Übergangsminister in der Doppelrolle: Was sie tun - und wie es weitergeht
Da standen sie nun, fein aufgereiht nach Dienstalter, in Maria Theresias früherem Schlafzimmer und harrten der Dinge: Mittwochmittag wurde die gesamte Bundesregierung in der Präsidentschaftskanzlei vorstellig. Und nachdem Alexander Van der Bellen in seinem Büro gute fünf Minuten alleine mit dem Kanzler und dem Vizekanzler geplaudert hatte, traten die Minister geschlossen zurück – um vom Bundespräsidenten anschließend mit der Weiterführung der Amtsgeschäfte betraut zu werden. So will es die Verfassung.
Es gehört zu den juristischen Feinheiten, dass man darüber streiten kann, ob Karl Nehammer weiter Kanzler ist.
Klingt absurd? Ist es nicht, zumindest nicht ganz. Denn die Verfassung spricht bei „einstweiligen Bundesregierungen“ zwar von einem „Vorsitzenden der einstweiligen Bundesregierung“ – aber nicht explizit vom Bundeskanzler.
Braucht Nehammer also neue Visitkarten? Nicht wirklich. Mit dem Blick auf die gesamte Verfassung gehen Rechtswissenschafter heute davon aus, dass der Kanzler – gemäß „Staatspraxis“ – weiter Kanzler ist.
Bei seinem Stellvertreter ist die Sache klar – und ganz anders. Im Übergang kennt die Verfassung keinen Vizekanzler. Werner Kogler muss deshalb auf den Titel und damit einen Teil seiner Gage verzichten. Er ist „nur noch“ Beamten- und Sportminister.
Mandat & Ministeramt
Um die Sache noch komplexer zu machen, tritt ein Großteil der Regierungsriege übrigens bald in einer Doppelrolle in Aktion: Wenn sich am 24. Oktober der neue Nationalrat konstituiert, haben Nehammer und Co. Anspruch auf ein Nationalratsmandat, weil sie bei der Wahl auf den Bundes- bzw. Landeslisten ihrer Parteien kandidiert haben.
Wie der KURIER erfuhr, werden sie dieses annehmen und beide Tätigkeiten ausüben – bis eine neue Regierung angelobt wird.
Das gilt bei den Grünen für alle bis auf Johannes Rauch (Soziales, Gesundheit) und bei der ÖVP für alle bis auf Martin Polaschek (Bildung), Martin Kocher (Arbeit und Wirtschaft), Alexander Schallenberg (Äußeres) und Susanne Kraus-Winkler (Tourismus), weil sie nicht kandidiert haben.
Doppelte Rolle, einfaches Gehalt
Wie sich diese Doppelrolle gestaltet, damit hat Alois Stöger, SPÖ-Abgeordneter und früherer Minister, in der Zeit der auslaufenden SPÖ-ÖVP-Regierung von Christian Kern (SPÖ) Erfahrungen gemacht. Konkret zwischen November und Dezember 2017.
„Ich bin am Abgeordnetenplatz im Klub gesessen und habe ganz normal abgestimmt, unter anderem bei der Wahl der Nationalratspräsidenten. Wenn ich als Minister gebraucht wurde, zum Beispiel bei dringlichen Anfragen, dann bin ich nach vorne zur Regierungsbank gegangen“, schildert er.
Ein doppeltes Gehalt gibt es in dieser Phase nicht. Ausbezahlt wird nur das höhere, also das Ministergehalt.
4. Oktober
Bundespräsident Alexander Van der Bellen startet die Gespräche mit den Chefs der fünf künftig im Parlament vertretenen Parteien – in der Reihenfolge ihrer Stärke bei der Wahl. Den Anfang macht FPÖ-Chef Herbert Kickl um 13 Uhr.
7. Oktober
Van der Bellen spricht mit ÖVP-Chef Karl Nehammer und SPÖ-Chef Andreas Babler.
8. Oktober
Um 10.30 Uhr ist Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger bei Van der Bellen, um 13.30 Uhr Grünen-Chef Werner Kogler.
16. Oktober
Die Bundeswahlbehörde gibt das endgültige Wahlergebnis und die Anzahl der Vorzugsstimmen bekannt. Entsprechend ihrer Listen besetzen die Parteien ihre Mandate.
24. Oktober
Konstituierende Sitzung des Nationalrats und Wahl der drei Nationalratspräsidenten. Die Parlamentsklubs wählen intern ihre Klubchefs.
Noch kein Termin
Wann die Parteien mit Sondierungs- bzw. Koalitionsgesprächen beginnen, ist offen. Ebenso, wann der Bundespräsident einem Parteichef den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt.
Handysicherstellung beschließen und umsetzen
Und die Gewaltenteilung? Das Parlament ist die Legislative und beschließt Gesetze, die Regierung ist Exekutive und setzt sie um. Geht beides?
Stöger sieht kein Problem: „Von einem Minister werden in dieser Übergangsphase keine politischen Entscheidungen getroffen, die eine neue Regierung binden würden. Man verwaltet nur und nimmt Termine wahr. Auch im Nationalrat werden in einer Zeit, wo es keine Koalition gibt, normalerweise keine wichtigen Gesetze beschlossen.“
Normalerweise. Heuer gibt es tatsächlich einen Fall, der spannend werden könnte: Das Parlament muss noch eine Neuregelung der Handysicherstellung auf die Beine stellen, weil der Verfassungsgerichtshof die aktuelle Regelung per Jahresende kippt.
Nun gibt es einen Gesetzesentwurf, den Alma Zadić als Justizministerin und Karoline Edtstadler als Verfassungsministerin gemeinsam erarbeitet haben. Wird dieser (in modifizierter Form, weil nachverhandelt wird) beschlossen, dann wohl mit den Stimmen von Zadić und Edtstadler in ihren Rollen als Mandatarinnen von Grün bzw. Türkis. Und so lange es keine neue Regierung gibt, wird Zadić die neue Regelung auch als Ministerin umsetzen.
Sobald die neue Regierung dann angelobt ist, werden jene, die ihr angehören, ihre Mandate wohl ruhend stellen oder abgeben – und andere Personen von den Listen der Parteien rücken nach. Das ist österreichische Usance, keine Pflicht: Laut Bundesverfassung wäre es prinzipiell erlaubt, diese Doppelrolle dauerhaft auszuüben. Ein historisches Beispiel ist Bruno Kreisky: Der SPÖ-Politiker war während seiner Amtszeit als Bundeskanzler (1970 bis 1983) gleichzeitig Nationalratsmandatar.
"Business as usual"
Bleibt eine Frage: Was haben die Mitglieder der „einstweiligen Regierung“ unter ihrem „Vorsitzenden“ noch zu tun?
Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und Außenminister Alexander Schallenberg werden angesichts der sicherheitspolitischen Lage in Israel weiterarbeiten wie bisher.
Für Innenminister Gerhard Karner steht kommende Woche der EU-Rat für Inneres und Justiz in Luxemburg an. Generell wollen alle Ressortchefs zu den jeweiligen EU-Räten reisen. Klimaministerin Leonore Gewessler plant zudem an zwei UN-Konferenzen teilzunehmen – eine Ende Oktober in Kolumbien, eine im November in Aserbaidschan.
Magnus Brunner wird sich im November dem Hearing als EU-Kommissar stellen und (falls er es schafft) dann sein Mandat im Nationalrat und sein Amt als Finanzminister zurücklegen.
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