"Präfaschistoid und brandgefährlich": So hat Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) im profil Aussagen von Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) bezeichnet. Mikl-Leitner hatte zuvor gemeint, sie wolle mit ihrer Politik die "große Mehrheit der Normaldenkenden" und deren Anliegen vertreten. Sie koaliert in Niederösterreich mit der FPÖ. Schwarz-Blau will unter anderem eine härtere Gangart gegen Klimakleber rechtlich verankern und Behörden das Gendern verbieten.
Die Kirche habe es auch "normal" gefunden, Frauen zu verbrennen, reagierte Kogler auf Mikl-Leitners "Normal"-Sager - und erhielt just heftigen Widerspruch vom Wiener Theologen Johannes Huber.
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Kogler meinte auch: In einer Demokratie gehe es zwar um Mehrheiten, die Politik müsse aber auch Minderheiten schützen. Mikl-Leitner wehrte sich gegen den Präfaschismus-Vorwurf: "Die politischen Ränder werden immer lauter und immer extremer. Wer in der Mitte steht, wird von den Rechten als links und von den Linken als rechts beschimpft - jetzt sogar faschistisch."
Als "faschistisch" hat Kogler die schwarz-blaue Koalition in Niederösterreich zwar (noch) nicht bezeichnet. Aber: Was bedeutet überhaupt "präfaschistoid"?
Wegbereiter der Nazis
Vorab: Abschließend klären lässt sich diese Frage nicht. Eine historisch präzise oder offizielle Definition von "Präfaschismus" gibt es nämlich nicht. In der Geschichtswissenschaft taucht der Begriff dennoch punktuell auf. Das lateinische "Prä" bedeutet so viel wie "vor etwas liegend". Am häufigsten wird der Begriff "Präfaschismus" deshalb im Zusammenhang mit Ideologien verwendet, die dem Faschismus den Weg bereiten oder dessen Fundament darstellen. Ein Beispiel für Präfaschismus wären also nationalistische, fremdenfeindliche und antiliberale Bewegungen in der Zeitspanne vor der Machtergreifung Adolf Hitlers in Deutschland, 1933.
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Ein Beispiel mit Aktualitätsbezug, das zumindest ansatzweise zu Koglers Aussage passt, liefert der Soziologe Matthias Quent in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung von 2019: Präfaschisten stünden in der Tradition derjenigen, die eine "konservative Revolution" wollten, so Quent. "Das sind Leute gewesen, die dem Nationalsozialismus den Weg bereitet haben, in dem sie Untergangsstimmung verbreiteten und das Vertrauen in die liberale Demokratie zerstörten." Quent bezeichnete etwa den deutschen Politiker Björn Höcke von der rechtsextremen AfD als Präfaschisten.
Eine Verbindung zum Nationalsozialismus ließe sich auch aus Koglers Aussagen herleiten. Inwiefern? Kogler bezeichnete Mikl-Leitners Landeshauptmann-Stellvertreter Udo Landbauer (FPÖ) und weitere blaue Funktionäre in der Kronen Zeitung im März als "Kellernazis". Landbauer ist Mitglied der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt, dass 1997 ein Liederbuch mit antisemitischen und rassistischen Texten veröffentlichte. Landbauer kündigte daraufhin an, rechtliche Schritte gegen Kogler zu erwägen. Kogler meint, er sei bisher nicht geklagt worden.
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