Das erste Szenario: Geht es nach der SPÖ, soll sich Österreich einem EU-Defizitverfahren (ÜD-Verfahren) unterwerfen. Dabei kann der betroffene EU-Staat höhere Schulden machen, soll aber Spar-Empfehlungen der EU-Kommission berücksichtigen.
Das Szenario mit ÜD-Verfahren kennt zwei Varianten: Einen vierjährigen Konsolidierungspfad, bei dem Österreich von 2025 bis 2028 laut BMF 14,8 Milliarden Euro einsparen muss; oder einen Sieben-Jahres-Pfad, der Einsparungen von 18,4 Milliarden bis 2031 vorsieht. Bei der Variante bis 2031 müsste der Bund glaubhaft Reformen mit Ländern und Gemeinden umsetzen.
Und das zweite Szenario? Dabei gelingt es Österreich, ein ÜD-Verfahren doch noch abzuwenden. Dafür muss die nächste Regierung der EU-Kommission bis Mitte Jänner ein überzeugendes Maßnahmepaket übermitteln.
Schnelle Einsparungen realistisch?
Nachteil: Dieses Szenario sieht anfangs höhere Einsparungen vor, Österreich müsste Maastricht weitestgehend einhalten. Auch hier gibt es wieder zwei Varianten: Bei einer Budget-Konsolidierung bis 2028 müsste Österreich 24,1 Milliarden einsparen, beim Pfad bis 2031 insgesamt „nur“ 18,1 Milliarden. Auch hier gilt: Die EU hätte mehr Mitspracherecht. „Durch die zeitliche Streckung würde der Sieben-Jahres-Pfad mehr finanziellen Handlungsspielraum für Maßnahmen abseits der reinen Budgetkonsolidierung ermöglichen“, meint Finanzminister Mayr.
Egal, welche Variante man beim Szenario ohne ÜD-Verfahren wählt: 2025 müsste die Regierung jeweils ad hoc 6,3 Milliarden im Budget freischaufeln. Die ÖVP bevorzugt dem Vernehmen nach diese Form der Schocktherapie.
Aber sind so schnelle Einsparungen überhaupt realistisch umsetzbar? Mayr rechnet vor: Die Abschaffung des Klimabonus brächte zwei Milliarden, jene der Bildungskarenz 650 Millionen und die Absenkung der Förderquote auf EU-Durchschnitt drei Milliarden. Damit wäre das Sparvolumen fast erreicht, ohne neue Steuern einzuführen.
Fiskalrat gegen "Tabus"
Fiskalratspräsident Christoph Badelt bleibt dabei: Es sei nötig, Ausgaben zu streichen und neue Einnahmen zu generieren – etwa über neue Steuern, wie es die SPÖ vorschlägt. „Es müssen alle Seiten, die in Verhandlungen eingetreten sind, ihre Positionen, die sie vorher als Tabu formuliert haben, verlassen.“
Für oder gegen ein Defizitverfahren will sich Badelt nicht aussprechen. Ein ÜD-Verfahren wäre für Österreich „sicher ein Reputationsverlust, aber ich glaube ein politischer, weniger auf den Finanzmärkten“, sagt er. Gleichzeitig wäre eine neue Regierung wohl erst im Frühjahr handlungsfähig – und könnte wohl nicht mehr rechtzeitig wirksame Maßnahmen beschließen, um ein ÜD-Verfahren abzuwenden.
Badelt warnt prinzipiell davor, bei den Konsolidierungen nur an die EU-Fiskalregeln zu denken und Zukunftsinvestitionen zu vernachlässigen. Das führe „völlig in die Irre. Wenn Sie auch alles erfüllen, was die Fiskalregeln verlangen, haben Sie noch keinen Cent für Zukunftsinvestitionen gewonnen“, sagt Badelt. In Wahrheit müsse man „noch mehr Geld freischaufeln“, als von der EU verlangt, um etwa zusätzlich in die Bildung oder die ökologische Transformation investieren zu können.
Ändert sich politisch nichts, sind die budgetären Aussichten laut Fiskalrat jedenfalls langfristig düster: Österreichs Staatsverschuldung in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) würde bis 2028 auf 85 Prozent ansteigen. Damit läge die Schuldenquote 14 Prozentpunkte vor dem Vorkrisenwert von 2019.
Kommentare