Beide mussten nachgeben
Bei den Grünen heißt es, man bedauere, dass mit der ÖVP keine Einigung auf Matejka möglich gewesen sei. Es sei mittlerweile aber ein Punkt erreicht, wo man die Entscheidung nicht länger aufschieben könne. Gemeint ist damit das umstrittene Interregnum von Vizepräsident Michael Sachs.
Ihn hatten die Grünen schon für die Leitung der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) als „türkisen Kandidaten“ für inakzeptabel gehalten, im Gegenzug blockierte die ÖVP eben Matejka. Im Oktober wurden zudem mutmaßliche Fehlentscheidungen von Sachs als Richter publik – das Justizministerium prüft.
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Unterm Strich haben jetzt beide Parteien nachgegeben: Die BWB führt nicht Sachs, sondern Natalie Harsdorf-Borsch; und das BVwG nicht Matejka, sondern Filzwieser.
Kompetenz unumstritten
Filzwieser ist derzeit als Gruppenleiter im Innenministerium für Asyl und Fremdenpolizei zuständig und war zuvor als Richter beim BVwG tätig. Und Asylfälle sind auch das Hauptgebiet des Gerichts als Kontrollinstanz.
An seiner Kompetenz zweifelt dem Vernehmen nach niemand – nicht einmal sonst so kritische NGOs. So schreibt Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination auf X: „Auch wenn wir inhaltlich nicht immer einer Meinung sind, sein Einsatz für Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit ist sehr glaubwürdig und unbestritten. Kein Parteikandidat. Eine gute Wahl.“
Schaden für den Rechtsstaat
"Nicht zur Tagesordnung übergehen" will der Präsident der Richtervereinigung, Gernot Kanduth. Zunächst einmal sei es gut, dass die Pattsituation im Tauziehen um die Präsidenten-Stelle beendet sei. Aber: "Ich glaube schon, dass der Rechtsstaat Schaden genommen hat, weil der Anschein entstanden ist, dass nicht nur sachliche Kriterien zum Tragen gekommen sind", so Kanduth.
Für die Zukunft müsse man die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, dass so etwas nicht mehr möglich sei. Die leichteste Variante sei, die Entscheidung zur Besetzung dieser Stelle der Bundesregierung wegzunehmen und der Justizministerin oder dem Justizminister allein zu übertragen. "So vermeidet man zumindest diese Sideletter-Optik."
Man könne aber auch überlegen, bei Untätigkeit der Regierung nach einem gewissen Zeitraum das Vorschlagsrecht jemand anderem zu übertragen. Die lange Vakanz des Amtes habe auch international Wellen geschlagen. "Das ist kein rechtsstaatliches Kavaliersdelikt", meinte Kanduth. Zumindest sollte man die "sichtbaren Narben des Rechtsstaats" zum Anlass nehmen, bei Bestellungen an den anderen Verwaltungsgerichten nach dem Vorbild des OGH unabhängige richterliche Kollegialorgane miteinzubeziehen.
"Rücksichtslose ÖVP"
Für den stellvertretenden SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried und SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim zeigt die ganze Angelegenheit, wie rücksichtslos die ÖVP mit staatlichen Institutionen umgehe. Es sei völlig unverantwortlich, die Leitung des größten Gerichts Österreichs aus parteipolitischem Hick-Hack über ein Jahr nicht nachzubesetzen. Immerhin gesteht man zu, dass die fachliche Eignung Filzwiesers unbestritten sei.
Verärgert über die Regierung sind auch die Neos, deren Vize-Klubchef Nikolaus Scherak eine Farce sieht. Bei der Besetzung eines unabhängigen Gerichts sollte einzig und allein zählen, wer der oder die Beste sei, und nicht, auf wen sich die Bundesregierung einigen könne. Er sieht eine Verhöhnung der Erstgereihten und der Auswahlkommission.
Eine Reform des Bestellungsprozesses fordern wiederum in einer gemeinsamen Aussendung die Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die netzpolitische Bürgerrechtsorganisation epicenter.works, die Umweltschutzorganisation ÖKOBÜRO - Allianz der Umweltbewegung und die Asylkoordination. Es könne weder den Bewerbern noch der Bevölkerung zugemutet werden, dass eine Entscheidung aus parteitaktischen Gründen so lange verzögert werde.
Noch eine überfällige Besetzung
Überfällig ist übrigens auch die Neubesetzung des Weisungsrates – auch hier gibt es keinen Konsens zwischen ÖVP und Grünen.
Die siebenjährige Periode der Mitglieder ist am 1. Jänner 2023 abgelaufen. Bis zur Neubesetzung bleiben sie weiter tätig, heißt es aus dem Justizministerium. Zu den Gründen will man sich auf KURIER-Nachfrage nicht äußern.
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