Lockdown für Ungeimpfte: Was, wenn er nicht reicht?
Der eine war in Tirol, der andere in Wien, und möglicherweise lag es an der geografischen Distanz, dass die Kommunikation zwischen Alexander Schallenberg und Wolfgang Mückstein zuletzt etwas holprig lief. Denn der Kanzler und sein Gesundheitsminister vertraten am Freitag zunächst deutlich voneinander abweichende Ansichten, was die Pandemie-Politik angeht.
Während Schallenberg in Tirol längst davon sprach, dass er sich ab Montag einen bundesweiten Lockdown für alle Ungeimpften wünscht, gab sich Mückstein zur gleichen Zeit zurückhaltend: Einen Lockdown für Ungeimpfte? Ja, den solle es geben – aber nur in Oberösterreich und Salzburg. Der Rest werde gemeinsam mit den Ländern noch entschieden.
Fakt ist: Um 18 Uhr tritt am Sonntag der Hauptausschuss im Parlament zusammen, um die entsprechende Verordnung des Ministeriums abzusegnen. Und im Laufe des Freitags wurde immer deutlicher, dass der Lockdown für die Ungeimpften ab Montag nicht nur in Salzburg und Oberösterreich, sondern gleich für das ganze Bundesgebiet gelten soll. Die Maßnahme ist drastisch, sie kommt nicht ganz überraschend.
Laut einem Verordnungsentwurf, der oe24 vorliegt, dürfen Ungeimpfte im Wesentlichen das Haus nur verlassen, um zu arbeiten, Bedürfnisse des täglichen Lebens zu decken, sich zu erholen und Gefahren für Leib und Leben abzuwenden. Geschäfte abseits jener für den täglichen Bedarf sind tabu, nach 19 Uhr dürfen Ungeimpfte in Lokalen keine Speisen abholen, Zusammenkünfte von Ungeimpften sind mit wenigen Ausnahmen nicht erlaubt.
Das Problem dabei: Abgesehen davon, dass die Kontrolle eines Lockdowns für Ungeimpfte eher schwierig und von Teilen der Polizei offen abgelehnt wird, ist – gelinde gesagt – durchaus umstritten, ob ein Lockdown für Ungeimpfte am Ende wirklich zu einer Entlastung der Intensivstationen beiträgt. Zahlreiche Experten bezweifeln das.
So machten sich beispielsweise in der Sitzung der sogenannten Ampel-Kommission mehrere Mitglieder dafür stark, schriftlich festzuhalten, dass ein Lockdown für Ungeimpfte keinesfalls zu einer Entlastung der Spitäler führen wird.
Lockdown für alle
Bei der einzigen Alternative, nämlich einem regionalen oder gar österreichweiten Lockdown für alle, gibt es freilich ein Problem: Die Kanzler-Partei ÖVP ist nach wie vor überzeugt, dass es auf alle Fälle ohne einen solchen gehen muss. ÖVP-Kanzler Schallenberg hielt am Freitag einmal mehr fest, dass es seitens der Geimpften keine „Solidarität“ mit den Ungeimpften in dem Sinn geben könne, dass man gemeinsam in den Lockdown geht.
Hinzu kommt, dass die Kanzler-Partei ernste Sorgen hat, dass ein genereller Lockdown negative Effekte auf die Impf-Bereitschaft hätte. „Wenn wir das ganze Land in einen Lockdown schicken, können wir den dritten Stich vergessen. Da geht uns doch kein Mensch mehr mit“, sagt eine ÖVP-Ministerin vertraulich zum KURIER. Dem nicht genug, sei ein Lockdown für alle insofern sinnlos, als sich die Menschen daran schlicht nicht mehr halten würden.
Und als wäre das nicht genug, kommt für die ÖVP zu den pragmatischen Überlegungen noch eine strategische hinzu: Seit dem Sommer lautet das türkise Motto, dass die Pandemie für Geimpfte vorbei ist. Ein Lockdown für alle würde diese auf Plakaten und in Inseraten nachlesbare Botschaft der Kanzlerpartei endgültig ins Absurde kippen.
Was also tun? Laut dem KURIER vorliegenden Informationen haben Experten in internen Krisengesprächen noch am Freitag deponiert, dass man über die Option eines kurzen, harten Lockdowns zumindest nachdenken muss. Dieser könnte, so die Berater, zusammen mit möglichst vielen (Booster-) Impfungen dazu führen, dass man ab 8. Dezember bei den Infektionszahlen ein Niveau erreicht, das ein „sicheres Navigieren durch den Winter“ ermöglicht.
Entschieden wird all das voraussichtlich in der Kalenderwoche 47. Die Erklärung dafür: Bei der hoch ansteckenden Delta-Variante zeigen Maßnahmen nach sieben bis zehn Tagen eine Wirkung. Hat der Lockdown für Ungeimpfte nach dieser Zeit keine oder zu geringe Effekte, muss wohl über härtere Maßnahmen nachgedacht werden.
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