Mattle und Dornauer legen Schwarz-Rot in Tirol auf Langzeit an
Nach der ersten Arbeitssitzung der Landesregierung am Nationalfeiertag präsentierten sich ÖVP-Chef Anton Mattle (59) und SPÖ-Obmann Georg Dornauer (39) harmonisch. Ein Gespräch zu Transparenz, Energiewende und ersten Personaldebatten um die schwarz-rote Koalition.
KURIER: Herr Landeshauptmann, schwere Anschuldigungen gegen ehemalige und aktive ÖVP-Bundespolitiker, ein von einem Ex-Bundeskanzler präsentiertes, geheim mitgeschnittenes, Gespräch. Welches Bild gibt die Volkspartei derzeit ab?
Anton Mattle: Wir haben gerade in der Zeit des Landtagswahlkampfs feststellen können, dass es zu einem Vertrauensverlust zwischen der Bevölkerung und Politikern gekommen ist. Dieser Vertrauensverlust spiegelt auch wider, dass die Menschen mit solchen Dingen nicht einverstanden sind. Es ist nicht meine Art, so etwas zu tun.
In Ihrer Regierungserklärung haben Sie betont, das Vertrauen in die Politik zurückgewinnen zu wollen. Braucht es dann nicht auch klare Worte in der ÖVP?
Mattle: Ich habe hier nicht den totalen Tiefgang, um das alles interpretieren zu können. Ich kann in dem Fall nur für Tirol und meine Person sprechen. Ich war immer ganz klar für Transparenz. Das werde ich auch in meinen weiteren politischen Leben so halten.
Die SPÖ drängt im Bund auf Neuwahlen. Wäre die ÖVP in ihrer derzeitigen Verfasstheit ein möglicher Koalitionspartner für die Sozialdemokratie oder bevorzugen Sie eine Ampel-Koalition?
Georg Dornauer: Ich bin grundsätzlich niemand, der sich freut, wenn es einer anderen Partei schlecht geht oder sie in Turbulenzen gerät. Denn das kann immer sehr schnell retour kommen.
Aber es stimmt, die SPÖ fordert auf Bundesebene seit Längerem Neuwahlen. Wir haben aber auch sehr schwere Zeiten. Wir haben jetzt alles Regierung in Tirol die Aufgabe, die Menschen, die Familien, als auch die Betriebe sicher und stabil durch diese Teuerungswelle zu manövrieren. Wir werden uns ab Tag eins bemühen, einen unaufgeregten Politikstil an den Tag zu legen.
Das beantwortet nicht die Frage, ob Sie eine Koalition mit der ÖVP oder eine Ampel präferieren.
Dornauer: Ich würde beides jedenfalls nicht ausschließen.
In Ihrem Regierungsprogramm ist Transparenz nur eine Randnotiz. Wäre das nicht Gebot der Stunde?
Mattle: Vielleicht ist Georg Dornauer und mir die Transparenz eine dermaßen große Selbstverständlichkeit, dass man das nicht noch einmal im Koalitionsabkommen explizit ausführlicher niedergeschrieben hat. Wir stehen dazu, auch dazu, dass es entsprechende gesetzliche Regelungen auf Bundes- und auf Landesebene gibt. Denn nur mit Transparenz wird es gelingen, das notwendige Vertrauen der Bevölkerung in die Politik wiederherzustellen.
Gegen ein Informationsfreiheitsgesetz, das Ende des Amtsgeheimnisses, gibt es große Widerstände aus den Ländern. Von Ihnen auch?
Mattle: Es geht darum, dass man differenziert. Amtsverschwiegenheit ist nicht immer gleich Amtsverschwiegenheit. Es wird auch Dinge brauchen, die in den Amtsräumen bleiben und andere, die man bis jetzt vielleicht unter Verschluss gehalten hat, die können kommuniziert werden. Da wird es eine vernünftige gesetzliche Regelung brauchen.
Tirol hat mit der Bezirkspolizeikommandantin Astrid Mair (ÖVP) erstmals eine Sicherheitslandesrätin. Ein Signal an FPÖ-Wähler?
Mattle: Das Thema Sicherheit ist ein weites. Natürlich bringt man Astrid Mair immer mit dem Landespolizeigesetz in Verbindung. Da hat sie entsprechendes Know-how. Sicherheit wird es aktuell aber auch bei der Flüchtlingsbewegung brauchen. Aber das Thema Sicherheit geht bis in den sozialen Bereich hinein.
Dass Mair Lebenspartnerin von Helmut Tomac ist, der bald wieder ins Amt als Landespolizeidirektor zurückkehrt, hat eine Debatte über Unvereinbarkeiten entzündet. Das ficht Sie nicht an?
Mattle: Ich habe Astrid Mair ja in mein Team geholt, weil sie ihre Expertise mitbringt. Sie war auch Mitarbeiterin im Landesdienst. Sie hat auch alle Stufen im Polizeidienst mitgemacht. Das ist ihre Expertise. Das dann auf die Beziehung herunterzubrechen, wäre mir zu kurz gegriffen.
Herr Landeshauptmann, Sie orten massive Auswirkungen des Klimawandels auf Tirol und haben die Energiewende zu einem zentralen Handlungsfeld erklärt. Warum gibt es dann für diesen Bereich kein eigenes Ressort?
Mattle: Ich glaube, dass das Thema Energie beim zweiten Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler (ÖVP) gut platziert ist. Er hatte schon bisher diesen Bereich inne. Was jetzt schon neu ist: Dass ich in der Volkspartei ganz klar gesagt habe, dass wir Energiefragen nicht nur auf Wasserkraft reduzieren können. Wir sind technologieoffen und wissen, dass wir beim Einsatz all dieser Energiemöglichkeiten die Energiewende und -autonomie schaffen können. Das ist wohl die wichtigste Maßnahme in Richtung Klimaschutz.
Sie haben vor, erneuerbare Energien massiv und rasch auszubauen. Es gibt aber in Ihrem Programm keine Hinweise, wie Sie etwa die angepeilten 5 Millionen Quadratmeter Fotovoltaik-Fläche umsetzen wollen.
Dornauer: Wir werden alles daran setzen, dass wir ein klimaneutrales Tirol erreichen. Da braucht es eine Mobilitätswende genauso wie den Ausbau der Fotovoltaik. Und es braucht den weiteren konsequenten Ausbau der Wasserkraft. Wir verschließen uns auch der Windkraft nicht. Dass wir im Koalitionspapier nicht ins Detail zu Förderrichtlinien gehen, da bitte ich um Verständnis. Diese Richtlinien auszuarbeiten, ist jetzt Verantwortung der Regierenden.
Mattle: Wenn man über den massiven Ausbau der Erneuerbaren spricht, müssen wir viel in die Netzinfrastruktur investieren. Das muss ein Netz ja erst einmal aushalten, denn erneuerbare Energieträger sind sehr volatil. Und wenn wir darüber reden, dass wir Großparkplätze mit Fotovoltaik-Anlagen ausstatten wollen, so ist die Idee da, dass man beim Bau dieser Aufständerungen für die Paneele mitunterstützt. Es soll definitiv ein Anreizsystem werden.
Sie möchten den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung realisieren, wollen dafür aber Geld vom Bund. Und wenn das nicht fließt?
Dornauer: Wir haben einen konkreten Plan, wie wir uns den Rechtsanspruch vorstellen. Wir wollen jetzt eine Personaloffensive starten. Das können wir im Land Tirol machen. Wir werden auch die notwendige Infrastruktur ausbauen. Und natürlich werden wir auch die Mittel des Bundes bekommen müssen, um eine ganztägige und ganzjährige Betreuungsform finanzieren und sicherstellen zu können.
In der Pflegeausbildung wollen Sie höhere Entschädigungen bezahlen. Auch hier wollen Sie aber Geld vom Bund.
Mattle: Es gibt das Pflegepaket des Bundes. Allerdings sind diese Mittel nur für zwei Jahre vorgesehen. Aber damit könnten wir auch jenen, die in die Ausbildung gehen ein entsprechendes Gehalt bezahlen, so ähnlich wie es die Polizeischüler bekommen. Und wenn die Pflegelehre installiert werden soll, dann muss das bundesgesetzlich geregelt sein. Wir möchten in Tirol ein Pilotprojekt umsetzen.
Für Ansätze in der Wohnpolitik wie die geplante Einführung einer Abgabe zur Baulandmobilisierung gibt es sogar von der Opposition Lob. Aber wurde nicht der Bock zum Gärtner gemacht, indem gerade VP-Bauernbundobmann Josef Geisler als Raumordnungslandesrat der Antreiber sein soll?
Dornauer: Ich bin bestimmt nicht der Pflichtverteidiger von Josef Geisler. Aber die Frage von aktiver Grund- und Bodenpolitik war in den Verhandlungen zentral. Und der Terminus der „Baulandmobilisierungsabgabe“ stammt von Geisler selbst.
Ich erkenne auf der Seite der Volkspartei den politischen Willen, der Spekulation und den exorbitant hohen Grundstückspreisen ein Ende zu setzen, weil man leistbares Wohnen für die jungen Tiroler sicherstellen will. Deshalb finde ich diese Ressortdebatte entbehrlich.
Die Grünen hatten in der Koalition mit der ÖVP wesentlich weniger Gewicht, aber kaum weniger Kompetenzen als jetzt die SPÖ. Warum hat die SPÖ nicht auf diese Zuständigkeit für Raumordnung gepocht?
Dornauer: Das ist buchstäblich im Raum gestanden. Aber letzten Endes haben wir uns darauf geeinigt, dass die Raumordnung gepaart beim Grundverkehr sein soll. Und bei einer Ressorzuteilung in einer gemeinsamen Regierung, wo bekanntlich Einstimmigkeit herrscht, und wo beide einen guten politischen Willen zur Zusammenarbeit haben, hat man sich mit dieser Frage nicht ewig aufgehalten.
Im schwarz-grünen Regierungsprogramm hatte man noch die gemeinsame Schule der zehn- bis vierzehnjährigen im Visier, die scheidende VP-Bildungslandesrätin hat sich diese zum Abschied noch gewünscht. Warum sieht Ihr Programm das nicht mehr vor?
Mattle: Bildungspolitik war ein großes Thema bei den Koalitionsverhandlungen. Es gibt eine Modellschule für eine gemeinsame Schule im Zillertal. Es gibt aber auch das Modell der Ganztagesschule, das ja auch im Raum steht. Denn wenn Familien in der Arbeit sind, dann geht es auch darum, dass Kinder ganztätig betreut werden. Die Ganztagesschule war ein zentrales Thema in den Verhandlungen.
Keine wirklich neuen Lösungsansätze – abseits von Gesprächen mit den Nachbarn – gibt es zur Eindämmung des Lkw-Verkehrs durch Tirol. Ist die Landespolitik schlicht machtlos?
Mattle: Eines ist klar. Beim transitierenden Verkehr können wir die Dinge nicht allein lösen. Wir werden unsere Nachbarn brauchen. Mit Südtirol haben wir einen sehr guten Austausch. Die neue Tiroler Landesregierung wird nun sofort Kontakt mit den bayerischen Kollegen aufnehmen.
Nach Proporz-Ende in Tirol 1999 haben ÖVP und SPÖ bis 2013 schon gemeinsam regiert. Wie lange soll die Partnerschaft jetzt halten?
Mattle: Wir haben uns definitiv gefunden und festgestellt, dass wir bei den Sachthemen sehr nahe beisammen sind. Wir hätten in unserem Koalitionspapier durchaus Aufgaben, die eine Zusammenarbeit über fünf Jahre hinaus bedingen. Aber bitte, jetzt haben wir erst gerade angefangen und in fünf Jahren wird allenfalls wieder gewählt.
Dornauer: Ich kann das nur unterstreichen. Wir haben große Herausforderungen, wo wir in fünf Jahren vielleicht die spürbaren Lösungen erarbeitet, aber noch nicht final umgesetzt haben.
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