Nehammer und Kogler bei ÖFB-Sensation in Berlin - eisige Stimmung in Wien
Sie leben in Scheidung, sie sagen das auch so - und dennoch wollen Volkspartei und Grüne ihre Koalitions-"Ehe" geordnet abwickeln - in beiderseitigem Interesse.
Nachdem die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler mit ihrem Ja zum EU-Renaturierungsgesetz aus Sicht der ÖVP die Verfassung gebrochen und sich damit eine Strafanzeige bei der Justiz "verdient" hat, ist das koalitionsinterne Klima belastet, um nicht zu sagen: zerstört.
Vergangene Woche hat die Kanzlerpartei das physische Treffen aller Minister kurzerhand abgesagt.
Weil keine wichtigen Entscheidungen anstanden, wie es im Umfeld von Karl Nehammer kalmierend hieß.
Weil die ÖVP beleidigt sei, wie die Grünen konterten - immerhin habe man ursprünglich ja sehr wohl ein Treffen im Kanzleramt anberaumt.
Wie dem auch sei: Am Mittwoch wird es wieder soweit sein: Die Teams von ÖVP und Grünen treffen einander am grünen Filztisch.
Und vielleicht hat das Match von Österreich gegen die Niederlande bei der Europameisterschaft seinen Teil dazu beigetragen, dass am Ende doch nicht alles so frostig wird, wie ÖVP-Ministerin Karoline Edtstadler Montagabend in der ZIB2 prophezeite.
Warum der Fußball?
Nun, sowohl Vizekanzler Werner Kogler als auch ÖVP-Chef Nehammer waren Dienstagabend ins Berliner Stadion geladen, um bei der Europameisterschaft der letzten Gruppenphasen-Partie der österreichischen Nationalelf beizuwohnen. Ob die beiden Parteichefs Schulter an Schulter oder doch jeder für sich das Match verfolgen würden, das konnten oder wollten die beiden Mitarbeiterstäbe nicht sagen. Zumindest nicht vor der Partie. Jedenfalls crashten die beiden Parteichefs nach der Sensation des ÖFB-Teams die Kabinenparty der Spieler.
Kogler jedenfalls nutzt die Gelegenheit für eine "größere Tour", er dreht eine Runde bei seinen deutschen Parteifreunden. Für Mittwoch hat Österreichs Vizekanzler unter anderem Termine bei Amtskollege Robert Habeck und Ernährungsminister Cem Özdemir eingetaktet. Kogler wird deshalb auch nicht physisch am Ministerrat teilnehmen. Das Treffen in Berlin war lange ausgemacht, erklärt man in der grünen Parteiführung. Und zwar zu einer Zeit als Gewesslers kolportierter "Verfassungsbruch" noch gar kein Thema war.
Unabhängig davon wollten die Regierungsteams von ÖVP und Grünen am letzten Mittwoch im Juni auch Inhalte bzw. gemeinsame Vorlagen für den Ministerrat präsentieren. Den ganzen Dienstag über wurde verhandelt, wurden Nachrichten ausgetauscht und telefoniert. Doch die zuletzt angespannte Stimmung drückt offenbar auch auf die thematische Zusammenarbeit. Bis in die Abendstunden blieb unklar, ob und was man jetzt noch gemeinsam präsentieren würde.
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