Kinderschutzpaket: Strafen "in Relation zum Leid"
Weniger als zwei Wochen hat es gedauert, bis die türkis-grüne Regierung im Jänner auf die Causa Teichtmeister reagiert und ein großes Kinderschutzpaket angekündigt hat: Die Anklage gegen den Burgschauspieler Florian Teichtmeister wurde am 13. Jänner publik, am 25. Jänner waren die ersten Maßnahmen, um Täter künftig härter zu bestrafen und Kinder besser zu beschützen, fixiert.
Dass es sich dabei um die allseits verpönte „Anlassgesetzgebung“ handelt, schien in diesem Fall egal.
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Die Einigung war zwar rasch da, die Details hatten es aber in sich: So wurde wochenlang getüftelt, wie man das Sexualstrafrecht verschärfen kann, ohne dabei Jugendliche, die einander (einvernehmlich) Nacktfotos schicken, gleich mit zu kriminalisieren und mit pädophilen Serientätern auf eine Stufe zu stellen.
Am Mittwoch passierte das Paket dann den Ministerrat – nicht ohne Komplikationen, aber doch. Am 12. Oktober soll es im Justizausschuss und später im Nationalrat beschlossen werden. Die Eckpunkte laut Regierungsvorlage:
- Straferhöhungen
Beim Besitz von „dargestelltem Kindesmissbrauch“ drohen künftig statt einem Jahr bis zu zwei Jahre Haft. Wenn es sich um Material mit unmündigen Minderjährigen (bis 14 Jahre) handelt, sogar bis zu drei Jahre Haft. Die Herstellung oder das Anbieten einer „Vielzahl“ (mehr als 30 Bilder oder Videos) zum Zweck der Verbreitung wird mit bis zu zehn Jahren Haft sanktioniert. Diese Verdreifachung der Strafhöhe zielt auf Fälle wie Teichtmeister ab. Bei ihm wurden 76.000 Dateien gefunden, die er teils selbst bearbeitet hat. Bei seinem Prozess Anfang September wurde er zu zwei Jahren bedingter Haft verurteilt.
Die Erhöhung des Strafrahmens
Die Erhöhung des Strafrahmens ist Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) ein „echtes Anliegen“ gewesen, sagt sie. Gerade deshalb, weil bei den jüngsten Anlässen „die Strafe nicht in Relation zum verursachten Leid gestanden“ sei.
Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) betont, dass man mit der Erhöhung des Strafmaßes zeige, „dass unsere Gesellschaft den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen keinesfalls duldet und es für die Täter kein Pardon gibt“.
Strafrechtsexperte Alois Birklbauer erkennt im Ö1-Mittagsjournal also ganz richtig, dass die Erhöhung „wohl eher symbolisch“ sei. In der Forschung sei „sehr zweifelhaft“, dass dies auf Täter abschreckend wirkt, sagt er. Kritisch sieht Birklbauer auch, dass bei schweren Fällen des Besitzes von Missbrauchsmaterial die Strafen ähnlich hoch sind wie für direkten Missbrauch (so genannte Hands-on-Delikte): Die Wertigkeit der Delikte könnte aus den Fugen geraten.
- Ausnahme bei „Sexting“
Die härteren Strafen hätten auch für gleichaltrige Minderjährige gegolten. Ein Punkt, auf den viele Experten die Regierung in der Begutachtungsphase hingewiesen haben. Eine Ausnahme im Gesetz ist aber wegen einer geltenden EU-Richtlinie nicht möglich, deshalb wird das Problem justizintern gelöst.
Ein Erlass aus dem Justizministerium räumt der Staatsanwaltschaft einen Ermessensspielraum ein: Wenn beispielsweise klar ist, dass es hier nicht um Opfer und Täter geht, sondern um ein Paar, und dass die freizügigen Bilder im Einvernehmen geschickt wurden, kann auf eine Strafverfolgung verzichtet werden – auch, wenn unter 14-Jährige beteiligt sind.
Sollte doch eine Strafverfolgung angezeigt sein, ist laut Erlass zu prüfen, ob eine Diversion möglich ist. Dafür wurde ein neues Diversionsprogramm geschaffen: Bei „Grenzen setzen im Netz“ soll über die Gefahren von „Sexting“ aufgeklärt werden.
- Tätigkeitsverbot
Überarbeitet wurde auch die Regelung, dass verurteilte Täter nicht mehr im Kinder- und Jugendbereich arbeiten dürfen. Derzeit gilt das nur, wenn sie bereits zum Tatzeitpunkt in dem Bereich tätig waren – diese Einschränkung soll wegfallen.
- Cybercrime
Das Bundeskriminalamt und die Landeskriminalämter sollen bei ihren Ermittlungen gegen Cyber-Kindermissbrauch unterstützt werden – personell und durch eine spezielle Software.
- Schutzkonzepte
„Gewalt an Kindern verhindern, bevor sie passiert“, ist für die grüne Justizministerin Alma Zadić ein zentraler Punkt im Paket. Das verpflichtende Kinderschutzkonzept für Schulen sei dafür ein wichtiges Instrument, sagt sie. Es beinhaltet Regeln für Mitarbeiter, wie sie sich verhalten und wen sie informieren sollen, wenn sie sich Sorgen um ein Kind machen. Ein Muster-Schutzkonzept steht Vereinen und Organisationen seit Ende März kostenlos zur Verfügung und wurde laut Jugendstaatssekretariat bereits mehr als 2.000 Mal heruntergeladen.
Gütesiegel für Einrichtungen
Geplant ist zudem ein Gütesiegel für Einrichtungen. Die Ausschreibung der Qualitätssicherungsstelle Kinderschutz läuft noch. Und: Die Regierung finalisiert gerade eine Kampagne, um das Bewusstsein für das Thema zu schärfen.
- Hilfe für Opfer
Die psychosoziale Nachbetreuung für Opfer von Gewalt wird um 3,5 Millionen Euro ausgebaut und das Budget für Familienberatungsstellen um 3 Millionen Euro pro Jahr aufgestockt.
Was fehlt, sind Maßnahmen für die Täter bzw. für Prävention auf Täterseite. Das merkt Martina Wolf, Geschäftsführerin vom Bundesverband der Kinderschutzzentren, kritisch an. „Eine Therapie für Menschen, die eine pädophile Störung haben, ist noch immer die beste Therapie.“
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