Neos wollen "rechte" und "linke" Mehrheit brechen
Die Neos wollen einen „Neustart“, sie wollen die „Rakete zünden“. Soll heißen: Sie möchten in so vielen Regierungen wie möglich vertreten sein – auch im Bund.
Das war die zentrale Botschaft des zweitägigen Parteitages am Freitag und Samstag in Linz. Die pinken Mitglieder stimmten im halb leeren Veranstaltungssaal über ihre Parteichefin und den Vorstand ab. Und zwar per eVoting – ein Novum in Österreich. 432 Mitglieder waren zur Abstimmung berechtigt, nur rund 150 waren in Linz vor Ort. Die brütende Hitze ließ wohl auch einige Pinke im Homeoffice verweilen.
Unabhängig davon: Parteichefin Meinl-Reisinger wurde mit 93 Prozent wiedergewählt. Bei ihrer ersten Wahl 2018 erhielt sie 95 Prozent.
Das pinke Dilemma
Bei der Nationalratswahl 2019 erreichten die Neos 8,1 Prozent. Für künftige Wahlen setzen sie sich 15 Prozent zum Ziel. Dann soll es weder eine linke Mehrheit aus SPÖ und Grünen, noch eine rechte aus ÖVP und FPÖ mehr geben. „Niemand soll eine Mehrheit ohne die Mitte, ohne die Neos haben“, sagte Meinl-Reisinger.
Das Dilemma der Pinken, das sie auch selbst erkennen: Die Öffentlichkeit nimmt die Bundes-Neos derzeit eher als laute, teils polternde U-Ausschuss-Partei wahr. An sich funktioniert dieser Kurs. Auf Landesebene wachsen die Pinken in Umfragen, im Bund liegen sie konstant über zehn Prozent. Aber bleibt das auch so, wenn keine neuen Chatprotokolle mehr aufpoppen, die sie als Munition verwenden können?
"Man kann Kurz-ÖVP nicht wegkuscheln"
Den kantigen Oppositionskurs wolle man jedenfalls nicht aufgeben, sagt Vize-Klubobmann Gerald Loacker dem KURIER: „Man kann die Kurz-ÖVP nicht wegkuscheln von der Macht und deswegen muss man manchmal scharf auftreten. Es braucht harte Oppositionspolitik.“
Die Sachthemen, mit denen die Neos punkten wollen, sind eher abstrakt, in die Zukunft gerichtet, tendenziell sperrig und lassen sich medial nur schwer verkaufen. Themen waren am Parteitag etwa enkelfitte Pensionen, eine Senkung der Lohnnebenkosten und eine Flexibilisierung des Bildungssystems.
„Konstruktive Ader“
Wohl auch deshalb hat die Partei ihre „konstruktive Ader“ nun zumindest symbolisch gestärkt. Mit Wiens Vize-Bürgermeister Christoph Wiederkehr und der Salzburger Landesrätin Andrea Klambauer wählte man die Chefs jener Landesparteien zu Meinl-Reisingers neuen Stellvertretern, die in Regierungsverantwortung sind. Wiederkehr koaliert mit der SPÖ, Klambauer mit ÖVP und Grünen.
Die beiden ersetzten Nikolaus Scherak, der stellvertretender Klubobmann bleibt, sowie Josef Schellhorn. Den neuen Vorstand komplettieren die EU-Abgeordnete Claudia Gamon, Gerald Loacker, die Innsbrucker Gemeinderätin Julia Seidl und Finanzreferent Michael Bernhard.
Wunsch nach "demütiger" ÖVP
Wiederkehr fuhr mit rund 94 Prozent ein signifikant besseres Ergebnis als die Salzburgerin Klambauer ein, die 79 Prozent Zustimmung erhielt. Das solle man nicht überinterpretieren, kalmierten Neos-Mitglieder. Wiederkehrs mediale Präsenz sei eben höher, die Mitgliederzahl in Wien auch.
Dennoch sieht es etwas danach aus, dass die Neos-Mitglieder eher mit jenen unter ihnen sympathisieren, die mit der SPÖ zusammenarbeiten (wie Wiederkehr mit Michael Ludwig) als mit jenen, die das mit der ÖVP tun (Klambauer mit Wilfried Haslauer). Die Salzburger ÖVP sei aber nicht die „türkise ÖVP“, heißt es. Diese würde Meinl-Reisinger vor allem in einer Rolle gerne erleben: „demütig, in der Opposition“.
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