Krisenherde: An den Bruchlinien der Einflusssphären

Krisenherde: An den Bruchlinien der Einflusssphären
In einem instabil gewordenen globalen Machtgefüge strahlen Krisen und Konflikte weit über ihren Schauplatz hinaus aus. Welche Kriegsgefahren bergen die aktuellen Brandherde der Weltpolitik.

- Seit 2011 herrscht in Syrien ein Krieg, der immer größere Wellen geschlagen hat. Waren es anfangs noch großteils desertierte Soldaten, die gegen das System von Machthaber Assad kämpften, ist der Bürgerkrieg über die Jahre zusätzlich in einen Religions- und Stellvertreterkrieg ausgeartet. Schiiten kämpfen gegen Sunniten, radikale Sunniten gegen gemäßigte(-re) Sunniten, während der Iran und Saudi-Arabien um ihren Einfluss im Mittleren Osten ringen. Russland unterstützt Assad ebenfalls, um seinen Einfluss in dieser Region zu sichern und steigerte dadurch seine globale Bedeutung. Der Raketenangriff der USA vergangene Woche befeuert die internationale Bedeutung des Konflikts.

- Seit den 1990er-Jahren verfolgt die kommunistische Diktatur in Nordkorea ein militärisches Atomprogramm. Bisher wurden zumindest zwei erfolgreiche Atomtests durchgeführt, sechs Atomsprengköpfe sollen einsatzbereit sein. Nordkoreanische Trägerraketen können Japan erreichen, eine Interkontinentalrakete, mit der man auch die Westküste der USA angreifen könnte, wurde bereits getestet. US-Präsident Trump dagegen will den politischen Druck auf Nordkorea erhöhen und erwägt auch eine Militäraktion, um das Land zum Stopp seines Atomprogramms zu zwingen. China als einzige Schutzmacht des Regimes in Pjöngjang will diese Eskalation verhindern, die den Kollaps Nordkoreas bedeuten würde – mit Millionen Flüchtlingen.

- Nach der Revolution und dem Sturz des Russland-freundlichen Präsidenten Viktor Janukowitsch 2014 startete Russland eine militärische Kampagne in der Ukraine. Zunächst wurden Sondertruppen der Schwarzmeerflotte auf der Krim mobilisiert und die Halbinsel unter Kontrolle gebracht. Im Osten und Süden der Ukraine schürte Russland gezielt Ressentiments gegen die neue Führung in Kiew, die einen EU- sowie NATO-Beitritt anstrebt, formierte und unterstützte später lokale Milizen personell sowie materiell und schickte auch eigene Verbände – wobei Moskau immer betonte, es handle sich um beurlaubte Soldaten über die man kein Kommando habe. Beobachtungen der OSZE legen aber nahe, dass eine bestens organisierte Nachschubkette aus Russland in die Ukraine besteht. Formell wurde zwischen Russland und der Ukraine nie ein Krieg erklärt. Kiew spricht von einer Antiterror-Operation. Russland besteht darauf, unbeteiligt zu sein. Der Konflikt hat den Aufmarsch von Truppen Russlands und der NATO nach sich gezogen.

Krisenherde: An den Bruchlinien der Einflusssphären
grafik Bilder: Reuters (4) AFP (3) AP

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- Im Jemen tobt seit März 2015 ein Konflikt zwischen den schiitischen Huthi-Rebellen und einer von Saudi-Arabien geführten Militärkoalition. Saudi-Arabien, das von den USA unterstützt wird, hatte eingegriffen, nachdem die Huthis die Regierung gestürzt hatten. Der Konflikt hat tiefe religiöse Wurzeln: Das Land im Süden der Arabischen Halbinsel ist in eine sunnitische Mehrheit und eine schiitische Minderheit (ca. 38 Prozent) gespalten. Mittlerweile herrscht im Jemen nicht nur ein Bürgerkrieg, der bis jetzt mehr als 10.000 Tote gefordert hat, sondern auch ein Stellvertreterkrieg zwischen dem schiitischen Iran und dem sunnitischen Saudi-Arabien.

- Seit dem Sturz des Langzeitmachthabers Muammar al-Gaddafi herrscht in Libyen Chaos. Drei Regierungen kämpfen um die Macht. Die von der EU unterstützte "Einheitsregierung" kontrolliert nicht einmal vollständig die Hauptstadt Tripolis, geschweige denn andere Teile des Landes, die Gegenregierung in Tripolis verfolgt eine islamistische Ideologie. In der östlichen Stadt Tobruk sitzt das ursprünglich gewählte Parlament, das de facto vom Warlord Khalifa Haftar kontrolliert wird. Haftar wird von Ägypten und Russland unterstützt.

- Auch nach dem Sturz Saddam Husseins durch die USA 2003 ist der Irak nicht zur Ruhe gekommen. Der Kampf zwischen Sunniten und Schiiten um die politische Vorherrschaft ist mit dem Auftreten und der Ausbreitung des IS zu einem offenen Bürgerkrieg eskaliert. Die kurdische Minderheit im Norden ist zwar weitgehend politisch und wirtschaftlich autonom, aber ebenfalls tief in den Krieg gegen den IS verstrickt. Die USA versuchen die Kontrolle über die schiitisch dominierte Regierung in Bagdad zu behalten, diese nähert sich aber zunehmend dem Iran an, der schiitische Milizen im Land mit Waffen und Geld versorgt.

- Der Streit um mehrere Inselgruppen im südchinesischen Meer existiert seit den 1950er-Jahren, ist aber durch den wachsenden Anspruch Chinas auf die Rolle als politische und militärische Führungsmacht in Ostasien eskaliert. China beansprucht 80 Prozent der bis an die Küsten Malaysias und der Philippinen reichenden Gewässer. Die am heftigsten umstrittene Inselgruppe sind die Spratly-Inseln, auf die sechs Staaten der Region Anspruch erheben. Auch die USA sehen durch Chinas wachsende Ansprüche ihre militärischen Interessen in der Region gefährdet. Außerdem stehen ihre engen Verbündeten Japan und die Philippinen in Konkurrenz mit China um Gebiete in der Meeresregion, reich an Bodenschätzen. Russland, dessen Pazifikflotte ebenfalls in der Region präsent ist, stellt sich an die Seite Chinas.

- Die NATO hat ihr Engagement in Afghanistan massiv zurückgefahren. Die Regierung in Kabul ist intern zerstritten und die radikalislamischen Taliban sowie auch die Terrormiliz "Islamischer Staat" haben massiv an Boden gewonnen – das strahlt in die ex-sowjetischen Staaten im Norden Afghanistans aus. Russland interessierte sich daher in den vergangenen Jahren zunehmend für Afghanistan und suchte vermehrt Kontakt zur afghanischen Führung. Ebenso China.

- Um die seit den 90er-Jahren abtrünnigen und von Russland unterstützten Regionen Abchasien und Südossetien entspann sich 2008 ein Krieg zwischen Georgien und Russland. Die Grenze zwischen den Gebieten wurde seither mehrmals zum Nachteil Georgiens, das in EU und NATO strebt, verschoben. Moskau erkennt Südossetien und Abchasien an.

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