Lehren aus Ischgl: Platter will bundesweite Après-Ski-Regeln

INTERVIEW: LANDESHAUPTMANN GÜNTHER PLATTER
Die Gespräche mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober laufen schon, sagt der Tiroler Landeshauptmann

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) drängt auf eine bundeseinheitliche Regelung, unter welchen Corona-Bedingungen Apres Ski-Lokale, Bars und Diskotheken öffnen dürfen. „Hier wird man sicher einige Vorgaben machen müssen. Ich gehe davon aus, dass wir im Herbst und Winter solche Lokale nicht unter denselben Rahmenbedingungen wie in den letzten Jahren öffnen können“, sagte Platter im APA-Sommerinterview.

Gespräche mit Anschober laufen

Diese Vorgaben seien Bundesangelegenheit, so der Landeshauptmann. Es gebe bereits Gespräche mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). Am Ende müsse eine einheitliche Regelung stehen mit Kriterien, unter welchen Bedingungen die betroffenen Lokale öffnen können. Falls es Einschränkungen gebe, müsse man jedenfalls auch über Entschädigungszahlungen für die Betriebe reden, forderte Platter. Welche Kriterien er sich vorstellen könne, wollte der Landeshauptmann nicht sagen. Er wolle nicht dem Gesundheitsministerium vorgreifen, es mache keinen Sinn, jetzt mit einzelnen Vorschlägen vorzupreschen.

Auch Ampelregeln bundeseinheitlich

Auch in Sachen Ausgestaltung der „Corona-Ampel“, die noch im September in Normalbetrieb gehen soll, wollte Platter dem Bund keine Ratschläge erteilen. Es sei Aufgabe des Gesundheitsministeriums, die Rahmenbedingungen auszuarbeiten. Dann würden die Vorschläge mit den Ländern diskutiert. Der Aussage von Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP), wonach die Ampel für die Bundesländer nur Empfehlungscharakter haben könne, wollte Platter nicht von vornherein zustimmen. Auch dies sei „zu diskutieren“. Ziel müsse auch hier eine bundeseinheitliche Regelung sein, es solle dann aber auch im Falle des Falles regional entschieden werden können.

"Zweiten Lockdown halten wir nicht aus"

Ob im absoluten Not- bzw. Ernstfall auch wieder das Unter-Quarantäne-Stellen von Orten oder Tälern die Folge sein könne, ließ Platter offen, betonte aber: „Einen zweiten Lockdown halten wir mit Sicherheit nicht aus“. Es gehe vielmehr um Geschwindigkeit, das schnelle Erkennen eines Clusters und das sofortige Contact-Tracing: „Da ist das Wichtigste. Und umso weniger wird man dann räumlich eingreifen müssen“.
Optimistisch zeigte sich der Landeschef hinsichtlich des Schulbetriebes ab Herbst: „Aus derzeitiger Sicht soll der Schulbetrieb normal geführt werden“. Welche etwaigen Corona-Kriterien doch zur Anwendung kommen sollen - das müsse der Bund definieren. Letzteres solle der Bund übrigens auch in der Frage der Rückzahlung zu Unrecht kassierter Corona-Strafen - auch hier brauche es eine Bundesregelung.

"Volle Normalität erst mit Impfung"

Die vollständige, alte Normalität - auch was die Maskenpflicht in gewissen Bereichen angeht - werde wohl erst bei Vorliegen eines „zuverlässigen, wirksamen Impfstoffes“ einsetzen, glaubte Platter. Für eine Impfpflicht sei er - etwa im Gegensatz zu Oberösterreichs ÖVP-Landeschef Thomas Stelzer - dennoch nicht, er baue stattdessen auf „Freiwilligkeit und Eigenverantwortung“.

Manöverkritik

Das, vor allem auch international, massiv kritisierte Tiroler Corona-Krisenmanagement - Stichwort Ischgl - verteidigte der Landeshauptmann großteils einmal mehr: „Das Buch von hinten zu lesen, ist sehr einfach. Bei einer Pandemie alles richtig gemacht zu haben, geht nicht“. Dass das Virus eine derart „aggressive Verbreitung“ nimmt, habe vorher niemand wissen können. Auch alle Experten seien überrascht gewesen. Wichtig sei gewesen, dass „rasante Entscheidungen“ getroffen wurden. „Die wesentlichste war meine Entscheidung, die Wintersaison vorzeitig zu beenden. Zu einem Zeitpunkt, als es in vielen Regionen Tirols noch keine Infektionen gab“, zeigte sich Platter überzeugt.
Er warte nun den Bericht der eingesetzten Expertenkommission rund um den ehemaligen OGH-Vizepräsidenten Ronald Rohrer ab. „Ich gehe von einem fundierten Bericht und von Manöverkritik aus“, so der Landeshauptmann.

Auf Kurz-Kurs

Der seit heuer regierenden türkis-grünen Bundeskoalition stellte Platter wenig überraschend ein positives Zeugnis aus: „Ich bin zufrieden und freue mich, dass es im Bund dieselbe Konstellation gibt wie in Tirol. Ich spüre auch einen deutlichen Rückhalt in der Bevölkerung“. In zwei koalitionären Spannungsfragen - Bleiben von abgelehnten Asylwerbern nach absolvierter Lehre in Österreich und Aufnahme minderjähriger Flüchtlinge aus Griechenland - stellte sich der Landeschef indes hinter das doppelte „Nein“ der ÖVP.

Nicht amtsmüde

Entgegen manchen Vermutungen hat Platter offenbar keine Umbildung seines ÖVP-Regierungsteams geplant. „Ich habe derzeit überhaupt keine Regierungsumbildung im Auge. Es braucht Stabilität und Kontinuität“, erklärte Platter im APA-Sommerinterview. Ob er bei der Landtagswahl 2023 noch einmal ins Rennen geht, werde er „unmittelbar davor“ entscheiden und bekanntgeben.
So habe er es in seiner gesamten Amtszeit als Landeshauptmann, die bereits zwölf Jahre anhält, immer gehalten, erklärte der 66-Jährige. „Die Freude an der Politik sowie die Verantwortung ist groß. Die nächsten Jahre stehe ich jedenfalls zur Verfügung“, ließ der Landeschef keine Amtsmüdigkeit durchblicken.

Ablösekandidaten bleiben im Amt

Als Ablösekandidat im ÖVP-Regierungsteam war zuletzt immer wieder der im Zuge der Coronakrise schwer unter Beschuss geratene Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg gehandelt worden. Der wie der Landeshauptmann aus Zams stammende Tilg gilt aber auch als enger Platter-Vertrauter und gehört wie die meisten ÖVP-Landesräte seit Beginn der Platter-Ära dessen Regierungsmannschaft an. Auch Wirtschaftslandesrätin Patrizia Zoller-Frischauf gilt beständig als Wackelkandidatin. Und zuletzt gesellte sich auch ÖVP-Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler wegen der „Luder“-Causa hinzu.

Kampf gegen Transitverkehr

Ein Fokus liege zudem weiterhin auf dem Kampf gegen den überbordenden Transitverkehr. Dabei übte Platter scharfe Kritik an Deutschland und nahm die EU-Kommission in die Pflicht: „Ich erwarte mir eine Initiative der gesamten EU-Kommission“. „Kleine Länder mit großen Problemen“ wie Tirol bzw. Österreich müssten endlich Berücksichtigung finden. Die Kommission müsse endlich ihre eigenen, im EU-Weißbuch auferlegten Vorgaben ernst nehmen, wonach der Transitverkehr auf der Straße bis 2030 um 30 Prozent und bis 2050 um 50 Prozent reduziert wird. EU-Verkehrskommissarin Adina Valean habe dringend ihre bisherige Linie zu überdenken.

Deutschland "mehr als säumig"

Deutschland wiederum warf Platter weiter Säumigkeit vor, was die Verlagerungspolitik angehe: „So sind sie halt, unsere Freunde“. Der im vergangenen Jahr in Berlin verabschiedete Zehn-Punkte-Plan werde seitens des nördlichen Nachbars weiter nicht umgesetzt. „Wir haben unsere Punkte, wie die Vignettenbefreiung im Raum Kufstein, umgesetzt. Alle anderen Maßnahmen stocken“, stellte der Landeshauptmann einen ernüchternden Befund aus. „Man muss nur das erledigen, was längst vereinbart wurde. Es ist unverantwortlich, was hier passiert. Deutschland ist mehr als säumig“, zeigte sich Platter verärgert.

 

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