"Milliardenbeträge scheinen in Österreich keine Rolle mehr zu spielen"
Am Mittwoch präsentierte die türkis-grüne Bundesregierung den Energiekostenzuschuss für energieintensive Unternehmen. Wirtschaftsvertreter haben lange darauf gewartet, Agenda-Ökonom Marcell Göttert kann die Freude nicht teilen.
KURIER: Der Energiekostenzuschuss für Unternehmen kommt jetzt in Form eines Vier-Stufen-Modells. Halten Sie ihn für treffsicher?
Marcell Göttert: Es ist wieder eine Gießkanne par excellence, die jetzt noch einmal ausgeschüttet wird, ähnlich wie bei den Hilfen für die Haushalte. Zwar wird über die vier Stufen einen Tick mehr differenziert, aber das ist auch mehr Schein als Sein. Zirka drei Prozent Energiekosten muss ein Unternehmen haben, in Relation zum Umsatz: Das ist ein sehr großer Haufen an Unternehmen. Und die Kleinunternehmen müssen nicht einmal drei Prozent Energiekosten nachweisen, die werden durch die Bank mitgefördert. Also dürfte der Großteil der österreichischen Unternehmen schon einmal anspruchsberechtigt sein.
Ist das Gesamtvolumen von 1,3 Milliarden Euro gerechtfertigt?
Milliardenbeträge scheinen sowieso keine große Rolle mehr zu spielen in diesem Land. Jetzt kommen noch einmal 1,3 Milliarden Euro zu den rund drei bis vier Milliarden für die Haushalte im Rahmen der Strompreisbremse. Also sind wir bei vier bis fünf Milliarden. Vor Corona wären das unheimlich große Summen gewesen, mit denen man nicht einfach so hantiert. Jetzt hat man eigentlich schon den Eindruck: Wenn ein Programm keine Milliarde groß ist, dann ist es kein richtiges Programm.
Größere Unternehmen müssen einen Betriebsverlust nachweisen, um die Förderung zu bekommen. Hätte man das auch für die kleinen und mittleren so regeln sollen?
Vielleicht nicht unbedingt das, aber man hätte sich zumindest die Situation des jeweiligen Unternehmens noch einmal konkret anschauen können. Man würde jetzt schon Unternehmen fördern, die nicht unbedingt förderbedürftig sind. Da scheinen sich die Ministerien zwar Gedanken gemacht zu haben, aber zumindest bei der Umsetzung spiegelt sich davon nicht viel wider.
Die Hilferufe aus der Unternehmerwelt waren und sind aber sehr laut. Dem Wirten, dessen Energiekosten sich vervielfachen, muss man wohl irgendwie helfen. Welche Hilfe hätten Sie denn vorgeschlagen?
Wir glauben zum Beispiel, dass man viel stärker auf Kredite und Garantien hätte setzen sollen. So hätten sich die Mitnahmeeffekte verringert, dann müssen die Unternehmen das Geld auch wieder zurückzahlen und haben nicht einfach pauschal den Tausender von der Regierung. Zudem hätte man sich anschauen können, wie stark die Unternehmen überhaupt die höheren Preise an die Kunden weitergeben. Wenn sie das sowieso können und die Kunden mit den Anti-Teuerungsmaßnahmen sowieso schon kompensiert wurden, dann muss ich den Unternehmen ja nicht mehr helfen. Ja, die Energiekosten sind für das Unternehmen gestiegen. Dafür nimmt es aber auch mehr ein und dem Kunden hab ich das Geld schon in die Hand gedrückt.
Auf EU-Ebene liegt Österreich mit den Hilfen jedenfalls im Spitzenfeld.
Ich sehe eine gewisse Gefahr ist, dass es zu einem Förderwettbewerb kommt. Wir reden immer wieder von einem „race to the bottom“, was die Steuersätze angeht: Also, dass ein Land das andere unterbietet. Jetzt muss man eher wohl Angst davor haben, dass Länder innerhalb der EU immer höhere Förderungen auf den Tisch legen und darauf schauen, die eigenen Unternehmen immer stärker zu fördern als andere Länder. Die österreichische Bundesregierung stellt sich schon seit Corona sehr gerne hin und sagt, dass sie die größten Pakete EU-weit für ihre Bürger geschnürt hat. Aber es ist ja nicht Sinn und Zweck der Sache, dass man die meisten Milliarden pro Kopf raushaut.
ÖVP und Grüne haben in den vergangen Tagen über eine Verbotsliste für Betreibe diskutiert, die den Zuschuss bekommen wollen. Nun sind Heizschwammerl verboten, Flutlicht aber zum Beispiel nicht. Würden Sie das als gerecht bezeichnen oder werden gewisse Branchen benachteiligt?
Auch hier: Es wäre viel einfacher, zu einem gewissen Anteil die Preise wirken zu lassen. Wenn man nicht pauschal mit der Gießkanne Geld verteilt, muss man sich über sowas auch gar keine Gedanken machen. Sobald die Preise beim Unternehmer ankommen, überlegt er sich doch, ob er das Heizschwammerl draußen aufstellt oder nicht. Und wenn sich das finanziell nicht lohnt, macht er das sowieso nicht. Er will ja genuin Geld verdienen und die Kosten im Hinterkopf haben. So funktioniert das in der Marktwirtschaft.
Glauben Sie, dass noch weitere Unternehmenshilfen folgen?
Die Energiekosten werden nicht von heute auf morgen sinken. Die werden 2023 noch hoch bleiben, vielleicht sogar ein bisschen länger. Es ist also zu befürchten, dass diese 1,3 Milliarden nicht die letzten gewesen werden. Dann wird die Wirtschaft nach neuen Euros rufen.
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