Landeshauptmann Stelzer: "Haben Anspruch, beide Wahlen zu gewinnen"
Der oberösterreichische ÖVP-Landeschef ist zuversichtlich, dass die ÖVP bei EU- und Nationalratswahl die Nummer eins sein wird - trotz der derzeit nicht so guten Umfragewerte.
Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) regiert in seinem Bundesland mit der FPÖ. Dennoch steht er zur Entscheidung von Kanzler Karl Nehammer, nicht mit FPÖ-Chef Herbert Kickl regieren zu wollen. Er beurteilt allerdings auch die Linie der SPÖ mit etwas Skepsis.
KURIER. Herr Landeshauptmann, erst vor wenigen Tagen haben Mitglieder der Letzten Generation eine Veranstaltung von Ihnen massiv gestört. Wie sehen Sie die Aktionen dieser Klimaaktivisten?
Thomas Stelzer: Ich halte das in mehrfacher Hinsicht für unangebracht. Zum einen wird dem Gedanken des Klimaschutzes mit solchen Aktionen nicht geholfen - man hat an der Reaktion der vielen Menschen, die dort waren, gemerkt, dass die Aktion Ablehnung ausgelöst hat. Zum anderen wurde hier versucht, einem festlichen Anlass für die Errichtung eines Hochwasserschutzes für 18 Gemeinden die Bedeutung zu nehmen. Und nicht zuletzt halte ich überhaupt nichts davon, wenn jemand bewusst Regeln bricht und glaubt, damit irgendetwas zu erreichen.
Mehrmals haben verschiedene Landeshauptleute gefordert, dass die grüne Justizministerin aktiv wird und es strengere Strafen für derartige Aktionen, vor allem auch für das Ankleben auf der Straße, gibt. Passiert ist aber bisher nichts. Wie beurteilen Sie das?
Ich finde es auch verwunderlich, wie manche versuchen, das schön zu reden. Ich halte nichts davon. Wer Regeln bricht, ist ein Regelbrecher, egal mit welchem Hintergrund. Wir haben in der Demokratie genug Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen, ohne die Regeln zu brechen. Wir müssen jedenfalls die Bevölkerung davor schützen.
Im Vorfeld der EU-Wahl wird Europa immer wieder als Industriestandort infrage gestellt. Sie sind Landeshauptmann eines Bundeslandes, in dem die Industrie eine sehr wichtige Rolle spielt. Was sagen Sie zu dieser Entwicklung?
Meiner Meinung nach hat es damit begonnen, dass die Mehrheit im Europaparlament Europa als Industriestandort infrage stellt: Man hat sich zwar ehrgeizige Ziele gesteckt, die Wege zur Erreichung dieser aber teilweise verunmöglicht oder gar verboten hat. Oder man hat sich gar nur auf einen Weg festgelegt – und das kann nicht funktionieren. Wir sehen jetzt schon, dass andere große Standorte – in Amerika, Asien, aber auch in Großbritannien – unsere Unternehmen abwerben, sodass die Investitionen in die Industrie dort stattfinden. Das schwächt den Standort Europa, weil auch die Arbeitsplätze weniger werden.
Reden wir da davon, dass es zu viele Regulierungen gibt, dass vor allem im Zusammenhang mit dem Green Deal nur auf den Klimaschutz, aber nicht auf die Industrie geschaut wird?
Die Regulierungen sind ein Teil der Geschichte. Man hat auf den Klimaschutz geschaut, aber nicht darauf, dass es viele Wege gibt, diese Ziele zu erreichen. Und das, obwohl die europäische Industrie – ganz sicher kann ich es für die oberösterreichische sagen – zu der saubersten der Welt gehört. Aber so, wie man es angepackt hat, läuft man Gefahr, dass man diese sauberste Industrie in Teile der Welt vertreibt, wo auf die Sauberkeit und diese Standards nicht so sehr wert gelegt wird.
Reicht es, in dem Bereich anzusetzen?
Nein, weil der zweite Teil der Geschichte ist, dass sich Europa als Standort nicht schützt. Hier wird akzeptiert, dass Produkte, die massiv staatlich gefördert werden, bei uns auf den Markt kommen und die Segnungen des freien Marktes nutzen. Wenn ich mir etwa China anschaue – das passt nicht. Da muss man im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen, der österreichischen Produzenten darauf schauen, dass faire Bedingungen hergestellt werden.
Der Präsident der oberösterreichischen Industrieellenvereinigung fordert, dass auch in Österreich Rahmenbedingungen geändert werden. Etwa, dass Überstunden nicht mehr besteuert werden. Sind Sie da seiner Meinung?
Was ich teile, ist, dass man Leute, die jetzt Teilzeit arbeiten, motiviert, mehr zu arbeiten. Das brauchen wir dringend. Wir sind auf der Suche nach solchen Leuten. Gott-sei-Dank gibt es trotz der schwierigen Rahmenbedingungen genug Arbeit. Die Menschen müssen aber auch merken, dass es sich auszahlt, wenn man mehr tut. Ein Modell könnte sein, Überstunden nicht mehr zu besteuern. Aber es könnte auch ein Modell sein, dass ich diejenigen, die bereit sind, von Teilzeit auf mehr Stunden übergehen, steuerlich begünstige, damit es sich für sie auch rentiert.
Keine Lösung ist die von der IV vorgeschlagene 41-Stunden-Woche?
Mein Ziel ist, dass man Menschen in Teilzeit dazu bewegt, in Vollzeit zu wechseln.
Im Bereich Wirtschaft hat sich die ÖVP in der Regierung ja viel vorgenommen. Etliches ist aber am grünen Koalitionspartner gescheitert, zuletzt die Änderungen bei der Bildungskarenz. Hat sich die ÖVP da zu sehr von den Grünen bremsen lassen?
Es ist eben eine Koalition zweier sehr unterschiedlicher Parteien. Und gerade bei allem, was die Freiheit der Wirtschaft, was selbstständiges Agieren anlangt, stellen wir jetzt gegen Ende der Legislaturperiode mehr und mehr fest, dass die Grünen offensichtlich da und dort ein anderes Weltbild haben. Wir müssen aber darauf schauen, dass auch in Österreich die Wirtschaft wachsen und sich entfalten kann. Damit wir all das, was wir uns vorgenommen haben – vom Klimaschutz bis zu den Sozialleistungen -, umsetzen können, brauchen wir eine florierende Wirtschaft.
Wenn wir schon bei der türkis-grünen Bundesregierung sind: Diese hat fünf Jahre durchgehalten. Welche Bilanz ziehen Sie da als Beobachter von Oberösterreich aus?
Zu Beginn möchte ich unterstreichen: Dass eine Regierung die volle Periode konsequent durcharbeitet, das ist schon bemerkenswert. Das muss man vor allem im Hinblick auf die Unterschiedlichkeit der beiden Regierungspartner sehen. Zweitens waren es keine gewöhnlichen Jahre. Es gab Corona, es folgte der furchtbare russische Angriffskrieg mit all seinen Folgen wie der Verteuerung der Energie. Da mussten schon sehr fordernde Zeiten bewältigt werden. Das muss auf der Haben-Seite verbucht werden.
Und was bleibt auf der Soll-Seite?
Da gibt es Themen – Sie haben vorhin die Wirtschaft angesprochen -, die nicht in dem Ausmaß gelungen sind oder vorangetrieben werden konnten, wie wir uns das gewünscht hätten. Das muss man aber fairerweise immer unter den Rahmenbedingungen sehen, die vorgeherrscht haben.
Sie haben also nicht das Gefühl wie manch andere ÖVP-Funktionäre, die kritisieren, dass die Kanzlerpartei zu sehr auf die Grünen Rücksicht genommen hat?
Das Thema werden wir bei Koalitionen immer haben – nämlich, dass man sich auf den Partner einstellen muss und manche dann den Eindruck haben, dass man zu viel nachgibt. Wobei – in der letzten Phase habe auch ich das Gefühl, dass vieles viel zu schwierig, zu langsam oder gar unmöglich ist. Aber man muss auch sagen, dass es uns jetzt gelungen ist, mit der Bundesregierung einen Beschluss zusammenzubringen: Nämlich für unser großes Projekt im Öffentlichen Verkehr, die Regional-Stadtbahn.
Ein Thema in der Koalition war immer wieder die Asylpolitik. Der Innenminister und die Integrationsministerin haben diese Woche strengere Regeln für Flüchtlinge vorgestellt. Es geht um Arbeitsverweigerung und um das Annehmen der heimischen Werte. Sind das richtige Schritte?
Ich sehe das sehr positiv. Wir haben ja in Oberösterreich selber schon einiges gestartet. So wurde bei den Asylberechtigten eine „Deutsch-Bemühungspflicht“ eingeführt. Mit Konsequenzen – so kannetwa Sozialhilfe gekürzt werden, wenn dem nicht nachgekommen wird. Wir haben aber auch bei Asylwerbern, die eine hohe Bleibewahrscheinlichkeit haben – meist sind das Syrer -, begonnen, sie mit Sprachkursen, mit einer Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt zu begleiten. Denn wir wollen, dass nach Erhalt eines Asylbescheids der nächste Schritt der Arbeitsplatz und nicht die Sozialhilfe ist.
Wenn Sie schon die Sozialhilfe ansprechen. Weil zuletzt Flüchtlinge, die einen positiven Asylbescheid erhalten haben, meist sofort nach Wien übersiedelt sind, fordert die Bundeshauptstadt jetzt eine Residenzpflicht. Nach dem Motto: Asylberechtigte sollen in jenen Bundesländern bleiben, wo sie in der Grundversorgung waren. Was halten Sie von dieser Forderung?
Wir haben uns in allen Bundesländern bemüht, mit dem Thema Flucht und Asyl zu Recht zu kommen. Wir haben aber auch gezielt Maßnahmen gesetzt, damit das nicht ein gesteuerter Zuzug in unser Sozialsystem wird. Wien zahlt offensichtlich bei der Sozialhilfe überall die höchstmöglichen Beträge. Da ist es schon blauäugig, wenn man sich plötzlich wundert, dass dann alle kommen. Viele haben davor gewarnt - auch in den eigenen Reihen - und jetzt kommt man in Wien damit nicht mehr zu Rande. Das ist nun ein Problem, das man vor Ort lösen muss.
Oberösterreich wird für Flüchtlinge die Sachleistungskarte einführen. Somit erhalten diese kein Bargeld mehr in die Hand. Wie sieht es mit dem Projekt aus?
Wir sind in gutem Gespräch mit dem Innenministerium, wir haben dafür auch schon Partnerorganisationen in der Flüchtlingsbetreuung, die da kooperieren werden. Und wir werden im Juli damit starten. Auch angelehnt an die Kollegen in Bayern, die das ja bereits eingeführt haben. Am kommenden Montag werden wir die Details dazu bekanntgeben.
Kommen wir zum Superwahljahr mit der EU-Wahl und der Nationalratswahl. Als hoher ÖVP-Vertreter, mit welchen Gefühlen blicken Sie auf die beiden Wahltermine?
Wenn wir in Wahlen gehen, müssen wir immer den Anspruch haben, dass wir sie auch gewinnen können und gewinnen wollen. Das ist auch bei diesen beiden Wahlen so.
Gewinnen wollen, heißt in diesen Fällen, jeweils die Nummer eins zu werden?
Warum nicht? Das ist für uns sonnenklar. Kein Mensch geht in einen Sportbewerb mit der Einstellung: Schauen wir einmal, was passiert. Wir müssen den Anspruch haben, die Gestaltungsrolle zu bekommen. Wir haben in den vergangenen Wochen bei Umfragen gesehen, dass sich die Werte zusammenschieben. Es spielt sich alles in dem Bereich 23 Prozent aufwärts ab. Das ist durchaus realistisch. Und ich glaube, dass es bei den Wählerinnen und Wählern eine Phase gibt, wo geschaut wird, wer tatsächlich nüchtern und konsequent für Österreich arbeitet. Und da können wir punkten.
Mit Kanzler Karl Nehammer?
Na selbstverständlich.
Aber wie sehen Sie die Ansage im Bund, dass man nach der Wahl auf keinen Fall mit FPÖ-Chef Herbert Kickl koalieren will? Sie regieren in Oberösterreich auch mit der FPÖ.
Ich finde, das ist sehr konsequent. Politik besteht immer aus den Programmen und den Personen. Da hat die ÖVP mit Kanzler Nehammer klar festgelegt, dass das aus unserer Sicht mit einer Person eben nicht geht. Bei uns im Land haben wir andere Personen und Persönlichkeiten, da funktioniert die Koalition mit der FPÖ sehr gut.
Wie sehen Sie bei den Koalitionsspekulationen die Rolle der SPÖ?
Zuerst einmal ist entscheidend, wie die Wahl ausgeht. Ich gehe davon aus, dass wir danach in der Rolle sein werden, uns Partner zu suchen. In der SPÖ wird es darum gehen, was von dem, das der derzeitige Vorsitzende Andreas Babler alles in den Raum stellt, tatsächlich ernst gemeint ist. Was genau heißt das nach der Wahl? Die Signale sind da ja durchaus unterschiedlich. Man hat den Eindruck, dass da nicht immer aus einem Guss heraus gesprochen wird.
Derzeit hat man in der österreichischen Politik den Eindruck, dass Chats das Geschehen bestimmen. Zuerst unter Sebastian Kurz, jetzt trifft es die grüne EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling. Wie sehen Sie das?
Erstens sollte man als Politiker natürlich immer darauf schauen, wie und was gesprochen wird. Zweitens stellt sich die Frage, wie und was alles das Licht der Öffentlichkeit erblickt. Ich will nichts Schönreden, weil auch Formulierungen ans Tageslicht gekommen sind, die ich für unmöglich halte.
Auf der anderen Seite muss man aber auch darüber diskutieren, was da alles veröffentlicht werden kann. Da werden Privatchats offengelegt - wenn aber unsere Polizei Kriminelle über ihre Aktivitäten auf den verschiedenen Plattformen verfolgen will, dann ist sie strikten Restriktionen unterworfen. Da passt einfach vieles nicht mehr zusammen.
Passen Sie seither mehr darauf auf, was Sie mit Ihrem Handy machen, was Sie da kommunizieren?
Es geht uns allen so, dass das beim Kommunizieren via Chats im Hinterkopf mitläuft.
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