Wortgefechte: Warum es zwischen Mikl-Leitner und Kogler kracht
Es ist kein Zufall, dass Johanna Mikl-Leitner und Werner Kogler aneinandergeraten sind. Jetzt wird es Schwerstarbeit, die Stimmung in der Koalition aufrecht zu erhalten.
Er sehe die Diskussion als „Beginn einer Sommerlochdebatte“. ÖVP-Finanzminister Magnus Brunner versuchte, den Konflikt zwischen der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und dem grünen Vizekanzler Werner Kogler wegzulächeln, als er in der ORF-Pressestunde danach gefragt wurde.
Gelungen ist es ihm nicht, weil es um mehr geht, als dass man sich gegenseitig Kritik und auch Beleidigungen an den Kopf wirft. Es geht um zwei Regierungsparteien, die rund ein Jahr vor der kommenden Nationalratswahl um ihre Positionierung und um die Abgrenzung zum Koalitionspartner ringen. Und es geht um Niederösterreichs ÖVP, die sich nach der Wahlniederlage Ende Jänner neu aufstellt. Weg von der gescheiterten Miteinander-Politik, hin zu mehr Kante.
Entscheidend dafür war eine große Konferenz der ÖVP-Funktionäre in St. Pölten Ende Juni, bei der sich Johanna Mikl-Leitner einer Wahlanalyse und den Zukunftsforderungen stellte. Im Vorfeld tauchte erstmals der Begriff der „normal Denkenden“ auf, für die die Volkspartei Politik machen müsse. Als Gegensatz zu den „politischen Rändern“ auf der linken und der rechten Seite.
Ursprung der Wortwahl findet man bei der CDU
Der Ursprung dieser Wortwahl ist beim deutschen CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz zu suchen. Der hatte bei einem Auftritt in Berlin folgende Warnung ausgesprochen: „Es gibt doch inzwischen Shitstorms gegen jeden und alles, was von der Mehrheit als normal angesehen wird. Wir sollten gerade deshalb aufrecht zu unseren Positionen stehen.“
Bei den Funktionären kam diese neue Kante bei der Konferenz gut an. Bestärkt fühlte man sich durch den Aufschrei auf Twitter, als der Begriff „normal Denkende“ erstmals öffentlich verwendet worden war. Johanna Mikl-Leitner konterte gleich in mehreren Tageszeitungen mit Leserbriefen und Gastkommentaren. Da passte es für sie ideal, dass geplante neue Richtlinien für das Gendern für öffentliche Aufregung sorgten – auch, wenn diese der blaue Koalitionspartner losgetreten hatte.
Dem Chef der Grünen ist es natürlich ein Dorn im Auge, wenn ich ausspreche, was sich die Mehrheit denkt
von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner
Mikl-Leitner spricht von "Empörungs-Pingpong"
In einem der Texte schrieb sie vom „Empörungs-Pingpong“. Und: „Das Gendersternchen wird von den einen zum Allmächtigen und von den anderen zum Leibhaftigen stilisiert. Seine Abwesenheit gilt den einen als generelles Gender-Verbot und den anderen als potenzielles Ende des Gender-Wahns. Die politischen Ränder klatschen in die Hände – und die breite Mehrheit der Mitte schüttelt nur noch den Kopf.“
Dass es da zu einem Konter der Grünen kommen wird, war erwartet worden. Immerhin hatte die ÖVP immer wieder auch Seitenhiebe gegen Klimaschutzmaßnahmen ausgeteilt. Der Name der grünen Ministerin Leonore Gewessler wurde zwar nie genannt, es geht aber in ihre Richtung. Für den Großteil der schwarzen ÖVP-Vertreter gilt sie als politisches Feindbild. Was auch das Regierungsteam rund um Kanzler Karl Nehammer und der Klub zu spüren bekam, weil man der Klimaschutzministerin bei zu vielen Themen nachgegeben habe. So der Tenor der schwarzen Basis.
Ich finde diese Ausdrucksweise brandgefährlich und darüber hinaus präfaschistoid
von Vizekanzler Werner Kogler
Kogler wollte Unmut zeigen
Das alles dürfte zusammengespielt haben, dass der normalerweise auf Konsens ausgerichtete grüne Vizekanzler Werner Kogler im profil-Interview mit dem Wort „präfaschistoid“ tief in die Kiste gegriffen hat. Damit wollte er wohl dem Unmut in seiner Partei über den Koalitionspartner ein Ventil öffnen. Der wächst seit der Rede von Kanzler Karl Nehammer über seine Zukunftsstrategie in Richtung 2030. Da tauchten plötzlich die von den Grünen bereits abgeschriebenen Verbrennermotoren wieder auf.
Damals blieben die Grünen ruhig. Nehammer hatte allerdings alles im Vergleich zu den Niederösterreichern recht sanft formuliert. Da ließen die Aussagen von Mikl-Leitner – „Ich halte es nicht für richtig, den Klimaschutz gegen die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes und unseres Kontinents auszuspielen“ – schon eher den politischen Blutdruck ansteigen.
Dass die türkis-grüne Regierungskoalition trotz dieses heftigen Schlagabtausches noch immer nicht infrage steht, kann als Zeichen dafür gesehen werden, dass tatsächlich bis in den Herbst 2024 regiert werden wird. Auch wenn es für die Klubobleute Sigrid Maurer (Grüne) und August Wöginger (ÖVP) mittlerweile Schwerstarbeit sein dürfte, die Koalitionsstimmung aufrecht zu erhalten. Wobei am Montag seitens der ÖVP Generalsekretär Christian Stocker und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka mitgeholfen und für weniger Empörung und mehr Gelassenheit plädiert haben.
Entscheidend wird sein, ob und wie Niederösterreichs ÖVP mitspielt. Die scheint die Schockstarre nach der Wahlniederlage überwunden zu haben und sieht sich in dieser Debatte – auch innerparteilich – als Taktgeber. Vor allem wenn es um die Positionierung der ÖVP als Partei der Mitte geht. Vom Vizekanzler hat Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner gefordert, dass er sich für das Wort „präfaschistoid“ entschuldigen solle. Bisher gab es aber noch nicht einmal ein Telefonat zwischen Kogler und Mikl-Leitner.
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