"Imam zu sein, heißt einen 24-Stunden-Job zu haben", sagt Religionslehrer Mahmud Yavuz, der auch als ehrenamtlicher Imam arbeitet. Er springt immer wieder in Moscheen als Imam ein, betreut derzeit aber keine fixe Gemeinde. Was macht ein Imam?
Neben dem Predigen übernimmt er Tätigkeiten wie Beistand, Seelsorge oder auch Beratung. "Ratsuchende fragen dich um eine islamische Antwort. Dann gibt es Todesfälle, deren Angehörige dich nicht nur zum Rat aufsuchen, sondern eventuell auch eine Begleitung während der Beerdigung wünschen", erzählt Yavuz. Auch die Allgemeinbildung sei wichtig. "Ich werde von Jugendlichen etwa auch gefragt, wie ich zu Bitcoin stehe, bzw. was die muslimische Gelehrsamkeit darüber denkt."
Die Aufgabe des Imams sei eine, die viel Erfahrung brauche und vor allem in der heutigen Zeit stelle sich die Frage: Was muss ich alles im 21. Jahrhundert wissen und können? Welche Fähigkeiten und Fertigkeiten brauche ich? Yavuz fühle sich erst langsam, nach rund zehn Jahren Erfahrung, bereit, eine eigene Moschee zu übernehmen. "Davor wäre ich nicht dazu in der Lage gewesen", gibt er zu.
Es ist also ein langer Prozess, bis man als Imam arbeiten kann und von einer Gemeinde akzeptiert wird. Der Weg dorthin ist in Österreich aber ein recht kompliziertes Thema.
Mangel seit 2015
Die Neufassung des Islamgesetzes 2015 sollte sicherstellen, dass islamische Prediger in Österreich ausgebildet werden. Wer in Österreich in einer Moschee predigen will, muss Deutsch auf A1-Niveau sprechen und ein islamisch-theologisches Studium abgeschlossen haben. Was das Gesetz in der Realität bewirkt hat: Einer "signifikanten Anzahl an Moscheen" in Österreich fehle ein hauptamtlicher Imam, sagt Ümit Vural, Präsident der Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ).
Institute an der Uni Wien, der Uni Innsbruck und der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems bieten ein islamisch-theologisches Studium an. In Österreich gibt es keine staatliche Praxis-Ausbildung für Imame, Prediger kommen meist aus dem Ausland 350 Moscheegemeinden gibt es in Österreich unter dem Dach der Islamischen Glaubensgemeinschaft
Viele Gemeinden müssen sich mit Ehrenamtlichen über die Runden helfen oder „für die Dauer von nur einigen wenigen Monaten Imame aus dem Ausland einladen“. Diese Abhängigkeit vom Ausland sei für die IGGÖ ein „nicht zufriedenstellender Zustand, der unsere Pläne für eine Imamausbildung auf österreichischem Boden befeuert“, erklärt Vural.
Auch Yavuz, der in Deutschland aufgewachsen ist, hat seine Ausbildung in Frankreich an einer privaten Hochschule gemacht. "Damals, Anfang der 2000er-Jahre, war das eine der wenigen Möglichkeiten in Europa Islam zu studieren. Die andere wäre gewesen, in ein arabisches Land zu reisen, etwa Ägypten oder Saudi-Arabien." 2010 begann er seine Lehrerstelle als Religionslehrer in Wien.
Österreich hat zwar universitäre Grundlagen für den Beruf des Imams geschaffen – etwa mit islamisch-theologischen Instituten an den Universitäten Wien und Innsbruck. Die Studiengänge vermitteln theoretisches Wissen, Imame brauchen aber vor allem eine praktische Ausbildung. Dafür fehlen in Österreich die Strukturen.
Neues Ausbildungsmodell
In den meisten Moscheen arbeiten also Imame, die im Ausland ausgebildet wurden, Versuche mit österreichischen Hochschulabsolventen gibt es vereinzelt. „Beide Varianten bedürfen einer Optimierung, denn den ersteren fehlt es an der Sozialisierung im österreichischen Kontext, den anderen an der praktischen Erfahrung in der Gemeindearbeit“, sagt Vural. Es sei jedenfalls Grundkonsens in der IGGÖ, dass Imame künftig in Österreich ausgebildet werden sollen.
Die IGGÖ und das Institut für Islamische Theologie und Religionspädagogik in Innsbruck haben deshalb "die Idee eines Universitätslehrganges entwickelt, die sich aktuell in der Konzeptionsphase befindet", so Vural. Das Angebot werde sich an Imame und Seelsorger mit theologischen Grundkompetenzen richten, Theorie und Praxis vereinen. Das Modell ist vergleichbar mit einem Priesterseminar oder dem deutschen Islamkolleg in Osnabrück – das allerdings staatliche Förderungen in Millionenhöhe erhält.
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