Handy statt Excel: So läuft die Neos-Abstimmung über die Koalition ab

Noch muss eine allerletzte Hürde genommen werden, damit die am längsten dauernde Regierungsbildung der Zweiten Republik endlich ihren Abschluss findet. Wie es die internen Statuten vorsehen, stimmen die Neos-Mitglieder darüber ab, ob ihre Partei tatsächlich in die Koalition mit ÖVP und SPÖ eintreten soll. Mehr als eine Formalie, schließlich ist dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich. Was man zur Neos-Mitgliederversammlung in der Ballonhalle im Wiener Arsenal wissen muss.
Wer stimmt ab?
Stimmberechtigt sind grundsätzlich jene rund 2.700 Neos-Mitglieder, die fristgerecht ihren Mitgliedsbeitrag gezahlt haben. Für die Teilnahme mussten sie sich bis Freitag aber noch eigens anmelden. Mehr als 1.500 Mitglieder haben dies getan, heißt es bei den Neos. Sie können, müssen aber nicht physisch am Sonntag vor Ort sein.
Wie ist der Ablauf der Abstimmung?
Ab 11 Uhr werden Neos-Wien-Chef Christoph Wiederkehr als Hausherr und Parteichefin Beate Meinl-Reisinger in ihren Statements noch einmal die Werbetrommel für den Koalitionspakt rühren. Danach ist eine Diskussion mit den Mitgliedern vorgesehen. Im Anschluss kommt es zur Abstimmung. Sie erfolgt online via Handy, Tablet oder Laptop, egal ob die Teilnehmer präsent oder von außen zugeschaltet sind. Jeder Teilnehmer bekommt seine Zugangsdaten zugeschickt. Ein eigenes Support-Team kann bei technischen Problemen rasch eingreifen. Das Abstimmungstool habe sich in den vergangenen Jahren bewährt, betont man bei den Neos. "Excel-Listen verwenden wir keine", verweist man auf das Debakel bei der Wahl des SPÖ-Vorsitzenden 2023.
Über was genau wird abgestimmt?
Wörtlich lautet der Abstimmungstext, auf den mit Ja oder Nein geantwortet werden kann: "Die Mitgliederversammlung stimmt nach Art. 4.3.h. dem beiliegenden mit ÖVP und SPÖ vereinbarten Arbeitsprogramm zur Bildung einer Koalition für die XXVIII GP (Gesetzgebungsperiode, Anm.) zu." Abänderungen – etwa hinsichtlich der Besetzung einzelner Ministerposten – sind nicht möglich. Zur Absegnung sieht die Neos-Satzung eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen gültigen Stimmen vor.
Wie ist der wahrscheinliche Ausgang?
Er lässt sich schwer voraussagen. In internen Chats, in dem sich Neos-Mitglieder austauschen, hielt sich zuletzt die Zahl der Befürworter und Gegner wie berichtet ungefähr die Waage. Bis zum Samstag nahm der Anteil der Koalitionsbefürworter deutlich zu. Allerdings ist fraglich, wie repräsentativ die dortigen Wortmeldungen sind. Bei einer aktuellen Hajek-Umfrage für ATV stimmten 87 Prozent der Neos-Wähler der Dreierkoalition zu. Wobei man sich an der Parteispitze bewusst ist, dass die Parteimitglieder wohl deutlich kritischer sind.
Deshalb hat man in den vergangenen Tagen intensive interne Überzeugungsarbeit geleistet, etwa mit bundesweiten Telefon-Aktionen. Zuletzt konnten sich die Mitglieder auch online mit Meinl-Reisinger und Wiederkehr austauschen. Manche äußerten dabei die Befürchtung, den Neos könnte mit dem Eintritt in die Regierung ein ähnliches Schicksal blühen wie der deutschen FDP. Für Skepsis sorgen auch die Punkte im Koalitionsprogramm mit einer deutlich roten Handschrift – etwa das Kapitel Wohnen.
Was passiert, wenn der Pakt keine Mehrheit findet?
Das würde dem Drama der aktuellen Koalitionsverhandlungen einen weiteren Akt hinzufügen. ÖVP und SPÖ müssten dann doch zu zweit regieren. Dem Vernehmen nach hat man in den dortigen Parteizentralen schon vorsorglich einen Plan gezimmert. Demnach würde man das pinke Staatssekretariat, das Sepp Schellhorn bekommen hätte, streichen. Das für Meinl-Reisinger vorgesehene Außenministerium würde an die SPÖ gehen, das Bildungsressort statt an Wiederkehr an die ÖVP. Da die Zweierkoalition mit einem Mandat Überhang über eine denkbar knappe Mehrheit verfügen würde, würde man wohl bei einzelnen Sachthemen im Parlament die Zusammenarbeit mit den Neos (und den Grünen) suchen. Bei den Neos wollte man sich am Samstag zu einem solchen Worst-Case-Szenario verständlicherweise nicht äußern.
Wann erfolgt die Angelobung der Regierung?
Wenn die pinken Mitglieder ihr grünes Licht geben, wird die Dreierkoalition am Montag von Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Hofburg angelobt. Dem Vernehmen nach um 11 Uhr. Offiziell will die Hofburg den Termin erst nach der Neos-Abstimmung bestätigen. Am Wochenende finden noch Gespräche der neuen Minister und Staatssekretäre mit dem Bundespräsidenten statt.
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