Zahl der Krankenstände in Österreich so hoch wie seit 30 Jahren nicht mehr
Die Österreicher gehen immer öfter in Krankenstand. Das zeigt der aktuelle Fehlzeitenreport des WIFO, der die Krankenstände im Jahr 2023 analysiert. Die zentralen Ergebnisse: 2023 war jeder unselbstständig Erwerbstätige im Durchschnitt 2,3 Mal krankgeschrieben. Der Krankenstand dauerte pro Fall 9,3 Tage. Der Anteil der Krankenstandstage steigt, die Dauer der Krankstände geht zurück. Insgesamt waren die Österreicher 15,4 Tage im Krankenstand.
Zum Vergleich: 2022 waren die Österreicher durchschnittlich 14,9 Kalendertage lang krankgeschrieben.
„Österreich war eigentlich immer ein Land mit einer durchschnittlichen Krankheitsdauer von 13 bis 14 Tagen“, sagt Andreas Huss, Vorsitzender der Konferenz der Sozialversicherungsträger, bei einer Pressekonferenz Dienstagvormittag. Man sehe also eine „erhebliche Steigerung“ im Krankheitsgeschehen. Das liege unter anderem an der Grippewelle 2023. Alarmismus sei aber nicht angebracht.
Junge Menschen und Frauen häufiger krank
4,2 Prozent der Arbeitszeit der Unselbstständigen entfielen aufgrund von Krankenständen. Die Durchschnittswerte würden einiges zeigen, aber vieles verhüllen, sagt Studienautorin Christine Mayrhuber (WIFO): „Die höchsten Krankenstandsquoten haben wir im Gesundheits- und Sozialwesen.“ Mayrhuber führt das auf die hohen Arbeitszeiten und die „Gefahrenquellen“, am Arbeitsplatz zu erkranken, zurück. Zudem zeigt sich: Frauen und junge Menschen gehen öfter in Krankenstand.
Atemwegserkrankungen als Hauptursache
Die häufigste Ursache für Krankenstände sind übrigens Atemwegserkrankungen. Sie sind für 45 Prozent aller Krankenstände verantwortlich. Laut Mayrhuber ist das nicht nur auf Covid und Grippeerkrankungen, sondern auch auf Umweltfaktoren zurückzuführen. Mit dem Impfangebot habe man aber „Low Hanging Fruits“, um Atemwegserkrankungen zu reduzieren. Deutlich zurückgegangen sind dafür Krankenstände aufgrund von Verletzungen, Vergiftungen oder Muskel-Skelett-Erkrankungen.
Was soll gesundheitspolitisch gegen die steigenden Krankenstände unternommen werden? Neben Impfungen und Vorsorgeprogrammen, nennt Huss mehr Bewegung, bessere Ernährung und Prävention bei psychischen Erkrankungen als zentrale Punkte. Huss plädiert zudem für mehr Gesundheitskompetenz: „Das Wissen der Menschen, was krank macht, ist in Österreich unterentwickelt.“
"Massive Belastung für die Betriebe"
Nicht zielführend finde er Vorwürfe, „dass die Menschen zu viel in Krankenstand gehen“, so Huss. „Auch, dass erster Krankenstandstag nicht bezahlt werden soll, ist nicht zielführend.“ Ein Krankenstandstag koste den Arbeitgeber rund 250 Euro pro Tag, sagt Rolf Gleißner, WKO-Abteilungsleiter für Sozial- und Gesundheitspolitik. „Für die Betriebe ist das eine massive Belastung. In anderen EU-Staaten ist eine 100-prozentige Entgeltfortzahlung unüblich.“ Ändern wolle die Wirtschaftskammer (WKO) das jedoch nicht.
„Wir hoffen sehr, wenn die Immunabwehr gegen Covid oder Grippe wiederhergestellt ist, dass wir dann wieder zu niedrigen Krankenständen zurückkehren, so Gleißner. Gesunde Arbeitnehmer seien immanentes Interesse der Unternehmen. Für welche Maßnahmen plädiert Gleißner? „In Wahrheit müssen hier alle, auch die Betroffenen selbst aktiv werden.“ Die Angebote der Versicherungen und der SVS seien jedenfalls gut.
57 Prozent der Österreicher fettleibig
„Der Fehlzeitenreport zeigt doch die Defizite in unserem Gesundheitssystem auf“, sagt wiederum Wolfgang Panhölzl, Abteilungsleiter Sozialversicherung in der Arbeiterkammer Wien. Alarmierend sei der hohe Anteil der Muskel- und Skeletterkrankungen sowie psychischen Erkrankungen bei den jungen Versicherten. 18 Prozent der 15- bis 19- Jährigen würden bereits angeben, an einer chronischen Krankheit zu leiden. Auch Adipositas sei ein massives Problem. Unglaubliche 57 Prozent der Österreicher seien übergewichtig, so Panhölzl. Laut Studien seien zudem 10 Prozent aller Krebserkrankungen arbeitsbedingt.
Die AK fordert ein Präventionsgesetz und den flächendeckenden Ausbau der Versorgung. „Mit der Aushungerung der ÖGK und Beitragssenkungen bei der Unfallversicherung werden wir dieses Ziel nicht erreichen“, sagt Panhölzl.
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