Strategie ist riskant und teuer
Aus Sicht der Neos muss die Abhängigkeit von russischem Gas aus moralischen, aber auch sicherheitspolitischen Gründen beendet werden. Erstens sei man abhängig von russischen Importen, zweitens würde man damit indirekt die russische Kriegswirtschaft finanzieren.
2023 zahlte Österreich 3,5 Milliarden Euro für russische Gasimporte – so viel wie vor dem Ukraine-Krieg. 2022 waren es sogar 7,4 Milliarden. Gleichzeitig zahlen Österreichs Kunden deutlich mehr für Gas als der Durchschnitt der Eurozone.
„War noch nie einfacher als jetzt“
Ist ein schneller Ausstieg realistisch? Boltz – auch für Gewessler in Energiefragen beratend tätig – sagt: „Seit Beginn der Krise war noch nie so einfach für Österreich aus russischem Gas auszusteigen, wie es jetzt ist.“ Es wäre ziemlich einfach, andere Lieferanten zu bekommen, sagt Boltz und spricht von einer Vorlaufzeit von wenigen Monaten. „Im Moment kann sich jedes Unternehmen das Gas zu den ziemlich gleichen Kosten kaufen – mit oder ohne russische Lieferungen.“
Wenn es nicht billiger ist, warum beziehen die Energieversorger dann 98 Prozent ihrer Gasmengen aus Russland?
Laut Boltz liegt das unter anderem an der wohl EU-rechtswidrigen Speicherumlage in Deutschland. Sie sorgt dafür, dass Gas, das aus Deutschland nach Österreich kommt, um acht Prozent teurer ist.
Der pinke Ausstiegsplan: EU-Gesetz als „Rutsche“
Auch die Neos sehen für einen schnellen Ausstieg jetzt den richtigen Zeitpunkt. Die Gaspreise seien aktuell niedrig, die Nachfrage rezessionsbedingt auch. Im April beschließt das EU-Parlament voraussichtlich ein Gaspaket. „Damit können EU-Länder spezifisch Maßnahmen treffen, um Gaslieferungen aus Russland einzuschränken“, sagt Doppelbauer.
Mit dem neuen Gesetz könne Gewessler der OMV eine Rutsche legen, aus ihren langfristigen Gazprom-Verträgen auszusteigen. Die OMV könne sich dann auf ein staatliches Gesetz berufen und hätte rechtlich wohl von Seiten der Gazprom nichts zu befürchten. „Wir sollten das rasch vorbereiten“, sagt Doppelbauer – und wundert sich, dass Gewessler diese Option nicht in Betracht gezogen habe. Die Neos bringen einen Antrag für einen stufenweisen Ausstieg im nächsten Plenum ein.
Was die Neos noch fordern
Gleichzeitig mahnt Doppelbauer die Regierung, sich um alternative Quellen zu bemühen. Aktuell streiten Gewessler, das Finanzministerium und der Netzbetreiber Gas Connect beispielsweise, wer den Ausbau einer Pipeline in Oberösterreich – den sogenannten WAG Loop – finanzieren soll. Es geht um rund 200 Millionen Euro. Doppelbauer spricht von einem „Kindergarten“: „Jeder vernünftig denkende Mensch sagt da: Bist du deppert, was ist denn da los?“
Boltz meint: „Ich finde es ehrlicherweise nicht okay, dass die Gas Connect sich da so ziert. Sie sagt ja auch nicht, sie baut es nicht, sie lässt sich nur Zeit.“ Der stockende Ausbau könnte auch andere Staaten treffen: Über die Pipeline werden etwa auch Slowenien, die Slowakei und die Ukraine beliefert.
Die Neos pochen weiters darauf, nationale Energiegesetze – etwa das Grün-Gas-Gesetz – auf Schiene zu bringen und empfehlen Gewessler einen Freundschaftsbesuch bei ihrem deutschen Amts- und Parteikollegen Robert Habeck – auf dass dieser die Gasumlage abschaffe.
Boltz: Beziehungen zu Russland langfristig schlecht
Boltz hat im April 2023 bereits einen Ausstiegsplan mit Gewessler präsentiert. Davon seien auch Teile umgesetzt worden, meint der Experte.
Insgesamt könne er aber nicht nachvollziehen, dass Österreichs Politik und Wirtschaft nicht längst reagiert haben. Man müsse aufgrund der Entwicklungen im Ukraine-Krieg nämlich davon ausgehen, dass die Beziehungen mit Russland langfristig ziemlich schlecht sein werden. „Wir haben in Österreich – nicht so sehr bei den Grünen – schon viele, die glauben, das wird schon alles nicht so schlimm werden. Ich halte diese Haltung für nicht sehr glücklich“, stellt Boltz fest.
Kommentare