Streit um Lobau-Tunnel: Brisanter Brief von Brunner an Gewessler

Klimaministerin Leonore Gewessler, Finanzminister Magnus Brunner
Als Josef Fiala, Finanzvorstand der Straßenbaugesellschaft Asfinag, am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal eine Vorschau auf das kommende Jahr gab, war ein Aspekt bemerkenswert: In seiner Auflistung für 2024 war kein einziges Straßenbauprojekt zu finden.
Das dürfte auch dem Finanzministerium aufgefallen sein. Deshalb soll es auch schon einen Brief von Minister Magnus Brunner (ÖVP) an seine Regierungskollegin Leonore Gewessler (Grüne) geben, wie der KURIER in Erfahrung bringen konnte.
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Ausgangspunkt dafür ist eine Unterschrift von Magnus Brunner aus dem Jahr 2022. Da hatte er nach langem Hin und Her dem damals präsentierten Straßenbauprogramm der Asfinag erst zu einem Zeitpunkt seinen Segen gegeben, nachdem ihm der Verfassungsdienst in Absprache mit der Finanzprokuratur versichert hatte, dass diese Signatur nicht als Absage an den Lobau-Tunnel gewertet werden kann.

Die geplante Streckenführung von S1 und Lobau-Tunnel
Gleichzeitig hatte der Finanzminister damals in Gesprächen mit dem Infrastrukturministerium deponiert, dass er davon ausgehe, dass die geplanten Straßenprojekte, die in den Asfinag-Plänen nicht mehr zu finden waren, nur „ruhend gestellt“ und nicht gestoppt sind und somit spätestens in zwei Jahren wieder in Angriff genommen werden.
Die Forderungen
In einem Brief wird nun auf diese Frist verwiesen. Aus dem Finanzministerium heißt es auf Anfrage des KURIER dazu: „Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) stellt das Einvernehmen über die Kostenpläne der Asfinag unter der Bedingung her, dass Infrastrukturministerium (BMK) und Asfinag alle gesetzlich normierten Projekte umsetzen und dafür auch Budget in der Mittelfristplanung zur Verfügung stellen. Das hat das Finanzministerium auch in einem Brief an das zuständige Ministerium festgehalten.“ Somit gehe man davon aus, dass die Kostenpläne genehmigt sind, da auch davon auszugehen sei, dass Infrastrukturministerin Leonore Gewessler gesetzeskonform vollziehen werde. Und weiter: „Die Ruhendstellung von zwei Jahren ist aus Sicht des Finanzministeriums ausgelaufen. Die maximale zweijährige Ruhendstellung beziehungsweise Alternativenprüfung ist vorbei.“
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1994: Seitens der ÖVP gibt es den ersten Vorschlag für eine „Nordost-Umfahrung“
2002: Die Stadt Wien startet erste Entwurfsplanungen für eine sechste Donauquerung
2003: Das Ergebnis einer„Strategischen Umweltprüfung“ liegt vor, bei der diverse Varianten geprüft wurden
2005: Die Asfinag präsentiert erste Pläne und rechnet mit einer Fertigstellung im Jahr 2014. Daraus wird nichts, es folgen über die Jahre weitere Verfahren und Gutachten
2015: Die Umweltverträglichkeitsprüfung für die Außenring-Schnellstraße samt Tunnel wird positiv abgeschlossen. Umweltschützer reichen Beschwerde ein
2018: Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt die Baugenehmigung in letzter Instanz. Baustart soll nun 2019 sein, veranschlagt sind 1,9 Milliarden Euro
2021: Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) lässt das Asfinag-Bauprogramm einem „Klimacheck“ unterziehen und gibt im selben Jahr das Aus für die Umfahrung bekannt. Wien, Niederösterreich und Wirtschaftskammer stellen sich bis heute dagegen und leiten rechtliche Schritte ein
2022: Gewessler veranlasst eine „strategische Prüfung“, um das Projekt aus dem Bundesstraßengesetz streichen zu können
2023: Verfahren zu Wasser- und Naturschutzbescheiden laufen im Hintergrund weiter. Auch hier haben Umweltschützer Einspruch eingelegt
Intern wird immer wieder auch darauf verwiesen, dass bereits 200 Millionen Euro in Planungen und Vorbereitungen für den Lobau-Tunnel geflossen sind. Deswegen sieht man im Finanzministerium keinen Sinn darin, das Projekt mit Hilfe von Alternativprüfungen noch länger hinauszuschieben.
In der Asfinag allerdings verweist man auf eine „strategische Prüfung Verkehr“, die im Jahr 2022 vom Infrastrukturministerium initiiert worden ist. Damals sei auch vorgeschlagen worden, dass der Abschnitt 2 (Lobau-Tunnel) der Schnellstraße S1 aus dem Bundesgesetz gestrichen wird, während der Abschnitt 1 ergebnisoffen untersucht werden soll. Dagegen hatten die Bundesländer Wien und Niederösterreich Stellung bezogen und sogar eine Anwaltskanzlei mit einer rechtlichen Prüfung beauftragt.
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Diese strategische Prüfung, kurz SP-V, ist noch nicht abgeschlossen. Und weil noch kein Ergebnis vorliegt, seien für das Jahr 2024 keine Baukosten für die S1 im Bauprogramm vorgesehen, heißt es seitens der Asfinag. Diesbezüglich habe man mit dem Infrastrukturministerium bereits das Einvernehmen hergestellt. Die Abstimmung zwischen dem Ministerium von Leonore Gewessler und dem Finanzministerium ist allerdings nach wie vor im Laufen. Angesichts des Briefes von Magnus Brunner wird sie auch nicht so leicht herstellbar sein.
Nein zu Straßenbau
Im Infrastrukturministerium verweist man ebenfalls auf die strategische Prüfung. Die sei im Laufen, und mehr gebe es zu diesen Straßenbauprojekten derzeit nicht zu sagen. Wobei das Ziel, dass dann bestimmte Straßenbauprojekte wieder aus dem Bundesgesetz gestrichen werden, weiter aufrecht sei.
Entscheidend dafür ist allerdings der Nationalrat als Gesetzgeber. Ob da die Grünen für ihre Anti-Straßen-Pläne eine Mehrheit finden, ist mehr als ungewiss.
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