Neos-Analyse: 6,6 Milliarden für Finanzminister wegen kalter Progression

Neos-Analyse: 6,6 Milliarden für Finanzminister wegen kalter Progression
Bis 2025 kann das Finanzministerium mit 6,6 Milliarden Euro Mehreinnahmen durch die kalte Progression rechnen. Deren Abschaffung wird nun auch in der ÖVP diskutiert.

Österreich erwartet ein höheres Defizit und eine höhere Schuldenquote. Die türkis-grüne Bundesregierung hat vergangenen Mittwoch ihr Budget für heuer und den Finanzrahmen bis 2025 aufgeschnürt. Ergebnis: Der Nettoffinanzierungssaldo steigt durch den Ukraine-Krieg um 6,5 Milliarden auf ein Minus von 19,1 Milliarden Euro. "Putins Angriff und die Folgen sorgen dafür, dass wir auch in Österreich unser Budget nachbessern müssen", erklärte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP).

1,6 Milliarden sind für die Aufstockung der Gasreserven vorgesehen. Ein nach wie vor beträchtlicher Anteil der Nachbesserungen fließt zudem in die Pandemiebekämpfung. Der Covid-19-Krisenbewältigungsfonds werde gegenüber dem letzten Bericht - dieser ist kein halbes Jahr alt - um 1,9 Milliarden Euro aufgestockt, analysiert Publizist und Consulter Günther Oswald im Auftrag der Neos.

Debatte um kalte Progression

Durch die Inflation werden auch die Löhne steigen. Das Finanzministerium (BMF) erhält damit auch höhere Lohnsteuereinnahmen. "Die hohe Inflation hat binnen weniger Monate dazu geführt, dass Finanzminister Brunner bis 2025 mit satten 6,6 Milliarden Euro an zusätzlichen Lohnsteuereinnahmen rechnen darf", sagt Neos-Finanzsprecherin Karin Doppelbauer zum KURIER. Die Neos fordern deshalb eine Abschaffung der sogenannten "kalten Progression".

Sie beschreibt den Effekt, dass jährliche Lohnerhöhungen zu einer steuerlichen Mehrbelastung beim Einkommen führen. Wer durch die Anpassung des Lohnes an die Inflation mehr verdient, kann aber in eine neue Tarifstufe aufsteigen und muss somit auch mehr Steuern zahlen. Um das zu verhindern, sollen die Tarifstufen automatisch an die Inflation angepasst werden.

Ein Beispiel der Agenda Austria: In den vergangenen fünf Jahren (2016 bis 2021) machte die Inflation in Summe acht Prozent aus. Wer beim Gehalt immer die Inflation ausgeglichen bekommen hat, verdient jetzt um diese acht Prozent mehr. Dieselbe Person zahlt heute jedoch um elf Prozent mehr Lohnsteuer. Das ist so, weil die Schwellenwerte, ab denen die Tarifstufen bei der Lohnsteuer greifen, eben nicht an die Inflation angepasst werden.

Auch Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) forderte die Abschaffung mittlerweile dezidiert, Vorarlberg tendiert ebenso in diese Richtung. Die anderen ÖVP-Länder äußern sich defensiver. Das BMF prüft derzeit mehrere Optionen, wie die Teuerung langfristig bekämpft werden kann. Eine Senkung der Lohnnebenkosten oder der unteren Tarifstufen sind in der Verlosung, die Abschaffung der kalten Progression ist eine Möglichkeit.

"Kann nicht sein"

Jedenfalls schätzt das BMF die inflationsbedingten Mehreinnahmen deutlich höher als etwa das Institut für Höhere Studien (IHS) in seiner aktuellen Analyse. Das IHS bezifferte den Effekt der kalten Progression auf rund eine Milliarde bis 2023, das Ministerium rechnet mit 1,6 Milliarden. Der neue Finanzrahmen zeige eine große Zusatzbelastung, sollte die kalte Progression nicht abgeschafft werden, so Doppelbauer: "Es kann nicht sein, dass sich der Finanzminister als einziger Profiteur der hohen Inflation zurücklehnt und munter Mehreinnahmen einkassiert."

Trotz der ökosozialen Steuerreform und Energieentlastungspakete liegen bis 2025 die Lohnsteuerzahlungen um fast elf Milliarden Euro über dem Wert von 2019 - also vor der Corona-Pandemie. Die Umsatzsteuer steigt um rund acht Milliarden.

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