Neos-Basis stimmt für Dreierkoalition – Angelobung am Montag

Neos-Basis stimmt für Dreierkoalition – Angelobung am Montag
94,13 Prozent Zustimmung gab es am Sonntag in der pinken Mitglieder-Befragung für die Koalition mit ÖVP und SPÖ.

Die letzte Hürde ist genommen. Die Neos-Mitgliederversammlung stimmte am Sonntag mit  94,13 Prozent für den Eintritt in die Koalition mit ÖVP und SPÖ

Damit kann die erste Dreierkoalition der Zweiten Republik am Montag von Bundespräsident Alexander Van der Bellen angelobt werden. Seit der Nationalratswahl im Herbst sind fünf Monate vergangen. In dieser Zeit sind nicht weniger als drei Versuche, eine Regierung zu bilden, gescheitert.

„So ein starkes Votum einer Parteibasis hat es noch nie gegeben. Vielen Dank, unsere Arbeit beginnt morgen“, sagt Parteichefin Beate Meinl-Reisinger in einer ersten Reaktion.

1.737 der rund 3.000 Mitglieder nahmen an der Abstimmung teil, die online erfolgte – egal, ob die Teilnehmer vor Ort im Wiener Arsenal oder von außen zugeschaltet waren. Für die Absegnung des Pakts waren zwei Drittel der gültigen Stimmen erforderlich. Doch es stimmten nur 102 mit Nein.

Kurz vor Beginn der Veranstaltung herrscht unter den bereits anwesenden Mitarbeitern und Funktionären Zuversicht. „Ich rechne mit einem Ergebnis von 80 Prozent“, sagt ein pinker Mandatar zum KURIER. 

Unter den mehr als 600 Gästen in der Ballonhalle finden sich auch prominente Persönlichkeiten aus dem pinken Umfeld wie Heide Schmidt, Gründerin des Liberalen Forums, ihr einstiger Mitstreiter Friedhelm Frischenschlager, Ex-RBI-Chef Karl Sevelda oder der Unternehmer Hans Peter Haselsteiner.

Neos-Spitze wirbt um Pakt

Bis zuletzt hatte die Parteispitze für das Koalitionspaket die Werbetrommel gerührt. Etwa mit Telefonaktionen oder Online-Diskussionen mit den designierten Neos-Ministern Beate Meinl Reisinger und Christoph Wiederkehr.

Die Versammlung startet staatstragend mit Österreich- und Europahymne. 

Christoph Wiederkehr: "Es wird hart"

Der Wiener Parteichef Wiederkehr – er soll Bildungsminister werden - tritt als Hausherr als erster Redner ans Pult: Er spricht von einem „historischen Tag“. Erstmals gebe es eine Dreierkoalition, erstmals stünden die Neos vor dem Eintritt in die Bundesregierung. In einer Zeit, in der US-Präsident Donald Trump Europa fallenlasse und die FPÖ von Festungen rede, sei ein Gegenmodell notwendig. 

„Aber Herbert Kickl zu verhindern, ist zu wenig.“ Nötig seien große Reformen anstelle lediglich zu verwalten. Gleichzeitig sei es die Zeit für gute Kompromisse. „Nicht als kleinster gemeinsamer Nenner, sondern in Form von leben und leben lassen.“ Es gehe um eine Bildungsoffensive, Entlastung und ein starkes Europa.

Aber es werde hart, so Wiederkehr: „Regieren ist anders als Opposition“, stimmt er die Neos ein. Es handle sich um keinen Sprint, sondern um einen Marathon. In Wien habe man viel im Neos-Zuständigkeitsbereich Bildung zustande gebracht, aber auch in Sachen Transparenz und Kontrolle. 

Meinl-Reisinger: "Schreiben wir Geschichte heute"

Großer Jubel und Standing Ovations beim Auftritt von Meinl-Reisinger zu dem Sound von Taylor Swift. „Hoffentlich war das nicht zu früh“, antwortet sie auf den Applaus. Sie erinnert an die Gründung an die Partei 2012, als man nur rund 200 Mitstreiter hatte. „Wir hatten eine sehr kräftige Vision: Wir erneuern Österreich. Seit 13 Jahren gehen wir diesen Weg konsequent.“ 

Neos-Basis stimmt für Dreierkoalition – Angelobung am Montag

Die Parteichefin weiter: „Ich wurde in den vergangenen Tagen oft gefragt, wieso eine Mitglieder-Abstimmung überhaupt sein muss. Es ist der einzig richtige Weg – gerade in Zeiten, in denen sich viele von der Politik abwenden. Es geht um nichts Geringeres als das Sicherstellen, dass unser Land proeuropäisch, stabil und liberal bleibt.“

Zu den schwierigen Verhandlungen: „Es ging bisweilen über die Grenze des Zumutbaren hinaus. Es ist gut, dass die Emotionen sich abgekühlt haben.“

Ausführlich versucht Meinl-Reisinger den Widerspruch aufzulösen, Anfang Jänner die Verhandlungen mit ÖVP und SPÖ abgebrochen zu haben und nun erst recht mit ihnen zu koalieren. Seit dem Abbruch der Verhandlungen im Jänner habe sich viel geändert. „Jeder hat gesehen, dass Kickl und die FPÖ nicht in der Lage sind, Mehrheiten zu bilden. Sie sind krachend gescheitert. Gott sei Dank.“ 

"Viele schlaflose Nächte" für Meinl-Reisinger

Sie habe in den vergangenen Wochen viele schlaflose Nächte gehabt. „Ich habe sehr stark gefühlt, dass sich Demokratien immer wieder beweisen müssen. Ich habe mich gefragt, was Demokratien wert sind, wenn keiner bereit ist, mitzumachen, wenn jeder nur auf den eigenen Standpunkt beharrt, wenn keiner mehr die Hand ausstreckt. Wir haben Verantwortung.“  Und weiter mit tränenerstickter Stimme: „Ich möchte meinen drei Kindern eines Tages sagen können: Ich habe alles getan, was in meiner Kraft liegt.“ Erneut Standing Ovations für die Neos-Chefin. „Schreiben wir Geschichte heute.“

Neos-Basis stimmt für Dreierkoalition – Angelobung am Montag

"Wir können nicht zusehen und warten, bis ÖVP und SPÖ tot sind und jemand anderes 30 Prozent hat", wirbt Sepp Schellhorn für die Koalition. Der Gastronom soll Staatssekretär für Deregulierung werden, angesiedelt in Meinl-Reisingers Außenministerium. 

Fast nur Befürworter in der Debatte

Es folgen Wortmeldungen der Mitglieder. Wer sich davon hitzige Debatten pro und contra Regierungseintritt erwartet hatte, wurde enttäuscht. Der überwiegende Teil der Redner plädiert klar für die Koalition. Von der „Chance einer neuen politischen Kultur“ spricht etwa Heide Schmidt.

Ähnlich das liberale Urgestein Hans Peter Haselsteiner: „Es geht darum, mit welchem Rückenwind die Partei diese schwierige Aufgabe unterstützt. Es mag sein, dass einem der eine oder andere Leuchtturm zu wenig hell ist. Aber was wäre die Alternative. Es wäre eine existenzgefährdende Entscheidung der Neos als Parlamentspartei.“

Neos-Basis stimmt für Dreierkoalition – Angelobung am Montag

Hans Peter Haselsteiner

Rare Gegenstimme

Eine rare Gegenstimme kommt vom Wiener Stephan Mittelbach: "Im Regierungspakt steht 175 Mal das Wort ,evaluieren´, die pinke Handschrift ist überschaubar, es handelt sich um ein Hoffnungspapier. SPÖ und ÖVP wollen nicht mit uns, sie wollen  nicht sparen. Was hat sich seit Jänner geändert?“ Man müsse sich  nicht genieren, wenn man gegen die Koalition stimme.

Der weitere Fahrplan

Voraussichtlich am Montag um 11 Uhr wird die neue Bundesregierung in der Hofburg angelobt werden. Am Abend ist eine große ORF-Runde mit Meinl-Reisinger, Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) und Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) geplant, am Mittwoch ein ausführliches Pressefoyer.

Für Freitag ist schließlich eine Sondersitzung des Nationalrats mit der Regierungserklärung vorgesehen.

Kommentare