Virologin spricht Klartext: "Après-Ski ohne Impfung nicht machbar"
Am Donnerstat hat Dorothee von Laer, Direktorin des Instituts für Virologie an der MedUni Innsbruck, die mit Spannung erwarteten Ergebnisse einer groß angelegten Antikörper-Studie in Ischgl präsentiert. Demnach hat sich fast jeder zweite Dorfbewohner in dem Hotspot mit dem Coronavirus infiziert. Der Großteil, ohne es zu merken.
Der KURIER hat die Virologin zum Interview gebeten. Und mit ihr über die Gefahr einer zweiten Welle durch die Lockerungen, neue Teststrategien und die Zukunft von Après-Ski unterhalten. Sie rät bei Veranstaltungen in geschlossenen Räumen weiter zur Maske.
Ischgl: Fast jeder Zweite hatte Corona
KURIER: Nur einer von sechs Ischglern wusste bereits durch einen PCR-Test, dass er am Coronavirus erkrankt war. Hat Sie das erstaunt?
Dorothee von Laer: Mich hat diese hohe Dunkelziffer überrascht. Ich hätte gedacht, dass man mit der Testung einen großen Teil der Ischgler erwischt hat. Es war ja immerhin ein Hotspot und Epizentrum für Österreich, aber auch ganz Nordeuropa.
Wie lässt sich das erklären?
Ich denke, dass zu wenig getestet worden ist. Aber das waren auch andere Zeiten. Da gab es noch weniger Testmöglichkeiten. Und es ist ja auch immer die Devise ausgegeben worden, nur bei Symptomen zu testen. Das ist gerade bei dem hohen Anteil an Personen, die nur leichte Symptome hatten oder ganz asymptomatisch waren, vielleicht nicht die beste Teststrategie.
Was heißt diese hohe Dunkelziffer abseits von Ischgl für die Gefahr der schleichenden Verbreitung?
Es wird immer Virusinfektionen unter dem Radar geben. Deswegen ist das Mantra aller Virologen: Testen, testen, testen. Und wo Ausbrüche sind, nicht nur die Symptomatischen testen, sondern alle betroffenen Personen. Sie sollten am besten gleich isoliert werden.
So wurde in Ischgl getestet
Was hat Ischgl zum Hotspot werden lassen?
Die Superspreading-Bedingungen in den Après-Ski-Bars. Man weiß heute, dass das Virus einen hohen Dispersionsfaktor hat. Das heißt, es ist breit gestreut wie viele weitere Personen einer infiziert. Wenn der eine Hochinfektiöse einen Rahmen hat, wie in einer Après-Ski-Bar, dann infiziert er sehr viele Personen.
Das heißt für die Praxis?
Die Modelle sagen vorher, wenn man diese Superspreading-Bedingungen alle eliminiert, dass das schon ausreichen könnte, um die Pandemie zu kontrollieren.
Es gibt sehr viele Lockerungen. Müssen wir mit einer zweiten Welle rechnen?
Sorgen machen mir die Lockerungen bezüglich Großveranstaltungen in geschlossenen Räumlichkeiten. Ich kann nur hoffen, dass die Veranstalter so vernünftig sind, dass dort das Abstandhalten, die gute Belüftung und das Maskentragen weiter praktiziert werden, selbst wenn es im Einzelfall nicht gefordert wird.
Sprechen Sie Kultur- und Sportveranstaltungen an?
Insbesondere Veranstaltungen in geschlossenen Räumen. Es geht vom Gottesdienst, wo ohne Maske wieder gemeinsam gesungen werden darf – bis hin zu einem Konzert in einem nicht so gut gelüfteten engen Raum. Sportveranstaltungen in geschlossenen Räumen natürlich auch. Die an der frischen Luft sind, denke ich, alle deutlich weniger gefährlich. Die Superspreading-Events die man kennt, sind meines Wissens nach, alle in geschlossenen Räumen. Die Schlachthöfe sind auch ein Beispiel.
Der Wirt des "Kitzloch" in Ischgl, wo im März die ersten Fälle entdeckt wurden, hat nach der Quarantäne zum KURIER gemeint: "Après-Ski ist sicher nicht tot." Wie sehen Sie das?
Bevor eine Impfung da ist, sehe ich das Après-Ski in der alten Form als nicht machbar. Ganz ehrlich. Aber das entscheide nicht ich.
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