GPA-Chefin kritisiert ÖVP: "Bashing von Teilzeit-Kräften ist realitätsfremd"
Wer weiß, welche Reformen jetzt nötig sind, um Österreich als Wirtschaftsstandort zukunftsfit zu machen? Geht's nach Spitzengewerkschafterin Barbara Teiber, sind es unter anderem die Sozialpartner, also: die Unternehmer und die arbeitenden Menschen in diesem Land.
Doch der Eindruck, den Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) kürzlich vermittelt habe, sei ein anderer: "Er stellt sich auf Pseudogipfeln mit Arbeitgeber-Vertretern vor die Kameras und erklärt, was der Wirtschaftsstandort benötigt. Einseitiger geht's nicht", sagt die Chefin der Angestelltengewerkschaft GPA im Gespräch mit dem KURIER. "Die Arbeitnehmer-Vertreter dürfen immer nur dann auftreten, wenn es um Krisenbewältigung geht. Bei Ideen für den Standort sind sie nicht gefragt. Das ist enttäuschend."
Teiber ist auf Platz 3 der Wiener SPÖ-Landesliste, sie wird aller Voraussicht nach dem nächsten Nationalrat angehören und damit im Klub eine wesentliche Rolle spielen.
Was sagt sie zur jüngsten Budget-Debatte, welche Schwerpunkte würde sie als Sozialdemokratin legen?
"Dass man in sechs Monaten ein Defizit von fast 14 Milliarden Euro anhäuft ohne Investitionen in die Infrastruktur und damit in die Zukunft zu machen, ist nachgerade beängstigend. Was hat Herr Brunner eigentlich die ganze Zeit gemacht?"
Konsolidierung
Teiber geht deshalb davon aus, dass die nächste Regierung einen Konsolidierungskurs einschlagen muss. Und sie warnt davor, die Lohnnebenkosten zu senken: "Das ist eine alte, durchschaubare Leier. In den letzten Jahren wurden die Lohnnebenkosten um 15 Milliarden Euro gesenkt. Der Effekt war aber nicht, dass die Arbeitnehmer mehr am Konto hatten, sondern dass Steuergeschenke an Industrie und Unternehmer verteilt wurden. Die Lohnnebenkosten fließen in Bereiche wie die Sicherung von Pensionen und Gesundheitsversorgung. Wer hier sparen will, muss auch dazusagen, dass er entweder kürzt - oder aus dem Budget zuschießt."
Das größte Problem in Sachen Wettbewerbsfähigkeit sind für Teiber die "exorbitanten Energiekosten", die man dringend mit Markteingriffen hätte beheben müssen. "Und wenn uns Geschäftsführer in Unternehmen berichten, dass ihre Mitarbeiter in kleinere Wohnungen wechseln oder in Wohngemeinschaften ziehen, weil sie sich das Mieten nicht mehr leisten können, ist Feuer am Dach. Wir reden hier nicht von Mindesthilfe-Beziehern, sondern von hart arbeitenden Menschen."
Teiber redet einem neuen Mietrechtsgesetz, einer Zweckwidmung der Wohnbeihilfe und "massiven Investitionen in den genossenschaftlichen Wohnbau" das Wort. "Es geht darum, dass die öffentliche Hand dauerhaft Hebel hat, um Wohnen leistbar zu machen."
Angesichts des "Scherbenhaufens", der im Budget hinterlassen worden sei, würde Teiber überlegen, ob Maßnahmen wie die zweimalige Senkung der Körperschaftssteuer nicht rückgängig gemacht werden müssen. "Und wenn wir bei wesentlichen Fragen wie der Daseins- und Gesundheitsvorsorge nicht einsparen wollen, müssen neue Einnahmequellen erschlossen werden. Das SPÖ-Modell der Millionärssteuer, die Häuslbauer dezidiert ausnimmt, ist ein sehr gutes.“
"Bashing von Teilzeitkräften"
Ärgerlich findet die GPA-Chefin das auch von Regierungsmitgliedern praktizierte „Bashing von Teilzeitkräften“: „Natürlich gibt es Arbeitnehmer, die freiwillig ihre Stunden reduzieren. Gerade in großen Branchen wie dem Lebensmittelhandel ist das aber realitätsfremd. Hier wollen viele – vor allem Frauen – Stunden aufstocken. Aber selbst für stellvertretende Filialleiter suchen die Unternehmen mitunter nur Teilzeit-Kräfte, weil man diese bei Krankenständen, Urlauben und Schichtdiensten leichter verschieben kann."
Wer behaupte, Teilzeit-Kräfte würden aus Bequemlichkeit nur wenige Stunden arbeiten, verkenne die Realität und verhöhne die Mitarbeiter. Die Gewerkschaft habe vorgeschlagen, einen Rechtsanspruch für das Aufstocken von Stunden einzuführen. „Wer glaubt, Teilzeitkräfte würden mehrheitlich freiwillig wenig arbeiten, der kann eigentlich nichts gegen diesen Vorschlag haben.“
"Für Babler ist alles drinnen"
Was den SPÖ-Wahlkampf angeht, ist Teiber optimistisch. „Für Andreas Babler ist alles drinnen, er kann Energie erzeugen, ist authentisch und das Thema des leistbaren Lebens ist genau das richtige.“ Der Höhenflug der FPÖ schmerzt sie. „Die Festungsfantasien machen mir Sorgen. Als kleine Volkswirtschaft müssen wir offen sein, um qualifizierte Arbeitskräfte zu halten. Abschottung schadet der Wirtschaft – und vernichtet Arbeitsplätze und Wohlstand.“
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