (WKÖ) spricht sich weiterhin gegen eine Arbeitszeitverkürzung aus. Sie befürchtet eine Verschärfung des Arbeitskräftemangels und Finanzierungsprobleme für den Sozialstaat. "Das Arbeitsvolumen ist das Fundament für Wohlstand und Sozialstaatsfinanzierung. Das Fundament selbst, die Zahl der Menschen im Erwerbsalter, schwindet hingegen. Arbeiten diese alle auch noch kürzer, bricht es irgendwann ein", sagte der Leiter der Abteilung für WKÖ-Sozialpolitik, Rolf Gleißner am Donnerstag in einer Reaktion auf die Wifo-Studie.

Wie sich Arbeitszeitverkürzung auf die Wirtschaft auswirkt

WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf ortet eine "irreführende Interpretation" der Wifo-Studie. Diese zeige, dass selbst bei einer „lediglich“ 3,5-prozentigen Arbeitszeitverkürzung in allen dargestellten Szenarien von einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um zumindest ein Prozent oder umgerechnet 4 Mrd. Euro auszugehen sei. "Und wenn man die Berechnungen des Wifo auf die Extremforderung der AK umlegt, sind das sogar weit über 20 Mrd. Euro", so Kopf. 

Die Studie zeige nicht nur einen Rückgang der Wirtschaftsleistung, sie prognostiziere auch einen Rückgang der Reallöhne, eine Erhöhung der Inflation und natürlich eine weitere Verschärfung des Arbeitskräftemangels. Auf dem heimischen Arbeitsmarkt können heute bereits 200.000 Stellen nicht besetzt werden, und diese Lücke wird aus demografischen Gründen bis 2040 auf über 500.000 anwachsen.

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