Welche Religionsgemeinschaften in Österreich den größten Zuwachs haben
Nach wie vor bekennen sich mehr als drei Viertel der Österreicher zu einer Religionsgemeinschaft. Die größte Gruppe – mit stark abnehmender Tendenz – bilden nach wie vor die Katholiken mit 55 Prozent. Dahinter folgt mit 22,4 Prozent – und stark steigender Tendenz – die Gruppe der Konfessionslosen. Ebenfalls stark im Steigen begriffen sind Muslime (8,3 %) und orthodoxe Christen (4,9 %); auch Evangelische (3,8 %) und Altkatholiken (0,1 %) verlieren.
Dies sind die wichtigsten Ergebnisse einer am Mittwoch veröffentlichten Erhebung der Statistik Austria zur Religionszugehörigkeit für das Jahr 2021.
Interessant sind natürlich die langfristigen Entwicklungen: So waren 1951 noch 89 Prozent Mitglieder römisch-katholischen Kirche, 2001 waren es 73,6 Prozent. Dagegen bekannten sich 1971 (frühere Daten gibt es nicht) 0,3 Prozent zum Islam, seit 2001 hat sich der Anteil an Muslimen verdoppelt. Ähnlich die Entwicklung – auf niedrigerem Niveau – bei den Orthodoxen, die vor 20 Jahren erst 2,2 Prozent ausmachten. Bei beiden Gruppen spielt natürlich die Migration eine entscheidende Rolle. Während 17,9 Prozent der christlichen Bevölkerung Österreichs Migrationshintergrund hat, sind es bei den Muslimen 91,9 Prozent.
Muslime in den Städten
Stark sind auch die regionalen Unterschiede. So stellen in Wien die Konfessionslosen mit 34 Prozent bereits die größte Gruppe, noch vor den Katholiken (32 %). Aber auch bei Muslimen (15 %) und Orthodoxen (11 %) liegt Wien vorn. Umgekehrt betrachtet: in Wien leben 38 Prozent aller Muslime, fast 52 Prozent in städtischen Gebieten. Bei den Konfessionslosen verhält es sich ähnlich, während die Christen in den Ballungsräumen schwächer vertreten sind als in Gebieten mit niedriger Bevölkerungsdichte.
Der Grazer Pastoraltheologe Rainer Bucher sieht die Ergebnisse der Erhebung als Bestätigung langfristiger, relativ stabiler Trends. Zu diesen zählt er eine „Schwächung der religiösen Mitte – weg von einer stabilen Mitgliedschaft hin zu einer situativen Nutzung von Religion“. Was bedeutet, dass etablierte Religionen „partizipierende Mitglieder“ verlieren. „Die kulturelle Selbstverständlichkeit von Religion nimmt ab“, so Bucher im Gespräch mit dem KURIER, „dafür nehmen Religionspraktiken zu, die mit etwas anderem aufgeladen sind, mit Identitätsfragen bei Migration etwa oder auch mit einer bestimmten politischen Positionierung.“ Soll heißen: „Religion wird wieder stark, wenn sie mit anderen Interessen verbunden ist.“
Ähnlich der Befund der an der Wiener katholisch-theologischen Fakultät lehrenden Religionssoziologin Regina Polak. Österreich gehöre im Europavergleich nach wie vor zu den Ländern mit einer mehrheitlich sich einem religiösen Bekenntnis zuordnenden Bevölkerung, aber es sei „religiös plural“ geworden, so Polak zum KURIER. Die „Dynamik“ der Säkularisierung sei freilich „bei Weitem nicht so ausgeprägt, wie der öffentliche Diskurs mitunter nahelegt“.
Dialog als Notwendigkeit
Die Expertin stellt die Frage, ob Staat, Bildungseinrichtungen, Medien etc. dem Stellenwert, welchen das Thema „religiöse Zugehörigkeit“ offenbar nach wie vor hat, „ausreichend gerecht werden“. Als zentrale Herausforderungen nennt Polak die „Notwendigkeit eines Dialogs zwischen Menschen mit und ohne religiöses Selbstverständnis“ sowie die Aufgabe, „das eigene religiöse Selbstverständnis im Kontext einer pluralen Gesellschaft zu leben“.
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