Zur Erinnerung: Die Entscheidung des zuständigen Oberlandesgerichts Graz fiel im Mai 2023, wurde im Dezember 2023 rechtskräftig, aber erst am Montag, 26. Februar, im Rechtsinformationssystem (RIS) veröffentlicht.
Das Timing ist noch aus einem weiteren Gesichtspunkt spannend: An diesem Tag ist nämlich eine mögliche Straftat verjährt, auf die es im Urteilstext Hinweise gibt. Und wie es aussieht, hat diesen Verdacht vorher niemand geprüft.
„Unglaubwürdig“
Radasztics wurde disziplinarrechtlich wegen zwei Pflichtverletzungen verurteilt – eine davon war, dass er 2018 den damaligen Jetzt-Mandatar Peter Pilz über eine Weisung in der Eurofighter-Causa informiert hat.
2019 war strafrechtlich gegen Radasztics ermittelt worden. Pilz sagte als Zeuge aus, dass Radasztics ihm nur bestätigt habe, dass es eine Weisung gibt. Eine frühere Staatsanwältin aber erklärte, Radasztics habe die Weisung erwähnt und Pilz habe darauf mit einem überraschten „Oh, das interessiert mich jetzt aber“, reagiert. Als Pilz damit konfrontiert wurde, sagte er: „Das kann mit Sicherheit so nicht gewesen sein.“
Auf diesen Strafakt nahm das Disziplinargericht dann im Mai 2023 Bezug und urteilte, dass Pilz’ Aussage „unglaubwürdig“ sei. „Zu glauben“ sei den „gegenteiligen Angaben“ der Zeugin. Diese stimmten mit der Aussage von Radasztics – also dem Beschuldigten – im Disziplinarverfahren überein.
Das heißt: Pilz könnte damals, am 26. Februar 2019, falsch ausgesagt haben. Ein Disziplinarurteil, das diesen Verdacht in relativ klaren Worten festhält, wird am 26. Februar 2024 online veröffentlicht. Auf den Tag genau sind fünf Jahre vergangen. Nach fünf Jahren ist das Delikt „falsche Beweisaussage“ (§ 288) verjährt.
Nun stellt sich die Frage: Hat der Vorsitzende des Disziplinargerichts vorher – etwa im Mai – Anzeige erstattet, als er auf diesen Widerspruch gestoßen ist? Dazu wäre er eigentlich verpflichtet, wenn der Verdacht einer Straftat begründet sein könnte.
Auf KURIER-Anfrage beim OLG Graz heißt es am Freitag, diese Auskunft könne erst am Montag nach Einsicht in den Akt erteilt werden.
Also hat der KURIER bei Staatsanwaltschaften nachgefragt, die mit einer solchen Anzeige befasst sein könnten (sollte es eine geben): Weder in Eisenstadt, wo das Strafverfahren 2019 geführt wurde, noch in Wien, wo damals die Einvernahme von Pilz stattfand, konnte man etwas finden. In Graz, wo 2023 das Disziplinarverfahren geführt wurde, wusste man nichts über eine solche Anzeige.
Auch Peter Pilz sagt zum KURIER, ihm sei „nichts bekannt“.
Mögliche Befangenheit
In seiner Einvernahme 2019 erklärte der damalige Jetzt-Abgeordnete, dass er sich als „Informant“ des damaligen Eurofighter-Staatsanwalts bezeichnen würde, sie aber keinerlei privaten Kontakte hätten. Das Verhältnis der beiden war im Falschaussage-Prozess gegen Kurz und Bonelli Anlass für die Verteidiger, die Unabhängigkeit von Radasztics als Richter anzuzweifeln. Radasztics wies den Vorwurf zurück.
Diese Frage wird die zweite Instanz zu klären haben, denn gegen die Schuldsprüche wurde Berufung eingelegt. Experten halten den Vorwurf der Befangenheit für „sehr weit hergeholt“, daran ändert auch die Disziplinarstrafe nichts. Die Optik aber, die ist denkbar schlecht. Da sind sich alle einig.
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