Sobotka: Einigung bei Sicherheitspaket

Innenminister Wolfgang Sobotka
Die bereits angekündigte Asyl-"Sonderverordnung" soll nun doch nur als letzte Maßnahme in Kraft gesetzt werden. Bei Obergrenze herrscht zwischen Sobotka und Doskozil weiterhin Dissens.

Auf einen Blick:

  • Das Paket beeinhaltet laut Sobotka verstärkten Grenzschutz, Fußfesseln für Gefährder, u.a.
  • Auf eine niedrigere Obergrenze hat man sich noch nicht geeinigt
  • Am späten Nachmittag kommt die "Sechserrunde" mit Kern, Mitterlehner und Schelling zusammen
  • Thema der Verhandlungen am Abend ist die Finanzierung der Vorhaben
  • Vorarlbergs Landeshauptmann Wallner warnte Kern vor zu großen Ausgaben

Die Bundesregierung hat am Samstag ihre Gespräche zur Überarbeitung des Regierungsprogramms mit dem Sicherheitsthema begonnen. Es schien, als hätte man sisch auf eine Asyl-"Sonderverordnung" geeinigt, die baldigst in Kraft gesetzt werden sollte. Ausgespart wurde das Thema Obergrenze. Das kündigt zuvor Innenminister Wolfgang Sobotka an. Nun gibt es offenbar einen Rückzieher.

Laut Auskunft aus dem Innenministerium wird die Sonderverordnung nun doch nicht in jedem Fall zeitnah in Kraft treten, sondern nur dann, wenn alle anderen Maßnahmen zur Grenzsicherung nicht ausreichen. Darauf habe man sich mit dem Verteidigungsministerium geeinigt. Ziel der Verordnung, die von der Regierung im Einklang mit dem Hauptausschuss des Nationalrats abgesegnet werden muss, ist es, Flüchtlingen das Stellen von Asylanträgen an der Grenze deutlich zu erschweren. Ursprünglich war vorgesehen, die Verordnung erst mit Erreichen der "Obergrenze" in Kraft zu setzen.

Dissens bei Obergrenze

In Sachen "Obergrenze" für zugelassene Asylverfahren betonte man im Innenministerium, dass bei diesem Thema nach wie vor Dissens herrsche. Innenminister Sobotka bleibe bei seinem Standpunkt, dass es zu einer Halbierung der vereinbarten Obergrenze von derzeit 35.000 auf rund 17.000 Asylverfahren kommen und dass die "Obergrenze" auch gesetzlich festgeschrieben werden sollte. Diese Unstimmigkeit werde im Verhandlungspapier auch festgeschrieben.

Auf SPÖ-Seite wollte man am Samstagnachmittag zu den Verhandlungen offiziell weiterhin keinen Kommentar abgeben. Aus dem Verteidigungsministerium hieß es lediglich, die Endergebnisse werden präsentiert, wenn alle Verhandlungsgespräche beendet sind, man wolle "keine Zwischenergebnisse kommentieren".

Grenzkontrollen

Zur Eindämmung der Migration sollen die Grenzkontrollen "massiv" verstärkt werden. Gleichzeitig soll die Rückkehrberatung intensiviert werden, auch die entsprechenden Zahlungen an die Rückkehrwilligen. Darüber hinaus sieht das Paket eine "Ausreisehaft" (in Höhe von 18 Monaten) vor, falls der Betroffene den Radius verlässt, innerhalb einer festgelegten Frist nicht ausreist oder erneut illegal aufhältig aufgegriffen wird.

Kritisch sieht Sobotka die von Kern geforderte Unterzeichnung des SPÖ-ÖVP-Pakts durch alle Minister. "Ich setzte meine Unterschrift unter mein Kapitel, was ich ausgearbeitet habe, unter sonst nichts", sagte der Minister.

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Schelling zuversichtlich

Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) sieht die Gespräche zur Überarbeitung des Regierungsprogramms auf gutem Weg. Kritischer Punkt seien nun Kosten, Finanzierung und Gegenfinanzierung des Gesamtpakets, wie Schelling sagte. Am Samstag werden tagsüber die entsprechenden Berechnungen vorgenommen, ab 17.30 Uhr wird im Bundeskanzleramt über die Finanzierung des SPÖ-ÖVP-Pakts verhandelt.

"Inhaltlich sind die wesentlichen Punkte diskutiert und vorbereitet. Da gibt es wenig Diskrepanzen. Der ganz große kritische Punkt ist jetzt die Gegenfinanzierung, und die Gegenfinanzierung kann nur durch Einsparungen erfolgen", mahnte der Finanzminister Budgetdisziplin ein. Berechnungen zu den geplanten Maßnahmen laufen derzeit im Finanzministerium, bis Nachmittag sollen die entsprechenden Unterlagen fertig sein.

Sechserrunde am Abend

Samstagabend will man in der Sechserrunde mit Bundeskanzler Christian Kern, Kulturminister und Regierungskoordinator Thomas Drozda und Klubobmann Andreas Schieder auf SPÖ-Seite sowie Vizekanzler Mitterlehner, Schelling sowie Staatssekretär und Regierungskoordinator Harald Mahrer auf ÖVP-Seite dann die budgetären Maßnahmen besprechen, die notwendig sind, um die Gegenfinanzierung sicherzustellen. "Diese Verhandlungen werden heute zu führen sein. Das ist jetzt der Knackpunkt", so Schelling.

Ob sich dadurch der Bundesfinanzrahmen bis 2020 ändert, der bis April vorgelegt werden muss und derzeit Einsparungen von etwa 3,8 Mrd. Euro vorsieht, kann der Finanzminister noch nicht beurteilen. Man müsse die Berechnungen abwarten. Er werde jedenfalls einen Finanzrahmen vorlegen, mit dem die Ziele punkto Schuldenbremse erreicht werden können.

Die für den Abschluss des Gesamtpakets notwendigen Gegenfinanzierungsmaßnahmen beziehungsweise Ausgabenkürzungen möchte Schelling auch im SPÖ-ÖVP-Pakt festhalten. "Die müssen hinein. Das ist eine Bedingung von mir", sagte Schelling.

Heute wird es aller Voraussicht nach aber noch kein Ergebnis geben. Das erwartet Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern Anfang nächster Woche, Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner sieht die Gespräche in der "Zielgeraden". Dort warten auf die Koalition einige Stolpersteine:

Arbeit und Wirtschaft

Beim Themenkreis Arbeit und Wirtschaft sorgte zuletzt vor allem die von der SPÖ gewünschte Beschäftigungsgarantie für ältere, über 50-jährige Arbeitnehmer bzw. Jobsuchende für Diskussionsbedarf. Laut den Verhandlern handelt es sich vor allem um eine Frage der Finanzierung. Die ÖVP weist etwa auf die hohen Kosten hin, die auf mehrere hundert Mio. Euro geschätzt werden, die SPÖ will Ältere mit Förderprogrammen gezielt unterstützen.

Verwirrung um Zuständigkeiten und Kompetenzen herrscht bei den Themen Arbeitszeitflexibilisierung und Mindestlohn. SPÖ und ÖVP sind sich grundsätzlich einig, die Arbeitszeit zu flexibilisieren und den 12-Stunden-Tag inklusive längerer Freizeitblöcke zu ermöglichen. Kerns Plan A sieht darüber hinaus einen Mindestlohn von 1.500 Euro vor. Beiden Themenkomplexe fallen quasi als wohlerworbenes Recht in die Zuständigkeit der Sozialpartner und wurden bei einem Treffen mit Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl (ÖVP) und ÖGB-Chef Erich Foglar (SPÖ) an diese ausgelagert. Bis Ende Juni sollen die Sozialpartner Modelle vorlegen. Ob an der kurzen Leine und unter Führung und Vorgabe durch die Regierung, wie es Vizekanzler Mitterlehner andeutete oder in Eigenregie der Sozialpartner, die die Regierung zuletzt bei ihren ambitionierten Plänen zur Reform der Gewerbeordnung eingebremst und zurückgestutzt hatte, sorgt offenbar für Diskussionen. "Die Regierung will, dass wir bezüglich Arbeitszeit und bezüglich Mindestlöhne Vorschläge machen, die werden wir machen und dann kann die Regierung damit umgehen", meinte Leitl dazu bei einem gemeinsamen Auftritt mit Foglar in der "Zeit im Bild 2". Auch Foglar wies auf die "jahrzehntelange Erfahrung" der Sozialpartner und ein "seit Jahrzehnten sehr gutes bewährtes System" bei Arbeitszeit und Lohnpolitik hin.

Gesamtpaket

Größter Stolperstein auf dem Weg zu einer Einigung zwischen SPÖ und ÖVP dürften aber Kosten und Finanzierung des Gesamtpakets sein. Finanzminister Hans Jörg Schelling mahnte bereits im Vorfeld der Gespräche Budgetdisziplin ein, während die SPÖ darauf hinwies, dass etwa durch Einsparungen in der Verwaltung sehr wohl der nötige Spielraum geschaffen werden könne.

Auch psychologische Fallstricke liegen noch vor den Verhandlern. Aufhorchen ließ etwa Kanzler Kern mit seiner Vorgabe, dass "alle Minister von beiden Parteien" die Vereinbarung von SPÖ und ÖVP unterschreiben müssen, ein Signal des Misstrauens in Richtung der ÖVP-Ministerriege. Kerns Vorgabe erinnert an den Jänner 2000: Damals hatte die ÖVP unter Wolfgang Schüssel gefordert, dass der von SPÖ und ÖVP verhandelte Koalitionspakt auch von SPÖ-Klubobmann Peter Kostelka, für den Kern als Pressesprecher tätig war, sowie SPÖ-Gewerkschafter und Metallerchef Rudolf Nürnberger unterschrieben werden muss. Die SPÖ hatte dies als gezielte Provokation gesehen. Es sei der Sache "nicht dienlich, wenn man meint, dass die Unterschrift des Parteivorsitzenden nicht Gewicht hätte", hatte der damalige Bundeskanzler und SPÖ-Chef Viktor Klima gemeint. Die Koalitionsgespräche waren in der Folge geplatzt, Schüssel machte Schwarz-Blau und wurde Bundeskanzler.

Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) richtet eine "Warnung" an Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ). Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen über eine Neuaufstellung des Regierungsprogramms dürfe nicht das Geld mit beiden Händen aus dem Fenster "gehaut" werden. Ein Aufschnüren des Finanzausgleichs schloss Wallner im Gespräch mit der APA aus.

Der Landeshauptmann betont, dass er die laufenden Gespräche nicht torpedieren wolle: "Eigentlich will ja jeder, dass die etwas arbeiten." Es dürfe jedoch nicht der Fehler aus dem Jahr 2008 wiederholt werden, als (kurz vor der Wahl) zahlreiche Maßnahmen beschlossen worden seien (etwa die erweiterte Pensions-Hacklerregelung und die Abschaffung der Studiengebühren, Anm.), die viel Geld gekostet hätten und die man nachher bereut habe.

Daher habe Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) recht, wenn er heute auf die Staatsfinanzen hinweise. Denn gute Vorschläge könne man immer haben, aber die müssten auch finanzierbar sein, so Wallner explizit in die Richtung Kerns.

Was auch immer verhandelt werde, einen Griff in die Länderkassen dürfe es nicht geben. Der Finanzausgleich sei gerade erst ausverhandelt und beschlossen: "Ich würde davor warnen ihn aufzuschnüren. Sonst gibt es Schwierigkeiten." Wenn die Länder auf anderem Weg etwas beitragen müssten, etwa über eine Ausweitung von Leistungen, erwartet Wallner Verhandlungen. Diese müssten nicht sofort stattfinden, aber in einem entsprechenden Zeitraum.

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