Med-Uni-Rektor Samonigg: "Ärzte nicht dort, wo sie gebraucht werden"

Med-Uni-Rektor Samonigg: "Ärzte nicht dort, wo sie gebraucht werden"
Österreichs Spitäler melden dramatische Engpässe. Hellmut Samonigg ortet auch Aufholbedarf im niedergelassenen Bereich.

Österreichs Spitäler sind am Anschlag. Zuletzt haben Oberärzte der Klinik Ottakring vor einem temporären Ausfall der Notaufnahme gewarnt. Dienste können personell kaum noch besetzt werden. Viele Ärztinnen und Ärzte gehen, Neubesetzungen sind trotz Headhunter kaum zu finden. 200 Betten sind im Spital wegen Personalmangels gesperrt. Eine adäquate Patientenversorgung sei nicht möglich, heißt es in der Gefährdungsanzeige.

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Ähnlich ist die Situation in anderen Bundesländern. Am Linzer Kepler Universitätsklinikum sind 140 von 1620 Betten gesperrt. Hellmut Samonigg, Rektor der Med Uni Graz, bestätigt im Ö1-Morgenjournal eine ähnliche Situation am LKH-Universitätsklinikum Graz.

Seit dem Herbst 2021 habe sich die Lage zugespitzt. Heute sei man in einer Situation, "die tatsächlich in einzelnen Bereichen besorgniserregend ist". Aktuell gehe es nur darum, "die Abwärtsspirale zu stoppen und Maßnahmen zu setzen, damit es nicht noch schlimmer wird".

Mangel an Pflegekräften

Anders als in anderen Spitälern, gebe es am LHK-Universitätsklinikum Graz aktuell keinen Ärztemangel. "Hier ist das Riesenthema der Mangel an Pflegekräften und damit die erforderliche Reduktion im stationären Bereich und im Bereich der Intensivstationen und OPs." In anderen Teilen der Steiermark sei hingegen die Verfügbarkeit der Ärztinnen und Ärzte "wo man sie braucht, nicht gegeben". 

Denn viele Ärztinnen und Ärzten würden die Spitäler verlassen, eigene Praxen eröffnen oder in den niedergelassenen Bereich wechseln. Samonigg: "Es ist nicht die Zahl der Ärzte, die zu gering ist, sondern das Problem ist, dass Ärzte nicht dort sind, wo sie gebraucht werden." 

Auch die Überlastung des Pflegepersonals in den heimischen Krankenhäusern sei "ein ordentliches Problem". Viele würden dem enormen Druck nicht mehr standhalten können - oder auch wollen. Die zu niedrige Bezahlung, sei nicht das einzige Problem: "Wer glaubt, wir schütten da einfach mehr Geld hinein und lösen das Problem: Das stimmt nicht."

Zwar müsse die finanzielle Attraktivität der Pflegedienste gesteigert werden. Samonigg betont jedoch "organisatorische und strukturelle Hintergründe", die zu den aktuellen Engpässen geführt haben. 

Niedergelassener Bereich

Außerdem: "Die Spitalsbetreiber alleine sind nicht die alleinige Ursache für diese Situation, sondern auch der niedergelassene Bereich." Für mittelfristige Verbesserung müssen "alle an den Tisch kommen" und die Versorgungssituation  im niedergelassenen Bereich "mindestens so intensiv" angeschaut werden wie jene im Spitalsbereich: "Die Spitäler sind überlastet, weil man zu wenig niedergelassene, offene Arztordinationen hat. Das ist komplexes Thema."

Offene Kommunikation

Landespolitik und Krankenanstaltenträger seien sich des Ernstes der Lage sehr wohl bewusst, sagt Samonigg. "Was mir fehlt, ist, dass man offen kommuniziert." Das führe zu ernsten Ängsten von potenziellen Patienten. Wenn man nicht offen kommuniziere, "ist das Vertrauen in das System noch mehr eingeschränkt - und das ist das Letzte, was wir brauchen". 

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