Kritik an Brandstetter als Verfassungsrichter wird laut

Wechselt Wolfgang Brandstetter von der Regierungsbank an den VfGH?
Dass ein Justizminister direkt als Richter an den Verfassungsgerichtshof wechselt, sorgt unter Experten ebenso wie die mögliche Berufung eines schlagenden Korporierten für merkbares Unbehagen. Verfassungsjurist Theo Öhlinger kritisiert zudem die nebenberuflichen Tätigkeiten der Richter.

Die Nachricht, dass Wolfgang Brandstetter, bis Dezember Vizekanzler und Justizminister, zum Höchstrichter an den Verfassungsgerichtshof ernannt werden soll, sorgt eben dort für Kritik. Laut Standard herrscht unter den Richtern Unverständnis. Brandstetter hat jahrelang an der Erstellung von Gesetzen mitgewirkt, die er nun kontrollieren müsste. Ein ungenannter Richter hält diesen Wechsel zwischen den Staatsgewalten in Sachen Optik für "Wahnsinn". Ein anderer schon rein praktisch für schwierig: Müsse Brandstetter sich bei allen Gesetzen für befangen erklären, die er auf irgendeine Weise mitgestaltet hat? Zudem scheint manchen die Parteinähe des Kandidaten aufzustoßen.

Zuletzt wechselten Regierungsmitglieder in der Ersten Republik als Richter an den VfGH. 1921 wurden der vorherige Bundeskanzler Michael Mayr und Justizstaatssekretär Rudolf Ramek Höchstrichter. Rechtlich wäre der Wechsel laut Verfassungsrechtler Theo Öhlinger auch heute noch "auf jeden Fall möglich". Zwar dürfen der VfGH-Präsident und sein Stellvertreter in den vergangenen fünf Jahren nicht einer Regierung angehört haben, es gibt allerdings keine gesetzliche Abkühlzeit für die anderen zwölf Richter.

Abkühlphase: Für und Wider

Öhlinger sagt gegenüber dem KURIER, er habe damit "kein grundsätzliches Problem". Frühere Verfassungsrichter wie Ludwig Adamovich oder Gerhart Holzinger hätten in ihren früheren Funktionen (etwa als Leiter des Verfassungsdienstes) viel mehr damit zu tun gehabt, die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen in ihrer Entstehung zu bewerten.

Die SPÖ forderte jedoch eine Abkühlphase von zumindest zwei Jahren für die Höchstrichter und auch die Neos wollen das zumindest prüfen. Alfred Noll, der zuständige Sprecher von der Liste Pilz, hält davon nichts, merkt im Standard aber an, dass Brandstetter mit Verfassungsrecht "zeitlebens nichts zu tun hatte". Das bestätigt auch Öhlinger dem KURIER. Brandstetter sei zwar "ein hervorragender Jurist" aber eben kein Verfassungsjurist. Öhlinger meint aber, dass Leute mit einem etwas anderen Hintergrund sich durch eine methodisch andere Herangehensweise in das Kollegium durchaus gut einbringen können.

Kritik an Brandstetter als Verfassungsrichter wird laut
APA13414362 - 26062013 - WIEN - ÖSTERREICH: (v. l. n. r.) Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) Christoph Herbst, Georg Lienbacher, Michael Holoubek, Ingrid Siess-Scherz, Christoph Grabenwarter, Sieglinde Gahleitner, Vizepräsidentin Brigitte Bierlein, Präsident Gerhart Holzinger, Rudolf Müller, Eleonore Berchtold-Ostermann, Claudia Kahr, Johannes Schnizer, Helmut Hörtenhuber und Markus Achatz im Rahmen eines Fototermins mit den 14 Verfassungsrichtern am Mittwoch, 26. Juni 2013, am Verfassungsgerichtshof (VfGH) in Wien. APA-FOTO: HERBERT PFARRHOFER

Kritik an Nebenberuflichkeit

Eine für Öhlinger viel schwerwiegendere Problematik ist aber die Nebenberuflichkeit. Auch Brandstetter wird seine Kanzlei wohl als Höchstrichter weiterführen. Aus diesem Umstand können sich oft heikle Befangenheitsgründe ergeben, findet der Verfassungsjurist. Auch dürfte es für manchen Mandanten attraktiv sein, sich einen Verfassungsrichter als Anwalt zu nehmen.

Das Problem sieht er allerdings nicht exklusiv bei Brandstetter, sondern das gelte für viele Verfassungsrichter. Die Tätigkeit am VfGH ist nämlich als nebeberuflich definiert. Für Öhlinger ein "absurdes Konstrukt". Die Bestimmung stammt aus dem Jahr 1920 und damit aus einer Zeit, in der es deutlich weniger Fälle zu bearbeiten gab. Heute klagen die Richter hingegen oft über die Aufgabenflut.

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Burschenschafter in den VfGH

Für Gesprächsstoff sorgen neben Brandstetters wahrscheinlicher Bestellung freilich auch die anderen, bevorstehenden Nachbesetzungen des VfGH. Die FPÖ will zwei Sitze für sich beanspruchen. Die Anwälte Rüdiger Schender und Michael Rohregger, die die FPÖ bei der erfolgreichen Wahlanfechtung der Bundespräsidentschaftswahl 2016 vertreten hatten, sind im Gespräch.

Als erster Kandidat gilt aber Andreas Hauer, der an der Johannes Kepler-Universität zum Verwaltungsrecht forscht. Er habe als Verfassungsjurist sicher "die Qualifikation", meint Öhlinger, näher bewerten wollte er den jüngeren Kollegen aber nicht, da er ihn nur "relativ flüchtig" kenne. Laut KURIER-Informationen soll Hauer direkt von der Regierung ernannt werden, während Brandstetter ein Hearing im Parlamentsausschuss bestehen wird müssen.

Der 52-jährige Hauer ist - wie der oberösterreichische Vize-Landeshauptmann Manfred Haimbuchner und Verkehrs-Landesrat Günther Steinkellner (beide FPÖ) ein Mitglied der schlagenden Burschenschaft "Corps Alemannia Wien zu Linz".

In seiner Laufbahn zeigte Hauer sich mehrmals kompatibel mit FPÖ-Politik: So fertigte er ein Gutachten an, das für die Blauen untermauerte, dass geförderte Wohnungen an Deutschkenntnisse geknüpft sein dürfen. Für Kritik sorgten auch Attacken auf Medien, den ORF und Teilnahmen am höchst umstrittenen Akademikerball, wo er 2017 als Festredner auftrat (in einem Blogbeitrag suggerierte Hauer 2014, die Gegendemonstrationen seien zu verbieten und vermutete unter den Demonstranten "terroristische Vereinigungen").

Petition an Kurz und Van der Bellen gegen Hauer

SOS Mitmensch startete am Montag auch deshalb eine Online-Petition gegen die Berufung Hauers, die bis Dienstag-Vormittag bereits 5.000 Unterschriften sammelte. Darin werden Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Kanzler Sebastian Kurz aufgerufen, an Mitglieder des Verfassungsgerichts besondere Ansprüche anzulegen. Als "eine der wichtigsten Grundsäulen der Demokratie und unseres Rechtsstaates" vertrage die Institution keine Personen, die ein "Naheverhältnis zu Extremismus, Rassismus oder Antisemitismus" hätten.

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