Nach Kickls Corona-Tour: Ehemalige FPÖ-Granden üben harte Kritik
Die Kritik am Corona-Kurs von FPÖ-Chef Herbert Kickl wird lauter – auch in den eigenen Reihen. Ein Mitgrund: Nach einer blauen „Freiheitstour“ im Spätherbst ist an Veranstaltungsorten die Zahl der Corona-Infizierten in die Höhe geschnellt. Etwa im Kärntner Bezirk Wolfsberg: Am 5. November war die FPÖ-Spitze in einem Gasthaus in St. Andrä zu Gast.
An dem Event nahmen 300 Besucher teil, unter anderem der bekannte Volksmusikant Ludwig Ladstätter, der wenig später an Corona erkrankte und starb. Der Bezirk Wolfsberg verzeichnet eine Sieben-Tage-Inzidenz von über 2.000 und ist damit Österreichs aktueller Corona-Hotspot.
Volksfeststimmung
Die SPÖ-Kärnten sieht einen Zusammenhang mit der FPÖ-Tour. Landeshauptmann Peter Kaiser verwendete am Mittwoch die Bezeichnung „politische Scharlatane“ – er meinte wohl Kickl, ohne ihn namentlich zu erwähnen. Das Coronavirus könne man nicht „mit gefährlichen Tierpräparaten“ besiegen, warnte Kaiser. Kickl hatte unter anderem das Pferdeentwurmungsmittel Ivermectin zur Behandlung einer Corona-Infektion empfohlen. Experten sowie der Hersteller raten dringend davon ab, während sich Wurmmittel-Schmuggler laut österreichischem Zoll aktuell über ein äußerst florierendes Geschäft freuen.
Christian Ragger, Nationalrat und Wolfsberger FPÖ-Bezirksparteichef, sagt zum KURIER, dass bei dem Event die 3-G-Regel gegolten habe und extra „ein Sicherheitsteam engagiert wurde, um alle Daten“ der Besucher aufzunehmen. Einen Zusammenhang zwischen Kickls Besuch und den steigenden Infektionszahlen weist Ragger entschieden zurück, die steigende Inzidenz hänge mit Infektionen unter Jugendlichen zusammen: „Im Stiftsgymnasium St. Paul gab es innerhalb einer Woche 100 Infektionen unter den Schülern, mittlerweile ist das Gymnasium geschlossen.“
Doch nicht nur in Kärnten, auch in Niederösterreich trat nach einem Termin der FPÖ-Freiheitstour ein örtlicher Anstieg der Infektionszahlen auf. In Feistritz am Wechsel (Bezirk Neunkirchen) könnte ein Corona-Cluster mit einem Auftritt von Kickl und Gefolge am 23. Oktober zusammenhängen.
An die 200 Anhänger hatten sich vor der Bühne der Freiheitlichen beim Gasthaus Burgkeller versammelt – zu Volksfeststimmung. Dass weder Babyelefant noch Maske bei den Besuchern zu sehen waren, wurde von Kickl, Niederösterreichs FPÖ-Chef Udo Landbauer und Parteikollegen lautstark bejubelt.
14 Tage nach dem Event zählte die 1.000-Seelen-Gemeinde Feistritz die höchste Zahl an positiven Fällen. 57 waren es, bestätigt ÖVP-Bürgermeister Franz Sinabel. Der eklatante Anstieg an Infektionen sei auffällig gewesen, vor Schuldzuweisungen will sich der Ortschef aber hüten. Das Wirtshaus, bei dem die „Freiheitstour“ stattfand, war von dem Cluster betroffen und musste geschlossen werden. Der Wirt selbst hatte am Tag des Events bereits Symptome.
Kritische Granden
Mittlerweile mehren sich auch in der FPÖ die kritischen Stimmen gegen Kickls impfskeptischen Kurs. Nach Andreas Mölzer - er ist für die Impfpflicht - üben im KURIER nun auch die ehemalige Vizekanzlerin Susanne Riess und der damalige Staatssekretär für Gesundheit, Gerhart Waneck, Kritik.
Riess, die sich zuvor jahrelang nicht mehr politisch geäußert hat, wird besonders deutlich und fordert strafrechtliche Konsequenzen für Kickls Agitation: „Ich halte die Politik von Herbert Kickl für verantwortungslos und verstehe auch nicht, dass man dagegen nicht mehr unternehmen kann.“ Eine solche Politik hätte es unter Jörg Haider nicht gegeben, sagt Riess.
Umdenken bei Kickl?
Ein „absoluter Impfbefürworter“ ist Waneck. Er ist selbst dreimal gegen Corona geimpft und sei von der Richtigkeit der Impfung überzeugt. Deshalb habe er „ein schlechtes Gefühl“, wenn FPÖ-Politiker öffentlich dagegen auftreten. Allerdings habe er bei Kickl ein Umdenken wahrgenommen: „Ich habe mit Herbert Kickl gesprochen, und er nimmt mittlerweile einen liberaleren Standpunkt ein. Er hat mir gesagt, jeder in der FPÖ soll selbst entscheiden, ob er sich impfen lassen möchte.“ Die Hälfte der FPÖ-Mitglieder sei mittlerweile geimpft, so Waneck.
In einem Punkt gibt er Kickl recht: „Die geplante Impfpflicht mit den kolportierten Strafen halte ich für demokratiepolitisch bedenklich.“ Massive Aufklärungskampagnen und positive Anreize müssten das Mittel der Wahl sein, um die Impfquote zu steigern.
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