Filzmaier: "Kluge Doppelstrategie Kerns"
Auch wenn es in den Verhandlungen um ein neues Regierungsprogramm eine Einigung geben sollte, hat diese Koalition noch eine Zukunft?
Peter Filzmaier: Die Koalition will seit dem Wahlabend 2013 keine solche sein und wird es bis 2018 nicht sein wollen. Es haben sich nur keine anderen Möglichkeiten aufgetan, die politisch machbar erschienen. Man ist eine Mitte-Links- und Mitte-Rechts-Partei mit kleinem gemeinsamen Nenner. Das ist alles andere als neu. Man würde beiderseits bei der erstbesten Gelegenheit in die Neuwahl gehen, doch seit den guten Umfragewerten der FPÖ fragen sie sich: Gibt es überhaupt eine halbwegs taugliche Gelegenheit?
Natürlich kann es eine Einigung geben, aber man muss sich ihren bizarren Charakter vorstellen: Es gibt am Wochenende ein großes Paket und dann fragen sich alle, was die in den letzten Jahren eigentlich gemacht haben. Wenn es ein Ergebnis gibt, dann ist es nur deshalb eines, weil die Neuwahlkarte zu risikoreich erschien.
Für wie wahrscheinlich halten sie das Zerbrechen der Koalition und die Neuwahl?
Die wahrscheinlichere Variante ist die Präsentation einer Einigung, die nicht ganz gut und nicht ganz schlecht ist. Aber die Kommunikation, das als Erfolg zu verkaufen, hat man jetzt schon in den Schnee gesetzt. Es geht nach dieser Woche nicht mehr, eine Einigung als Erfolg darzustellen, egal, was man zusammengebracht hat. Dafür waren der Streit und die gegenseitigen Unterstellungen zu groß.
Die Alternative ist natürlich die Neuwahl. Wobei bei einem mittelmäßigen Ergebnis der Frühjahrstermin zwar vom Tisch ist, aber nicht der Herbstwahltermin. Es geht darum, ob Maßnahmen bis zum Sommer umgesetzt werden können. Gesetzesbeschlüsse dauern. Da ist die nächste Debatte im Frühjahr möglich und damit auch ein Herbsttermin.
Ist es Kerns Plan, mit Bonus in eine Neuwahl zu gehen, wenn seine Forderungen nicht erfüllt werden und jener der ÖVP, die aktuelle Koalition weiterzuführen, bis Kerns Imagewerte wieder fallen?
Erstens, sehe ich bei Kern durchaus eine kluge Doppelstrategie: Entweder erreicht er einen Kompromiss zu seinen Themen und Vorschlägen. Oder er geht in Neuwahlen, während er noch den Kanzlerbonus hat und die ÖVP als Neinsager dasteht. Das ist vielleicht nicht besonders gut, aber auch nicht das Schlechteste. Die Strategie ergibt aus seiner Sicht Sinn. Den Kanzlerbonus kann ihm niemand bis 2018 garantieren. Der kann schnell weg sein, Stichwort: Django-Effekt bei Reinhold Mitterlehner.
Aber ist diese Strategie auch für die Partei tauglich? Das ist ein anderes Problem. Man ist Kanzlerpartei, etwas Besseres gibt es nicht. Ein anderes Szenario ergibt sich fast nur, wenn man bereit ist, mit der FPÖ zu arbeiten. Kern bewegt sich in diese Richtung und will die Option eröffnen. Ob die Partei soweit wäre, das ist eine andere Frage.
Wer wäre besser auf die Neuwahl vorbereitet, SPÖ oder ÖVP?
Was die Spitzenkandidaten betrifft: die SPÖ. Kern hat den Kanzlerbonus, Mitterlehners Werte sind mittelmäßig bis mäßig. Aber die Frage ist: Wird Mitterlehner überhaupt der Kandiat sein? Finanziell geht es beiden gleich gut oder gleich schlecht. Anders sieht es wohl bei der FPÖ aus, denn die hatten ja dreieinhalb Präsidentschaftswahlkämpfe zu bezahlen. Strukturell hängt es davon ab, ob die Landesorganisationen voll mitziehen. Die SPÖ ist in Wien stark, aber in den anderen drei großen Bundesländern geschwächt. Für die ÖVP ist Wien ein Katastrophengebiet, aber in Niederösterreich, Oberösterreich und in der Steiermark ist man stark oder halbwegs stark. Das ist ein leichter Vorteil für ÖVP.
Seit Monaten heißt es, die SPÖ bereite den Wahlkampf vor. Ist es im Fall der ÖVP überhaupt möglich, einen Wahlkampf für Sebastian Kurz vorzubereiten, wenn der Parteichef ein anderer ist?
Das ist genau das Problem. Wenn die SPÖ den Wahlkampf nicht im Hinterkopf hat, dann macht sie ihre Aufgabe nicht richtig. Bei der ÖVP ist es schwieriger, wer sollte denn einen Wahlkampf vorbereiten? Die Bundespartei? Dann müsste man das unmittelbar hinter dem Rücken des Parteichefs machen, das wäre ein Entlassungsgrund. Das können auch Landesorganisationen nicht übernehmen. In Niederösterreich schreiben sie gerade die Strategiepläne für Johanna Mikl-Leitner, da ist es real nicht denkbar, dass sie auch an Plänen für andere arbeiten. Ich glaube eher, dass es in den Bünden Strategiepapiere gibt, aber so etwas ist ja nur die Basis einer Strategie. Es müssten unter anderem auch Umfragen gemacht werden, wie soll das geheim bleiben?
Ob das aber wirklich ein Startnachteil ist, da bin ich mir nicht sicher. Man hat gesehen, wie schnell die SPÖ 2008 von Faymann auf Gusenbauer umgeschwenkt ist. Das hängt natürlich auch von der Person ab. Gusenbauer hat damals gesagt, ich bin einmal weg, obwohl er noch Kanzler war.
Die Frage ist auch, ob Kurz wirklich will, und jetzt will, und mit der entsprechenden Kommunikation einsteigt. Er könnte aber noch abwarten. Derzeit ist er auffällig ruhig, was vernünftig ist.
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