Wo sich Türkis-Rot-Pink einig ist – und wo überhaupt nicht
Die Verhandler sollen sich auf eine Kindergrundsicherung verständigt haben. Die entscheidenden Punkte, vor allem im Wirtschaftsbereich, sind aber allesamt offen.
„Der kleinste gemeinsame Nenner wird nicht reichen“, lässt die Chefin der kleinsten der drei Parteien, die miteinander regieren wollen, wissen. Große Schnittmengen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos sind auch zweieinhalb Monate nach der Nationalratswahl noch nicht aus- und öffentlich gemacht. Einzig bei einem sind Karl Nehammer, Andreas Babler und Beate Meinl-Reisinger d’accord: Das Staatsdefizit muss weniger werden. Und auch hier plädiert die SPÖ für ein EU-Defizitverfahren – während ÖVP und Neos dagegen sind.
„Für ein unsägliches Schauspiel“, hält all das Burgenlands SPÖ-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. Er stellt sich am 19. Jänner 2025 der Wiederwahl und muss laut Umfragen fürchten, die Absolute zu verlieren. Ob die Regierungsverhandler im Bund vor dem Burgenland ihre Ergebnisse präsentieren werden können, ist derzeit ungewiss.
Es wird jedenfalls auch über die Weihnachtsfeiertage verhandelt. Laut KURIER-Informationen aus den Verhandlerkreisen gibt es in allen sieben Themenbereichen bereits Punkte, bei denen sich ÖVP, SPÖ und Neos einig sind. Im verhandlungsinternen Ampelsystem stehen diese auf grün. Viele entscheidende Punkte sind aber noch offen (gelb) oder gar rot – also weit von einem Kompromiss entfernt.
Wo Einigkeit herrscht
Der eine oder andere mittelgroße Wurf ist den 33 Untergruppen bereits gelungen. Etwa in der Gruppe Arbeit und Gesundheit. ÖVP, SPÖ und Neos sollen sich auf eine Reform der Sozialhilfe inklusive Kindergrundsicherung geeinigt haben.
Details fehlen noch, das andere von Babler vorgeschlagene Modell könnte in abgeschwächter Form kommen. Gleichzeitig soll die ÖVP-Forderung umgesetzt werden, den geringfügigen Zuverdienst neben dem Arbeitslosengeld zu streichen. Auch kommen sollen: kürzere Wartezeiten beim Arzt oder eine Erhöhung des effektiven – nicht des gesetzlichen – Pensionsalters.
Was Nehammer bereits öffentlich sagte: Österreichs Übererfüllung der EU-Klimaziele bis 2040 klimaneutral zu werden, soll fallen. Ausbauen will man die Bahn – und nach diversen Baustopps von Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) auch wieder Autobahnen.
Offenbar unter anderem ebenso „grün“: Leistungskürzungen im Integrationsbereich, kostenlose Verhütungsmittel und die Bevorzugung von Jungfamilien bei der Vermietung gemeinnütziger Wohnungen.
Die größte Einigkeit herrscht in den Clustern „Klima, Verkehr und Landwirtschaft“ sowie in der Bildung. Für alle genannten Punkte gilt: Details fehlen noch.
Große Differenzen bei der Wirtschaft
Die wirklich entscheidenden Themen sind allerdings gelb oder rot. Dazu gehören fast alle Streitfragen im Wirtschaftsbereich: Ob, wie ÖVP und Neos fordern, Betrieben die Lohnnebenkosten und die Körperschaftsteuer gesenkt werden sollen.
Oder ob die Dreierkoalition neue Steuern einführt. Hier startete die SPÖ am Dienstag erneut eine Offensive für „Millionärssteuern“. Diese untermauerte sie mit einer Umfrage des SPÖ-nahen Instituts Ifes, was für Ärger bei der Gegenseite sorgte. Bereits Ende November hatte Nehammer klargestellt: Sollte die SPÖ auf Vermögenssteuern bestehen, seien die Verhandlungen „schnell zu Ende“. Danach gab es immerhin bei der Grundsteuer eine erste Annäherung.
Auch abseits der Wirtschaft besteht noch viel Gesprächsbedarf. Etwa bei Nebenbaustellen wie einem neuen Nationalstadion oder im Wohnbereich: Die ÖVP würde gerne die Grunderwerbssteuer auf das erste Eigenheim abschaffen, die SPÖ alle Mieten bis 2027 einfrieren. Von einer Einigung ist man bei beiden Punkten laut Verhandlern weit entfernt.
Selbiges gilt im Migrationsbereich für das Aussetzen des Familiennachzugs, ein Verbot des politischen Islam, das langjährige ÖVP-Projekt Messenger-Überwachung oder eine „Leitkultur mit Fest- und Feiertagskultur“. Auch offen: Größere Reformen im Pensionsbereich, was vor allem aus Sicht der Neos dringen nötig wäre, um die Staatsausgaben strukturell zu senken.
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