Ministerin Klaudia Tanner: "Der Terror hätte gesiegt, wenn wir Angst haben"
KURIER: Frau Ministerin, bei der Präsentation der Leistungsschau auf dem Heldenplatz haben Sie gesagt, das Bundesheer ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Wie ist das gemeint?
Klaudia Tanner: Gemeint ist, dass man die Soldatinnen und Soldaten als das sehen soll, was sie sind: Menschen wie du und ich, Söhne, Töchter, Brüder, Schwestern. Und das Thema der Landesverteidigung ist ganz einfach wieder ins Zentrum der Gesellschaft gerückt. Das spürt man und das ist gut so.
Wie wichtig ist Ihnen eigentlich diese Heeresschau? Die war ja nicht immer unumstritten.
Diese Leistungsschau ist derzeit umso wichtiger. Wir haben erstmals wieder eine Parade am Tag der Leutnante in Wiener Neustadt gehabt. Genau auf öffentlichen Plätzen, unter den Menschen. Das ist nicht nur mir wichtig, sondern auch den Österreicherinnen und Österreichern. Am Nationalfeiertag, an dem wir der Entstehung des Verfassungsgesetzes über die Neutralität gedenken.
Wenn wir kurz bei der Neutralität bleiben: Von der FPÖ werden Sie ja kritisiert, dass Projekte wie der Abwehrschirm Sky Shield die Neutralität verletzen.
Diejenigen, die sicherheitspolitischen Verrat an unserer Heimat betrieben haben und betreiben, tragen jetzt plötzlich das Schild der Wehrpolitik vor sich her. Eine Neutralität allein hilft ja nie, nur eine wehrhafte Neutralität hilft. Aber was hat man in den vergangenen Jahren da gemacht, vor allem der Herr von rechts – genau gar nichts. Ich verstehe nicht, wie man in solch sicherheitspolitisch herausfordernden Zeiten dagegen sein kann, die Österreicher vor den Bedrohungen aus der Luft schützen zu wollen.
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Die Heeresschau findet diesmal unter schwierigen Rahmenbedingungen statt. Wir haben den Ukrainekrieg und den Konflikt im Nahen Osten, aber wir haben vor allem eine erhöhte Terrorwarnstufe. War da nie daran gedacht, deswegen die Präsentation auf dem Heldenplatz diesmal abzusagen?
Natürlich ist es sehr herausfordernd, diesmal die Leistungsschau, den Nationalfeiertag so durchzuführen. Wir müssen auch permanent die Lageentwicklung und die Lage insgesamt im Auge behalten. Natürlich haben wir auch weitere Sicherheitsvorkehrungen treffen müssen, die wir laufend anpassen. Auf der anderen Seite hätte der Terror dann gesiegt, wenn wir Angst haben und diese auch walten lassen. Das darf nicht sein.
Innen- und Verteidigungsministerium haben die Terrorwarnstufe ausgerufen. Was ist da die Rolle des Heeres?
Es ist eine zusätzliche Assistenzanforderung gekommen. Dazu hat es auch einen Ministerratsvortrag gegeben. Das heißt für uns, dass wir Einrichtungen wie jene der Israelitischen Kultusgemeinde speziell überwachen. Das passiert alles im Auftrag der Landespolizeidirektion. Da sind jetzt bis zu 90 speziell geschulte Kräfte zusätzlich im Einsatz – insgesamt damit bis zu 190 Soldatinnen und Soldaten.
Der Stadttempel in der Wiener Seitenstettengasse wurde aber bis zu dem Zwischenfall mit der Israelfahne nicht extra bewacht.
Was den Zeitrahmen und den Ort betrifft, wo wir Assistenz leisten, das liegt alles in der Verantwortung des Innenministeriums. Das ist nichts Neues. Wir dürften gar nicht selbst entscheiden, wo wir uns hinstellen. Mittlerweile gibt es aber für den Stadttempel eine veränderte Assistenzanforderung.
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Wie gut ist eigentlich die Gesprächsbasis mit der Israelitischen Kultusgemeinde? Die soll ja nicht immer reibungslos gewesen sein.
Wir haben einen sehr guten Austausch. Ich kenne Oskar Deutsch schon sehr lange. Über das Mauthausen Memorial haben wir auch eine Partnervereinbarung, die unsere Grundwehrdiener betrifft, weil uns das Thema ganz wichtig ist. Die Assistenzanforderungen für jüdische Einrichtungen hatten wir ja schon nach dem furchtbaren Terroranschlag 2020. Die Beziehung ist gut und intensiv.
Soldaten im Libanon
Die größte Gefahrenzone ist der Nahe Osten selbst. Jetzt gibt es noch immer rund 160 Soldatinnen und Soldaten, die im Libanon an der Grenze zu Israel im Einsatz sind. Was ist hier geplant?
Da ist es so, dass wir die Lage permanent mitverfolgen. Es hat immer wieder Warnungen gegeben, wo dann die entsprechenden Zufluchtsorte aufgesucht werden mussten. Das Kommando haben derzeit die Vereinten Nationen über UNIFIL. Derzeit sind die Soldaten durchaus geschützt, sofern man das in diesen Zeiten sagen kann. Jede Entscheidung, die getroffen werden müsste, ist ja geübt. Aber zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht zu sehen, dass die Vereinten Nationen an einen Abzug denken würden. Im Camp, wo unsere Soldaten sind, ist der Schutz schon ein sehr hoher.
Das Jagdkommando ist im Nahen Osten an den österreichischen Botschaften im Einsatz?
Wir haben von Beginn an die Kriseninterventionsteams im Einsatz. Beginnend in Tel Aviv über Amman bis nach Beirut.
Verbunden mit dem Einsatz im Nahen Osten ist aber auch, dass man Österreicher aus Israel ausfliegen wollte und die Hercules wegen verschiedener Defekte nicht abheben konnte.
Welche Überraschung. Deswegen war es auch einer meiner ersten Aufträge als Verteidigungsministerin, für eine Nachbeschaffung unseres Transportsystems sich umzuschauen. Damals war noch Robert Brieger unser Generalstabschef. In der Zwischenzeit ist auch schon die Entscheidung gefallen, dass vier C-390 von Embraer angeschafft werden. Was allerdings unsere Technikerinnen und Techniker leisten, dass ein Gerät, das älter ist als ich, noch einsatzfähig ist, muss auch gesagt werden. Viel wichtiger ist aber, dass die Evakuierungsmaßnahmen, wo das Außenministerium federführend war, letztendlich perfekt funktioniert haben. Dass alte Gerätschaften jetzt erneuert werden müssen, das tun wir auch. Schritt für Schritt. Leider hatte das keiner meiner Vorgänger getan.
Modernes Heer ab 2032
Wie lange wird es noch dauern, dass man sagen kann, das Heer ist wieder top ausgerüstet?
Wir haben das Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz. Da reicht der Aufbauplan bis zum Jahr 2032. Unser Planungschef, Generalmajor Hofbauer, sagt, dass wir da schon noch ein Plus dazuschreiben müssen. Dieser Weg wird auch 2032 noch nicht zu Ende sein. Aber wir sind dann so weit, dass wir unsere Kapitel, von der Transportfähigkeit über die Schutzausrüstung unsere Soldaten bis hin zu einer moderneren Infrastruktur und einem Schutz gegen Bedrohungen aus der Luft, abgeschlossen haben. Dennoch muss der Weg weiter beschritten werden, weil auch der technische Fortschritt nicht stehen bleibt. Aber 2032 sind wir dennoch so weit, dass man dann von einer modernen Armee sprechen kann.
Und das große Projekt Sky Shield gegen Bedrohungen aus der Luft ist mittlerweile auf Schiene?
Es steht außer Frage, dass wir insbesondere gegen verschiedenste Bedrohungen aus der Luft etwas tun müssen. Wir haben uns da gemeinsam mit Deutschland für das System Iris-T entschieden. Es wird jetzt auch ein Memorandum of Understanding unterzeichnet, wobei wir hier sehr eng mit der Schweiz abgesprochen sind.
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