„Wir teilen die Einschätzung, dass das derzeit kein freier Wechselkurs ist“, sagt Gunter Deuber, Leiter des Bereichs Volkswirtschaft und Finanzanalyse bei der Raiffeisen Bank International RBI, dem KURIER. „Ausländer, die Finanzwerte haben, können nicht verkaufen. Wirtschaftsakteure können keine Devisen abziehen.“
Vielschichtige Gründe
Die Gründe für die Stabilisierung des Rubel-Kurses sind vielschichtig. Die russischen Behörden würden „sehr professionell agieren“, so die Einschätzung des RBI-Experten. Bisher war ein Großteil der Spareinlagen der Bevölkerung, vor allem jener in Dollar, eingefroren. „Die Menschen konnten nicht auf Fremdwährungsguthaben zugreifen. Die spannende Frage: Was passiert mittel-und längerfristig mit diesen Guthaben?“
Ein weiterer Grund, warum der Rubel nicht abstürzt, ist das Fremdwährungseinkommen, das der Westen Russland durch die Energiekäufe gibt. Ein Ölembargo alleine werde nicht zu einer „substanziellen Rubelabwertung“ führen. Trotz allem würden die Sanktionen Sinn ergeben, um „das Scheinstabilitätsbild zu untergraben“.
Darüber hinaus hat Russlands Zentralbank unmittelbar nach dem Crash des Rubel zu Kriegsbeginn den Leitzins auf 20 Prozent erhöht. Auch, wenn dieser auf aktuell 14 Prozent reduziert wurde, ist er immer noch hoch.
Koppelung an Gold
Kürzlich hat Russland überlegt, den Rubel an den Goldkurs zu koppeln. „Das ist ein altes Konstrukt der Wirtschaftsgeschichte, um dem Rubel intrinsische Stabilität zu verleihen. Russland ist großer Goldproduzent, kann aber eigentlich Gold nicht mehr exportieren“, so der Experte. Dennoch sei ein „modernes Wirtschaftssystem deutlich flexibler“. Deuber stellt infrage, ob dieser Schritt „langfristig sinnvoll ist“.
Schwere Prognose
Wie sich all diese Faktoren weiterentwickeln, ist schwer zu prognostizieren. Gunter Deuber nimmt an, dass sich der Krieg in der zweiten Jahreshälfte in einen „eingefrorenen Konflikt“ wandelt. Dann werde man wohl schrittweise etwa der Bevölkerung den Zugang zu Fremdwährungsreserven weiter ermöglichen. Außerdem würde Russland den westlichen Firmen wohl ermöglichen, zu verkaufen – „zu sehr niedergeprügelten Werten an russische Eigentümer“, schätzt Deuber.
„Es gibt ein Eigeninteresse, dass Ausländer ihre Vermögenswerte, Finanzanlagen und Direktinvestitionen verkaufen. Russland wird also einen gewissen Kapitalabfluss in kontrollierter Art zulassen.“ Die Prognose der RBI lautet, dass der Dollar-Rubel-Kurs bei „85 bis 100“ zu liegen kommen wird, der Euro-Rubel-Kurs bei „90 bis 100“, so Deuber.
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