Kuhhandel um Extra-Geld für Bauern und Senioren

Geld für Pensionisten und Bauern: Stöger, Kern, Rupprechter
Einigung bei Pensionen, Bauern und Schulen. Hinter den Kulissen knirschte es aber ordentlich.

Zunächst wollte Hans Jörg Schelling das Ministerratszimmer im Parlament gar nicht betreten, so frostig waren die Verhandlungen mit der SPÖ bis in die Nacht verlaufen. Dann verließ der ÖVP-Finanzminister die Regierungssitzung am Dienstag – terminbedingt – vorzeitig und übertrug sein Stimmrecht auf ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. So blieb es Schelling erspart, die von der SPÖ geforderte Einmalzahlung für die Pensionisten, die er lange abgelehnt hatte, persönlich abzunicken. Kanzler Christian Kern und Mitterlehner hatten sie erst kurz vor Sitzungsbeginn paktiert.

Der ÖVP-Boss hatte noch am Montag in seinen Reihen die Devise ausgegeben: "Wir lassen uns nicht provozieren. Nerven bewahren!" Den Schwarzen missfielen rote Zusatzwünsche und Junktimierungsvorhaben. Das Ökostromgesetz und die Senkung der Ticketabgabe kamen so auf die lange Bank. Das am Dienstag schlussendlich präsentierte Paket mit dem Pensionshunderter, dem Ausbau der Ganztagsschule und einem Sozialversicherungsrabatt für Bauern stand deshalb lange Zeit "Spitz auf Knopf", wie ein Schwarzer erzählt – die Stimmung war entsprechend. Erst in der Vorbesprechung zum Ministerrat konnten Kern und Mitterlehner nach hektischen Gesprächen und Telefonaten den Sack zumachen. "Angespannt" war da noch eine der freundlicheren Beschreibungen des Koalitionsklimas. Von einem "extremen Kuhhandel" war auch die Rede: Der Pensionshunderter für die SPÖ-Klientel, der Rabatt für die Bauern, also die ÖVP (siehe hier).

Länder reden mit

Selbst der lange geplante Beschluss, 750 Millionen Euro aus der Neuregelung der Bankenabgabe in den Ausbau der Ganztagesschulen zu investieren, geriet um ein Haar zum neuerlichen Streitfall. Am Schluss mischten sich auch noch die Länder ein und begehrten erfolgreich ein gutes Stück vom Kuchen – 250 Millionen – für sich.

In der Interpretation des Ergebnisses stand am Ende mehr das Trennende im Vordergrund, nicht das Gemeinsame, wie dies Kanzler und Vizekanzler durch ihren spontanen und vor allem gemeinsamen Auftritt vor der Presse symbolisieren wollten.

Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) betonte den Vorrang für den Ausbau der verschränkten Ganztagsschule (Unterricht und Freizeit abwechselnd über den Tag verteilt). ÖVP-Staatssekretär Harald Mahrer legte Wert auf die Feststellung, dass die Schulen die Wahlfreiheit hätten und auch reine Nachmittagsbetreuung nach der Schule anbieten könnten.

Hoher Zeitdruck herrschte wegen der Beschlussfassung des Budgets für 2017 am Donnerstag. Die Situation hätte auch "rasch eskalieren " können, sagt ein Eingeweihter. Der trotz aller Streitereien letztlich demonstrierte Arbeitseifer habe im Übrigen nichts mit der Hofburg-Stichwahl am 4. Dezember zu tun, betont ein Verhandler. Im Gegenteil: "Die Regierung ist ganz mit sich selbst beschäftigt."

Gibst du mir, dann geb ich dir, so lautete das Motto bei den jüngsten Verhandlungen der Regierung. So brachte die SPÖ ihren Extra-Hunderter für Pensionisten durch, die ÖVP erhielt ein Zuckerl für die Bauern. Zufrieden sind dennoch nicht alle. Vor allem in der ÖVP wird der Tauschhandel kritisiert.

Schelling musste nachgeben

Pensionistenverbandschef Karl Blecha (SPÖ) hatte im Sommer befunden, 0,8 Prozent plus für die Pensionisten sei zu wenig. Es solle zusätzlich eine Einmalzahlung von 100 Euro geben. ÖVP-Seniorenbund-Chefin Ingrid Korosec plädierte hingegen dafür, niedrige Pensionen um 1,3 Prozent anzuheben, höhere Pensionen um ein Prozent. Als sich Kanzler Christian Kern Mitte Oktober für den Pensionistenhunderter starkmachte, konterte Finanzminister Hans Jörg Schelling, dass derlei im Budget nicht eingepreist sei.

Nun gab der ÖVP-Mann nach. Entsprechend groß ist der Jubel bei den Roten. Blecha frohlockt: "Unser Einsatz hat sich ausgezahlt!" Kern sagt, das sei ein "Beitrag zur Kaufkraftstärkung". Korosec freut sich zwar, dass es mehr Geld für Senioren gibt, sieht im "Hunderter" aber "nur die zweitbeste Lösung". Ihr Modell wäre "nachhaltiger und gerechter" gewesen. ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner sagt, durch die Einmalzahlung werde das Budget nicht auf Dauer belastet werden.

Finanzielles Zuckerl für die Bauern

Es gab freilich auch einen anderen Grund. Die ÖVP hatte seit Monaten gefordert, die Bauern müssten finanziell entlastet werden. Die Landwirte hätten durch fallende Preise, Naturkatastrophen und die Sanktionen gegen Russland große Verluste erlitten. Im Sommer hatte sich die Regierung geeinigt, dass Sozialversicherungsbeiträge gestundet werden sollen.

Nun schlugen die Schwarzen heraus, dass einem Großteil der Bauern die Sozialversicherungsbeiträge für das vierte Quartal 2016 erlassen werden. Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter ist erfreut. Andere Schwarze murren: "Wenn wir vorzeitig wählen, kann die SPÖ mit dem Pensionshunderter wahlkämpfen." In ÖVP-Wirtschaftskreisen sieht man in der "Verteilaktion à la Jörg Haider" grundsätzlich einen Sündenfall.

ÖVP-Mandatar Asdin El Habbassi hinterfragt die Einigung via Twitter offen: "Leute mit über 3000 Euro Pension bekommen auch 100 Euro – Bravo. Wenn schon 200 Mio "investieren" warum nicht in Stützpersonal für #Bildung?" Unzufrieden sind sogar Landwirtschaftskammerpräsident Hermann Schultes und Bauernbundpräsident Jakob Auer. Sie wettern gegen die "Ungleichbehandlung", weil nicht alle Bauern entlastet werden.

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