Korosec: "Senioren sind drittgrößte Wirtschaftsmacht nach China und den USA"

Doppel-Interview Plakolm / Korosec
Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec will Senioren als "Chancengruppe" verstanden wissen und plädiert wegen der Krise für Sozialpartnergipfel im Jänner.

Schlagworte wie "Pflegekräftemangel", "Altersarmut" oder "Pensionsloch" kommen ÖVP-Seniorenbundpräsidentin Ingrid Korosec im Pressegespräch erst spät über die Lippen. Sie fordert erst einen "Paradigmenwechsel" ein, appelliert an Politik und Gesellschaft, nicht "über die Senioren zu reden, sondern mit ihnen". Und die immer größer werdende Gruppe - jeder 5. Haushalt ist derzeit ein Seniorenhaushalt, 2030 wird es jeder 4. sein - als "Chancengruppe und nicht als Risikogruppe" zu sehen.  

Untermauert werden diesen Sätze von Korosec mit Daten.

Laut Statistik Austria werden im Jahr 2040 über 26 Prozent der Gesellschaft über 65 Jahre alt sein. Gemessen an ihrer Wirtschaftsleistung und Kaufkraft "sind Senioren die drittgrößte Wirtschaftsmacht nach China und den USA", so die Seniorenbund-Präsidentin. Die Konsumausgaben der Über-65-Jährigen würden jährlich über 50 Milliarden Euro ausmachen - und damit 25 Prozent des gesamten privaten Konsums.   

Unbezahlte Arbeit im Wert von 8,5 Milliarden Euro 

Zudem entfallen laut WKO "mehr als 20 Prozent der 2021 gegründeten Einzelunternehmen auf die Generation 50 Plus". Gerne außer Acht gelassen werde, "dass jüngere Generationen insbesondere von der Erfahrung der älteren profitieren können". Das mache sich nicht erst jetzt - durch das Zurückholen von Pensionisten in den Arbeitsmarkt - bemerkbar. 

Zudem, rechnet Korosec vor, leisten Senioren 8,5 Milliarden Euro an unbezahlter Arbeit im Ehrenamt pro Jahr. Zum Vergleich zieht sie das Jahresbudget für Arbeit heran, das bei 9,3 Milliarden Euro liegt. Die Generation der Über-60-Jährigen leiste allein durch die Pflege von Angehörigen Arbeit im Wert von sechs Milliarden Euro pro Jahr. 

Seniorenpolitik sei daher keine Klientelpolitik, sondern "immer Gesellschaftspolitik", betreffe alle Gesellschaftsbereiche und unmittelbar wie mittelbar alle Generationen. Insbesondere ob der Energie-Krise und den Prognosen für 2023 fordert die Seniorenvertreterin einen "Sozialpartnergipfel Ende Jänner, um für die Entwicklungen gerüstet zu sein".

Zu dem geforderten Paradigmenwechsel gehöre auch, mit Klischees zu brechen, so Korosec, die selbiges an Themenbereichen festmacht.

Arbeitsmarkt: Die ÖVP-Politikern will die Über-50-Jährigen als "Chancengruppe am Arbeitsmarkt" verstanden wissen und fordert, die Pensionsbeiträge für arbeitende Pensionisten von derzeit bis zu 22,8 Prozent abzuschaffen, um Arbeit im Alter attraktiver zu machen. Derzeit seien rund 88.000 Pensionisten in Österreich erwerbstätig. 

Neben der bereits oft geforderten Angleichung des faktischen an das gesetzliche Pensionsalter müsse es insbesondere für Frauen mehr Beratung und Aufklärungsarbeit geben. Grund: "Frauen sind in der Teilzeitfalle. Teilzeit bedeutet nämlich auch halbe Pension - nur beschäftigen sich die meisten Menschen erst damit, wenn es zu spät ist." Das automatische Pensionssplittung, auch um Altersarmut von Frauen vorzubeugen, befürwortet Korosec.

Pflegereform: Um den eklatanten Mangel an Pflegekräften - bis 2030 fehlen bis zu 100.000 - zu heben, fordert die ÖVP-Politikern "eine Finanzierung aus einer Hand". Es könne nicht sein, dass zwar die Pflegegeldstufen einheitlich sind, nicht aber die Leistungen, die man dafür in den einzelnen Bundesländern bekommt. Mit dem Pflegegeld der Stufe 3 bekomme man in einem Bundesland 27 Stunden Heimhilfe - in einem anderen 55 Stunden. 

Altersdiskriminierung: Fehlende Bankomaten, die Möglichkeit, mit Bargeld zu zahlen bis hin zu strengeren Auflagen bei Kreditvergaben - dies alles kommt für Korosec einer Diskriminierung gleich. Dabei würde all das nicht nur Älteren zu Schaden gereichen. "Mit der Novelle des Hypothekar- und Immobilienkreditgesetzes haben wir erreicht, dass in Zukunft nur noch die finanziellen Sicherheiten zählen, nicht mehr das Alter beziehungsweise die statistische Lebenserwartung.“

Betreffend Mobilität, Umweltschutz und Klimawandel hätten die Älteren zudem mit Klischees zu kämpfen, führt die ÖVP-Politikerin aus. Senioren müssten mobil bleiben können durch einen verstärkten Ausbau der öffentlichen Anbindungen. Grund: Bessere Mobilität erhöhe die Selbstständigkeit und bekämpfe Einsamkeit. 

In punkto Umweltschutz gesteht Korosec ein, vor Jahrzehnten noch unachtsam gewesen sein. Nicht aus Mutwilligkeit, sondern aus Unwissenheit wie viele früherer Generationen. Dass Ältere sich nicht um den Klimawandel sorgten - das streitet sie ab. "Vor allem Senioren sind aufgrund ihres Alters, ihrer Lebensumstände und der hohen Armutsgefährdung eine Hochrisikogruppe des Klimawandels.“

Danach gefragt, ob der in die Schlagzeilen geratene Seniorenbund OÖ der Reputation des gesamten Seniorenbundes geschadet hat, sagt Korosec: "Nein, auf die Bundesebene wirkt sich das nicht aus. Auch nicht auf die Zahl der Mitglieder."

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