E-Card-Urlaub: Was tun, wenn sich ein Kollege ständig krankmeldet
Ist ein Team-Mitglied auffällig oft krank, kann das zu Reibereien führen. Krankenstände anzusprechen, ist ein heikles Terrain. Aber es gibt eine Lösung.
Einkaufssamstag, acht Uhr zehn. In zwanzig Minuten öffnen die Schiebetüren eines Drogerie-Riesen, um die Weihnachtseinkäufer einzulassen. Die Mitarbeiter stehen bereit. Alle bis auf eine. Es ist der dritte Wochenend-Dienst in Folge, den eine Mitarbeiterin krankheitsbedingt absagen muss. Obwohl sie sich gestern noch quietschfidel präsentierte.
Verdächtig, findet der Filialleiter, der sich nach Corona und Migräne jetzt mit einem ominösen Magen-Darm-Virus konfrontiert sieht. Viel Zeit, die Krankmeldung zu hinterfragen, hat er nicht, denn er muss zum Hörer greifen und jemanden finden, der für die Kollegin einspringt. Auf sich beruhen lassen, möchte er die gehäuften Krankenstände auch nicht. Was er tun kann?
„In diesem Moment gar nichts“, rät Führungsexperte und Autor Martin Giesswein eindringlich. „Da kommt man arbeitsrechtlich in Teufels Küche.“ Stattdessen solle man den eigenen Stress ausklammern, gute Besserung wünschen und bitten, sich zu melden, sobald man am Weg der Besserung ist. Jedoch würde das nicht bedeuten, einer begründeten Unsicherheit gar nicht nachgehen zu dürfen, weiß der Experte. Denn das könne sich fatal auf das gesamte Team auswirken.
Engmaschig führen
Vermutet man einen mehrfachen Fall von E-Card-Urlaub, liegt die Leistungsbereitschaft des Mitarbeiters oft ohnehin unter jener des restlichen Teams, merkt Giesswein an. Will man diese aufbessern, wartet man also den Krankenstand ab und führt danach „engmaschig“. Bedeutet, mehr persönliche Unterstützung anzubieten und zu eruieren, weshalb das Arbeitsethos gerade angeschlagen sein könnte.
Das Team sollte darüber informiert sein. „Mitarbeiter müssen das Vertrauen haben, dass Menschen, die keinen fairen Beitrag zur Teamarbeit leisten oder gerade leisten können, unterstützt werden. Für eine absehbare Zeit“, sagt Martin Giesswein, der hier von etwa sechs Monaten spricht.
Furchtbar ist, wenn sich die Situation häuft und der Chef oder die Chefin nichts macht.
von Martin Giesswein, Führungsexperte
Weshalb das so wichtig ist? Einerseits aus Rechtsgründen, weil – kommt ein Fall vor das Arbeits- oder Sozialgericht – eine Firma beweisen muss, dass sie alles getan hat, um die Leistungsfähigkeit eines Mitarbeiters aufzubessern. Andererseits für die Teamdynamik, „weil es furchtbar ist, wenn sich die Situation häuft, der Chef oder die Chefin nichts macht und das Team das Gefühl hat, dass es immer so weitergehen wird.“
Schließlich ist es auch für Kollegen belastend, wenn die Arbeitsleistung von einer Person regelmäßig ausbalanciert werden muss, erklärt Coachfident-Wirtschaftspsychologe Tim Noldin. „Es geht nicht um die Person, die krank ist, sondern um die Auswirkungen, die der häufige Krankenstand auf einen selbst hat“, so Noldin. Der Ärger wird größer, je länger die Situation andauert. Gerade Führungskräfte sollten hier aufmerksam sein, denn der Grant würde sich nicht nur auf den womöglich arbeitsfähigen Krankgemeldeten übertragen, sondern auch auf den Chef oder die Chefin, die ständig neue Aufgaben zuteilt.
Frei von Drama
Bleibt der Chef betriebsblind, haben auch Kollegen die Möglichkeit, aktiv zu werden, ohne den potenziellen E-Card-Urlauber in der oberen Etage anzuschwärzen, erklärt Noldin. Zu groß sei schließlich die Gefahr, dass jemand wirklich krank war und die Vorwürfe haltlos. „Ich würde mit der Person direkt sprechen. Weil ich sonst für alle Konsequenzen, die daraus entstehen können, verantwortlich bin“, rät Noldin.
14,9 Tage krank waren erwerbstätige Personen durchschnittlich 2022, erhebt die Statistik Austria
9,4 Tage dauerte ein Krankenstand durchschnittlich
Krankenstände gab es 2022 insgesamt 5,7 Mio. – 36 % mehr als 2021
Rechte & Pflichten: Krankenstand unverzüglich melden. Der Arbeitgeber kann auch nach einem Tag eine ärztliche Bestätigung einfordern. Darin muss die Ursache für die Arbeitsunfähigkeit (krank oder Unfall), aber nie eine Diagnose angeführt sein
Besser wäre es deshalb, dem Krankenstand-Fan die Folgen seines häufigen Fernbleibens zu schildern, nach dem Motto: „Jedes Mal, wenn du weg bist, brennt hier der Hut.“ Oder: „Veröffentlichst du wenige Stunden vor Dienstantritt noch Partyfotos, verringert das meine Bereitschaft, für dich einzuspringen.“ Führt jedoch kein Gespräch am Chef vorbei, rät Noldin auch hier, nicht den Krankenstand des anderen vorzuschieben, sondern den eigenen wachsenden Aufgabenbereich. Oft muss man Ziele ändern oder neu priorisieren. Zusammengefasst: „Ein völlig dramafreies Gespräch, wie mit der Situation umgegangen wird.“
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