Weber und Lopatka wollen "Europa gegen Nationalisten verteidigen"
Im Endspurt des EU-Wahlkampfes hat Manfred Weber, Chef der Europäischen Volkspartei (EVP), Wien besucht. Anlass war ein Event zum 90. Geburtstag des 2017 verstorbenen Ex-Vizekanzlers Alois Mock (ÖVP), dem "Vater" von Österreichs EU-Beitritt. Zuvor stellten sich Weber und ÖVP-Spitzenkandidat Reinhold Lopatka noch den Fragen von KURIER, APA und ORF. Themen: der Umgang mit rechten Parteien, der Green Deal oder Migration.
Weber: "Europa gegen Nationalisten wie die AfD verteidigen"
Weber hat in den vergangenen Wochen wiederholt Italiens postfaschistische Regierungschefin Giorgia Meloni gelobt. Hauptgrund: ihre Zustimmung zum EU-Migrationspakt. Meloni sitzt derzeit der konservativen EU-Fraktion ECR vor. Gespräche über eine EVP-Mitgliedschaft ihrer Fratelli d’Italia gebe es nicht, betont Weber. Während er mit Meloni in Sachfragen kooperieren will, zieht er zu Frankreich Rechtspopulistin Marine Le Pen (RN) oder Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán (Fidesz) eine "Brandmauer".
Grund: "Wir werden nie mit Parteien zusammenarbeiten, die gegen Europa, gegen die Unterstützung der Ukraine und gegen den Rechtsstaat sind." Orbán habe es sich "in den letzten Jahren in atemberaubender Geschwindigkeit isoliert und ein Stück weit radikalisiert. Jetzt behauptet er auch noch, ich würde eine europäische Wehrpflicht fordern und Jugendliche aus ganz Europa in eine europäische Armee zwingen, um Stimmung zu machen", so Weber. Es sei eines europäischen Regierungschefs unwürdig, solche Fake News zu arbeiten.
Wegen dieser Brandmauer ärgert es Weber besonders, dass Deutschlands Kanzler Olaf Scholz (SPD) in den Raum stellt, Ursula von der Leyen (EVP) nicht erneut zur Kommissionspräsidentin wählen zu wollen, wenn sich diese nicht klar von rechten Parteien abgrenze. Die Sozialdemokraten würden andauernd behaupten, die Demokratie verteidigen zu wollen. Dann sollten sie auch die Kandidatin des Wahlsiegers als Kommissionspräsidentin unterstützten, betont Weber: "Wer den Zweifel sät, dass wir Parteien der Mitte zusammenstehen und Europa gegen Nationalisten und Radikale wie die AfD verteidigen, beschädigt den Grundkonsens in der Mitte."
Lopatka: "Kickl ist ein engstirniger Nationalist"
Im Gegensatz zu Le Pen, hat sich die FPÖ von der AfD trotz der SS-Verharmlosung ihres Spitzenkandidaten Maximilian Krah nicht distanziert. "Auf Bundesebene ist eine Zusammenarbeit mit der FPÖ unmöglich. Kickl ist mittlerweile ein engstirniger Nationalist, der Verschwörungstheorien quasi zum Programm erhoben hat", sagt Lopatka. Zudem liebäugle die FPÖ "ganz stark" mit einem EU-Austritt Österreichs.
In Niederösterreich, Salzburg und Oberösterreich koaliert die ÖVP dennoch mit den Blauen. Wie geht sich das aus? "Haimbuchner in Oberösterreich und Svazek in Salzburg unterscheiden sich in ihren Aussagen, die Europa betreffen, deutlich von Kickl", sagt Lopatka. FPÖ-NÖ-Chef Udo Landbauer, der die EU als "planwirtschaftliches Irrenhaus" bezeichnet, lässt er in dieser Aufzählung aus.
Woher sollen E-Fuels kommen? "Muss Industrie entscheiden"
Im Paarlauf zeigen sich Weber und Lopatka beim Verbot von Verbrenner-Neuzulassungen ab 2035 – und plädieren für Technologieoffenheit. "Wir wollen, wenn wir die nötigen Mehrheiten bekommen, das Verbrenner-Verbot in der nächsten Legislaturperiode wieder heilen. Wir werden diesen industriepolitischen Fehler einer linken Mehrheit rückgängig machen", sagt Weber. Lopatka attestiert den Grünen planwirtschaftliches Denken: "Die Klimaziele erreichen wir nicht mit einem Diktat der Politik, indem wir die Technologie vorgeben."
Neuzulassungen von Verbrennern, die mit klimaneutralen Treibstoffen wie E-Fuels fahren können, sind jetzt schon über 2035 hinaus erlaubt. Hauptproblem: Derzeit ist nicht absehbar, wo die nötige Menge an E-Fuels produziert werden soll.
Der Green Deal, den von der Leyen 2019 als klimapolitische "Mondmission" forcierte, wackelt aber nicht nur wegen der Verbrenner-Debatte. Auch das mögliche Scheitern der Renaturierung oder die Schwächung von Umweltauflagen im Agrarbereich lassen Zweifel aufkommen, ob die EVP noch hinter ihrem Ziel steht: Europa bis 2050 klimaneutral machen. "Der Green Deal ist unser Deal und wir stehen zu den Zielen", sagt Weber. Davon müsse man mittels "massiver, globaler Klimadiplomatie" aber auch China und die USA überzeugen: "Wenn das Trump-Amerika zurückkommt, werden wir erstens beim Klimaschutz in eine deutlich schwierigere Position gebracht und zweitens industriepolitisch massiv ins Hintertreffen geraten."
"Der bürgerlichen Mitte vertrauen"
Teils unterschiedliche Auffassungen gab es zuletzt zwischen Weber und der ÖVP beim Migrationsthema. So war der EVP-Chef für die Aufnahme Bulgariens und Rumäniens in den EU-Schengen-Raum – Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) stimmte Ende 2022 dagegen. Karner kann sich zudem eine Änderung des EU-Regelwerks vorstellen, die Abschiebungen von Migranten in Drittstaaten erlaubt, um dort deren Asylverfahren durchzuführen. Großbritannien hat sich mit Ruanda auf ein solches Modell geeinigt.
Weber bleibt hier zurückhaltend. Die EVP stehe für eine fairere Verteilung von Migranten innerhalb der EU – auf Basis der Genfer Konvention und des geltenden Asylrechts. Man versuche in diesem Bereich, im Gegensatz zu den Sozialdemokraten, die Probleme zu lösen. "Wenn man uns als bürgerlicher Mitte vertraut, und eben nicht den Nationalisten und den linken Neinsagern, dann werden wir die Aufgaben unserer Zeit genauso lösen, wie es die Generation um Alois Mock gemacht hat", sagt Weber.
Kommentare