"Planlos im Irrgarten": ÖVP wütend über Gewesslers Straßenbau-Projekt

"Planlos im Irrgarten": ÖVP wütend über Gewesslers Straßenbau-Projekt
Klimaministerin Gewessler will den Bau der Umfahrung S18 in Vorarlberg endgültig stoppen. Ihr Vorgehen sorgt für Empörung bei der ÖVP.

Es vergeht mittlerweile kaum ein Tag, an dem nicht wieder ein neuer Streit zwischen der grünen Klimaministerin Leonore Gewessler und dem türkisen Koalitionspartner losbricht: Zuletzt tobte der Konflikt um das EU-Renaturierungsgesetz, das sogar zu einer Anzeige der ÖVP gegen die Ministerin führte. In der Vorwoche sorgte Gewesslers eigenmächtige Einrichtung einer Kommission, die die Gas-Verträge zwischen OMV und der russischen Gazprom prüfen soll, beim Regierungspartner für Verstimmung. 

Nun verlagert sich nun der Konflikt auf ein schon länger nicht mehr beackertes Feld: Die hochrangigen Straßenbauprojekte, die Gewessler im Sinne des Klimaschutzes gegen den Willen der ÖVP verhindern will.  

Straßenprojekte gestoppt

Rückblende: Im Rahmen eines Klimachecks hatte die grüne Ministerin 2021 mehrere Asfinag-Großvorhaben vorübergehend gestoppt. Allen voran die Wiener Nordostumfahrung samt Lobautunnel. Massive Kritik seitens der ÖVP und der betroffenen Länder war die Folge. 

Jetzt, kurz vor der Nationalratswahl, gerät ein seit Jahrzehnten umstrittenes Projekt im Westen Österreichs in den Fokus: Die geplante S18 (Bodensee-Schnellstraße) – eine 8,5 Kilometer Umfahrung, mit der Lustenau entlastet werden soll. Zugleich entstünde damit eine hochrangige Verbindung zwischen den Autobahnsystemen der Schweiz und Österreichs.

Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) ist ein glühender Verfechter des rund zwei Milliarden Euro teuren Projekts – ungeachtet einer Volksbefragung in Lustenau, die im Herbst eine Mehrheit gegen die Umfahrung brachte. Auch, weil die Trasse am Rande eines Naturschutzgebietes verläuft.

VORARLBERG: SONDERSITZUNG DES LANDTAGS - LH WALLNER

Markus Wallner (ÖVP)

Die Gegner bekommen jetzt Unterstützung aus Wien. Am Dienstag wurde bekannt, dass  Gewessler in einem noch nicht unterzeichneten Arbeitsübereinkommen dem Land und der Asfinag vorschlägt, den Streckenverlauf der S18 aus dem Bundesstraßengesetz herauszunehmen. Die nötige Entlastung – so der Plan der Ministerin – soll dann über niederrangige Straßen erfolgen, die zur Gänze der Bund bezahlen würde. 

Es müsse „bessere Lösungen geben, als eine Autobahn durch ein Naturschutzgebiet und die Trennung von Wohngebiet und Naherholungsraum“, argumentiert man im Ministerium. Die vorgeschlagene Alternative habe hingegen den Vorteil einer schrittweisen Realisierbarkeit, was zu einer schnelleren Entlastung der Orte führen würde. Zudem sei das Projekt S18 mit „großen Genehmigungsrisiken“ verbunden.  

Vorbild Kärnten

Solche Arbeitsübereinkommen würden auch in anderen Fällen zum Einsatz kommen, betont man im Ministerium. Im Zusammenhang mit der S37 (Klagenfurter Schnellstraße) würde eines seit dem Vorjahr mit dem Land Kärnten verhandelt. 

Gleichzeitig räumt man ein, dass es mit dem Land Vorarlberg noch keine Gespräche über das Arbeitsübereinkommen gegeben hätte. „Es handelt sich hier um ein Arbeitspapier, das noch nicht fertiggestellt ist“, betont man im Ministerium. 

ÖVP über Gewessler erbost

Dass es in absehbarer Zeit zu ernsthaften Gesprächen mit dem Land kommt, ist mehr als unwahrscheinlich. Denn Landeshauptmann Wallner reagierte am Dienstag  überaus verschnupft auf Gewesslers Vorstoß. Man kenne ihn nur aus den Medien. Die S18 sei 2016 nach erheblichen Anstrengungen ins Bundesstraßengesetz aufgenommen worden. 

Seitdem sei klar, dass der Bund die Verpflichtung habe, eine hochrangige Verbindung zu planen, zu bauen, zu erhalten und zu bezahlen, betonen Wallner und Verkehrslandesrat Marco Tittler (ÖVP). Vorarlberg werde von dieser Grundforderung nicht abgehen. Ministerin Gewessler bewege sich „planlos in einem Irrgarten“, so Wallner.

Somit wird sich die Ministerin mit ihrem Vorhaben wohl kaum durchsetzen. Zumal es auch die Zustimmung des Koalitionspartners erfordert, um die S18 aus dem Bundesstraßengesetz zu kippen. Doch nichts liegt aktuell ferner. „Auch mit uns gab es noch keinerlei Gespräche“, sagt Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger, „das ist eine sehr unseriöse Vorgehensweise“. 

Er ortet im Vorgehen Gewesslers nichts weiter als „Populismus im Wahlkampf, um die eigene Klientel anzusprechen. Die Grünen brauchen anderen keinen Populismus mehr vorwerfen, wenn sie ihm selbst derart verfallen sind. Für uns als Volkspartei ist die Diskussion jedenfalls beendet.“

Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer ließ derweil gegenüber dem ORF NÖ wissen, die S8 und S34 werde im Falle einer nächsten ÖVP-Regierungsbeteiligung errichtet. Beide Projekte waren von Gewessler gestoppt worden.

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