Medizinjurist Stöger: "Impfpflicht besseres Mittel als Lockdown"
Eines der wohl umstrittensten Gesetzesvorhaben geht in die Schlussphase: die Einführung der Impfpflicht gegen Corona. Am kommenden Montag ist das Gesetz im parlamentarischen Gesundheitsausschuss, am kommenden Freitag stimmt der Nationalrat darüber ab. Zuletzt sind in den Parteien, deren Chefs sich für die Impfpflicht aussprechen - ÖVP, Grüne, SPÖ, Neos - immer mehr Politiker auf Distanz gegangen. Ein Kritikpunkt lautet: Die Regierung habe nicht alles ausgeschöpft, um eine Impfpflicht als letztes Mittel zu rechtfertigen. Das Gesetz könnte daher vor dem Verfassungsgerichtshof nicht bestehen.
Fehler ja, aber keine triftigen Versäumnisse der Regierung
In der Zib 2 am Donnerstag widersprachen zwei Experten dieser Kritik eindeutig. Der Pharmakologe Karl Zeitlinger und der Medizinjurist Karl Stöger waren sich einig, dass es keine so triftigen Versäumnisse der Regierung gebe, die einer Einführung der Impfpflicht im Weg stünden.
Stöger sagte, die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung "war leider schlecht. Aber in den letzten Wochen und Monaten gab es sehr viele Informationen über Impfungen, die man sich abholen konnte". Es wurde sehr viel versucht, über den Nutzen der Impfung zu informieren. Stöger: "Es waren sehr große Anstrengungen da. Das wird man auch vor dem Verfassungsgerichtshof darlegen können."
Pharmakologe und Verfassungsrechtler zur Impfpflicht
Ähnlich Zeitlinger: Es sei zwar "einiges falsch gelaufen", aber er sehe nicht so schwere Fehler, dass man eine Impfpflicht nicht vertreten könne.
Für Omikron zu spät
Zum Zeitfaktor sagte Zeitlinger: Die Impfpflicht müsse man von der Omikron-Debatte lösen, die Impfpflicht komme dafür zu spät. Die Impfung dürfe man auch nicht auf einen bestimmten Impfstoff abstellen, sondern es gehe um die Impfung an sich. Der Impfstoff müsse immer wieder an neue Varianten angepasst werden. Außerdem lasse der Impfschutz mit der Zeit nach, da brauche man dann einen Booster.
Vorsorge für nächsten Winter
Auch Stöger sagte, man müsse die Frage grundsätzlicher und in der zeitlichen Perspektive für den nächsten Winter sehen: "Habe ich andere Möglichkeiten, die Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern? Gibt es etwas Besseres als die Impfung? Wenn ich das Impfen als bestes Mittel habe, und die Alternative ist ein Lockdown und massive Kontaktreduktion mit allen bekannten psychosozialen und wirtschaftlichen Folgen, dann ist eine Impfpflicht auch mit häufigeren Impfungen zulässig."
Bei den Strafbestimmungen im neuen Gesetz sehen beide Experten noch Änderungsbedarf.
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