So wollen die Neos die pinken Mitglieder auf Regierungskurs bringen

KOALITION: PRESSESTATEMENT NEOS ZU KOALITIONSVERHANDLUNGEN / MEINL-REISINGER
Am 2. März entscheiden die Neos-Mitglieder, ob aus der Dreier-Koalition etwas wird. Noch sind viele Fragen offen, sagt Beate Meinl-Reisinger.

Sie sind als erste vom Verhandlungstisch aufgestanden - und nun liegt es wieder an ihnen bzw. an Parteichefin Beate Meinl-Reisinger, ob aus der ersten Dreier-Koalition der Zweiten Republik etwas wird: Die Neos entscheiden wohl am kommenden Sonntag, ob sie wirklich dabei sein wollen. Zwei Drittel der Parteimitglieder müssen einer Regierungsbeteiligung zustimmen, andernfalls kommt die Koalition nicht zustande.

Dass das Wohl und Weh der Koalition nun an der pinken Partei hängt, liegt daran, dass ÖVP und SPÖ eine reine Zweier-Koalition verworfen haben. 

Rechnerisch möglich, würden Türkis und Rot gemeinsam nur mit einem Mandat Überhang im Nationalrat regieren. Und das macht die Regierung, die eine Mehrheit im Nationalrat braucht, sehr abhängig vom Willen einzelner Abgeordneten sowie der im Parlament vertretenen Lobbying-Gruppen - vom ÖVP-Bauernbund bis zur SPÖ-dominierten Gewerkschaft. 

Die Frage, ob die Neos themenbezogen eine ÖVP-SPÖ-Regierung stützen würden, wurde eingehend diskutiert - aber mit "Nein" beantwortet. 

Der Grund: Es macht vor allem aus Sicht der Neos wenig Sinn, längerfristige Kooperationen zu paktieren, gleichzeitig aber nicht mitzuregieren. Die Neos müssten in diesem Modell Regierungsideen unterstützen, solcherart auf die Rolle der Oppositionspartei verzichten, hätten gleichzeitig aber keine Möglichkeit, selbst "ins Gestalten zu kommen".

Am Mittwoch bekam Meinl-Reisinger das Angebot, direkt in die Regierung einzusteigen. Sie selbst will bzw. würde wohl mitregieren. 

Was hat sich geändert?

Die entscheidende Frage ist aber: Wie erklärt sie den neuerlichen Anlauf ihren Wählern und vor allem ihren Mitgliedern? Was ist jetzt anders als am 3. Jänner, als man die Koalitionsgespräche mit ÖVP und SPÖ abgebrochen hat, weil der Reformwille fehlte?

Wie ernst sie die Frage nimmt, zeigt allein die Tatsache, dass die Neos-Chefin noch am Samstag eine dreiseitige Aussendung samt Video an die Parteimitglieder geschickt hat, um sich und ihre Beweggründe zu erklären. 

Die zentrale Frage lautet auch hier "Was hat sich geändert?"

Meinl-Reisingers trockene Antwort: "Sehr viel". Dementsprechend schlägt sie folgende Argumentation ein: 

Zunächst einmal hätten sich SPÖ und ÖVP deutlich aufeinander zubewegt. Der Wille zur Zusammenarbeit sei nunmehr weitaus klarer vorhanden. Und man sei zudem bereit, auch über die Legislaturperiode hinaus zu denken und Projekte zu ermöglichen. 

Man muss so ehrlich sein zu sagen, dass es sich nicht um die "100-prozentige Reformkoalition" handelt, die sich die Neos gewünscht hätten. Und an mehreren Stellen lässt Meinl-Reisinger auch durchblicken, dass die Dreier-Koalition noch nicht ausgemacht sei - einzelne Details seien offen. 

Trotz allem gelte es aber jetzt, auch die anderen Veränderungen zu berücksichtigen, die sich seit Jänner ergeben haben - und diese sind ein zusätzliches Argument für eine Koalition.

Dazu gehört etwa das Verhalten der FPÖ.  Es gebe offenbar "einen großen Unterschied zwischen einem ersten Platz bei Wahlen und einer Mehrheit für eine Regierung", heißt es im Schreiben an die Neos-Mitglieder. Die FPÖ und Parteichef Herbert Kickl hätten auf ein "solides Fundament rechtstaatlicher und pro-europäischer Werte" verzichtet bzw. sie würden dieses gefährden. Und das wiederum ist angesichts der internationalen Verwerfungen, die die vergangenen beiden Wochen gebracht haben, fatal. "So gut wie täglich führen Trump und Putin Europa und damit auch Österreich unmissverständlich vor Augen, dass wir keine Zeit zu verlieren haben, selbst unsere Zukunft zu gestalten – ja zu verteidigen. Das gilt für Wirtschaft und Finanzen – insbesondere in Österreich - und mittlerweile auch ganz akut für unsere Sicherheit."

Krisper, Schellhorn, Meinl-Reisinger, Wiederkehr, Brandstätter

Krisper, Schellhorn, Meinl-Reisinger, Wiederkehr, Brandstätter

Die Frage, warum man nunmehr versuche, eine Regierung zu bilden anstatt punktuell mit der Koalition mitzustimmen, beantwortet die Parteichefin folgendermaßen: Abgesehen davon, dass ein solches Modell möglicherweise ein lebhafteres Parlament bringe, würden die Nachteile aus Sicht der Neos überwiegen. Ohne Regierungsbeteiligung sei man 
"gleich wichtig" wie die Grünen - und könne gegeneinander ausgespielt werden. Wohingegen man als Regierungsmitglied "einen Fuß in der Tür" habe und damit auch eigene Projekte forciere. 

So treten die Neos weiterhin, wie im Schreiben steht, für Reformen im Bildungsbereich und insbesondere die Bekämpfung der Rezession ein. 

2 Minister, ein Staatssekretär

 In einer Regierung werden die Neos laut internem Informationsschreiben mehrere Ämter bekommen. 

"Vereinbart wurde konkret, dass Neos 2 Ministerien und ein Staatssekretariat übernehmen." 

Bis es allerdings soweit ist müssen die pinken Mitglieder davon überzeugt werden. 

Und zwar am 2. März um 11 Uhr in der Ballonhalle des Arsenals in Wien. 

Zwei Drittel der rund 3.000 Mitglieder müssen für die Regierungsbeteiligung stimmen. Das können die Pinken bei der Mitgliederversammlung selbst oder virtuell. "Selbstverständlich werden die Mitglieder rechtzeitig vor ihrer Entscheidung Einblick in das Programm einer allfälligen Regierung erhalten."

Meinl-Reisinger schickte allerdings eines Voraus: Bei dieser Regierungsbildung gehe es um mehr als um das Wohl der Partei. "Es gibt etwas Größeres als uns", sagt sie im Video. Und das sei das Wohl des Landes und der Menschen, die in ihm leben. 

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