Migrationsexperte: Parteien brauchen "Angstszenarien"

Migration soll mit dem Pakt besser geregelt werden
Migrationsexperte Kilian Kleinschmidt sieht aktuell keine Flüchtlingsströme wie 2015 auf Europa zukommen.

Unternehmer und Migrationsexperte Kilian Kleinschmidt, der mehrere österreichische Bundeskanzler beriet, sieht aktuell keine Flüchtlingsströme wie 2015 auf Europa zukommen. "Ich sehe nicht, dass auf einmal wieder 500.000 Menschen vor der Tür stehen", sagte der Deutsche, der zurzeit in Tunesien lebt und arbeitet, im APA-Gespräch. Gefährlich sei aber die Möglichkeit von gelenkten Migrationsströmen, wie es etwa von rechtspopulistischen Parteien "entdeckt" wurde.

Diese Parteien bräuchten "Angstszenarien", um sich als starker Mann hinstellen zu können, aber "mit kurzfristigen Lösungen kommt man nicht weit", so der ehemalige Mitarbeiter des Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen. Als Folge der Machtübernahme der Taliban würden viele Intellektuelle versuchen, aus Afghanistan rauszukommen. Da werde es zu einer Bewegung Richtung Europa kommen, und das seien Leute "die wir aufnehmen sollen und auch müssen".

Humanitäre Not

Die zweite Baustelle sei eine humanitäre, es gebe eine Hungersnot in Afghanistan, die es auch schon vor vier Wochen gegeben habe. Das werde sich aber verstärken durch die Schwierigkeiten in der Finanzierung von humanitären Programmen.

Das könne zu einer Massenbewegung führen. "Die Nachbarstaaten haben ihre Grenzen zugemacht." Aber "das heißt noch lange nicht, dass alle Richtung Europa kommen"; außer der Flüchtlingsstrom werde instrumentalisiert und gefördert, wenn etwa jemand Tausende Afghanen in ein Drittland weiterfliegen lasse wie das jetzt etwa am baltischen Meer geschehe mit Weißrussland, so Kleinschmidt.

"Ich habe das damals verschiedenen österreichischen Kanzlern versucht zu erklären: Es ist vollkommen illusorisch, zu denken, dass man alle Grenzen dicht machen kann." Er sitze zurzeit in einem Land, in dem jede Nacht Dutzende von Booten loslegen könnten, von allen Seiten. Die Idee, dass man die Fluchtursachen zuhause bekämpfen müsse, ist in Kleinschmidts Augen "ein Blödsinn". Es gehe heute um moderne Menschen, die einfach Lust hätten auf eine moderne Welt. "Es geht darum, dass jeder Mensch in eine Position gebracht wird, wo er migrieren kann, wenn er will."

Migration reguliert sich selbst

Migration sei Evolution und reguliere sich selbst. Es gehe nicht darum Grenzen unkontrolliert zu öffnen, sondern darum, dass jeder einen Pass hat und die Möglichkeit zu reisen. Natürlich lasse sich niemand dort nieder, wo er keine Chancen habe. In Tunesien seien etwa zwölf Millionen Tunesier. Die Grenzen zu öffnen wäre gefahrlos.

Es gehe mehr um das Gefühl eingesperrt zu sein, nicht weg zu können, da wolle dann jeder raus. Die rund 50 Mitarbeiter in seinem Unternehmen seien im Durchschnitt 25, 26 Jahre alt. "Jeder redet von Europa, viele wollen nach Europa, aber die wollen da mal Urlaub machen", sagte Kleinschmidt. Das sei möglich, weil sie einen Arbeitsvertrag haben und ein Visum bekommen können. "Es geht um das Teilnehmen wollen an einer modernen Welt, nicht nur um Jobs und auf das blöde Klima in Europa hat auch niemand Lust."

Kommentare